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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 231 - Nr. 240 (5. Oktober - 16. Oktober)
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5. Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 9. Oktober 1923

Nr. 234

Bezugspreis einschl. Trägerlohn tür
Woche v. 8.-IS. Ott. Ms.MüvoovO.
Unzcigcntaris: Die cinsp. Petitzeile
od. der. Raum (S8mm br.) Mk. M.-,
i. Auswärtige Mk. 8N.—, Reklame-
nn zeigen (74INM breit) Mk. WO.—.
Pnnidprcis mal der Schlüsselzahl d.
d. A., z. Zt. Ivovoo Mk. Bei Wie-
derholungen Nachlaß nach Tarif.
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Meschästsftunden8-g Uhr. Sprech«
WW rWx WWN^M^ WE kW« stunden der Redaktion: II—ISIthr.
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"WM WM MM WU WW^^WD WU UW MÄ MA Tel.-Adr.: Volkszeilungtzcidclberg.
M-tM. MMi ^Wk MMi Druck». Verlag derUntcrbadismen
M W.HD WW» WW^ Verlagsaultal, M. m.b.lä., kreidel,
V ZlSK»^ ESWMAM M HMM MsMRWÄU berg. Geschäftsstelle:Schröderür.ßS.
de 'MM' WM Tel.: ErpeditionLK73u.Redak.LS7S.

Aussprache im Reichstag.

Berlin, 8. Oktober 1923.
Der Reichstag begann am Montag nachmit-
tag die Debatte über die Regierungserklärung
Stresemwnns vom letzten Samstag.
Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung,
die bum nach 12 Uhr begann, steht die Aussprache
über die Erklärung des Reichskanzlers und über
die Anträge aus Aufhebung des Ausnahmezustan-
des. Außerdem sollen nach Möglichkeit die Ent-
würfe betr. das Ermächtigungsgesetz und die Er-
richtung einer Währungsbank beraten werden. Als
erster Redner ergreift das Wort
Abg. Breitscheid:
D« überraschende Regierungskrisis hat alles
auf den Kopf gestellt. Parlament und Volk
sind noch nie in so unverantwortlicher Weise mit
einer Regierungskrise übersatten worden, und die
Empfindungen, mit denen wir an drei Arbeit gehen,
sind andere als vor einer Woche. Die Aufgabe des
Passiven Widerstandes findet unsere Billigung.
Der wesentlichste Grund lag auf finanziellem! Ge-
biet und der schwerste Vorwurf trifft das Kabinett
Enno, daß es auf diesem Gebiete eine Politik der
Verschleierung getrieben Hai. Jetzt sollen die Nach-
folger Cunos gesteinigt werden, weil sie ein un-
mögliches Unternehmen liquidiert haben. Der pas-
sive Widerstand war berechtigt als Akt der Not-
wehr gegen die Gewalt, aber er durfte nur den
Zweck haben, Verhandlungen mit dem Gegner her-
beizusühren. Das Kabinett Cuno verließ sich
auf den lieben Gort und auf England,
aber England hat unter dem Druck der Rechtsradi-
kalen des englischen Parlaments versagt, weil die
Regierung Cuno trotz ihrer besseren Einsicht unter
dem Druck gewisser Elemente die richtigen Folge-
vungen wicht zu ziehen wagte. So war der
Zusammenbruch unvermeidlich.
Dazu kam die Gefahr der zunehmenden Demo-
ralisation im Einbruchsgcbiet. Immer wei-
tere Kreise lebten von der Reichs Unterstützung, und
Unternrhmerkreisc haben die staatliche Subvention
Zu
Spekulationen gegen das Deutsche Reich
benutzt, und das sind dieselben Kreise, die sich als
die nationalsten bezeichnen. (Lärm rechts. Zuruf:
Beweise!) Man sprach auch von dem aktiven Wi-
derstände. Hat England das Kabinett Cuno tat-
sächlich wiederholt angeregt, den passiven Wider-
stand aufzngeben? Darüber wird die. jetzige Re-
gierung
Auskunft
Leben können. Die Deutschnationalen verlangten
buch den Bruch mit Frankreich auf alle Konsequen-
lsn hin. Was soll das heißen? Uns ist dieser
Bruch niemals anders als ein W ach n sinn er-
schienen. Poincars lehnte entgegen seiner frü-
beren Zusage Verhandlungen trotz der Aufgabe des
Massiven Widerstandes ab. Er will Zeit gewinnen,
bis sich das Chaos in Deutschland entwickelt.
Die separatistische Bewegung im Rheinland ist
französische Macht.
Die deutsche Arbeiterschaft lehnt den selbständigen
biheinlandstaat nach wie vor ab. Wir erwarten,
'»aß dis deutsche Regierung nichts unversucht läßt,
bm zu Verhandlungen zu ton,men in einem Augen-
blick, wo Herr Stinncs den Weg zu Degout 1 e
stndet. Der Fall Küstrin ist eine Episode in
ftnex wohl vorbereiteten großen Bewegung. Wir
bellen mit Genugtuung fest, daß die Reichswehr
bem Putsch ein Ende gemacht Hat, und hoffen, daß
'br Einschreiten nicht bedingt wird durch die Be-
zeichnung wer Bewegung als naiionalkommuni-
'"sch. Das von der Negierung verhängte Gchwcige-
^bot ist unvereinbar mit den öffentlichen Jntedes-
wn. erwarten, daß die Regierung mit rück-
baltsloser Energie alle weiteren nationalistischen
Bewegungen unterdrückt.

Um darauf Einfluß zu haben,
Aid wir auch in die Regierung wieder eingetreten.
Verhältnis zwischen Bayern und der Re-
Achtung ist eine Machtfrage, die als solche vom
Z^ch zui behandeln ist. Bayern ist abhängig vom
1,,^'ch und das Reich soll nur von seinen Macht-
erfreut

Aeich zu, behandeln ist.
Atteln Gebrauch wachem Das Parlament
keiner großen Beliebtheit.
Die Zeitungen
trichien aus Mangel an Raum und mit Absicht
s„/r bie sachlichen Vorgänge im Parlament nur
durstig. Aber für Sportkämpfe haben
Su>, Blätter den breitesten Raum Die Net-
ti«,, Z" Sensationen Met den Parlamenta-
devrl können mit einer Diktatur nur ciw-
H banden sein, die die Kontrolle durch den
k üicht völlig ausschaltet und die unserer
hortet auch den nötigen Einfluß auf ihre Entschei-
k «en gewährt. Wie kann man in dieser Zeit auf
„ Gedanken Mumm, die Arbeitszeit zu verlän-
V« kr-s steckt dahinter offenbar nichts anderes,
-as Verlangen nach einem

Abbau der Löhne.
Die Gewerkschaften sind stets bereit gewesen,
auf die Arbeite« im Sinne einer Verlängerung der
Arbeitszeit in Fälle,«, wo es notwendig ist, einzu-
wirken. Dementsprechend haben wir auch die For-
mulierung des Ermächtigungsgesetzeis! geändert^
Haute freilich wird gemeldet, daß die
Bergherren im Ruhrrevier
bekannt machen, daß sie allen Gesetzen und Ver-
ordnungen zum Trotz die Verlängerung der Ar-
beitszeit verkünden werden. Wird die Regierung
gegen diese offene Verletzung der Gesetze einschret-
tetntz
Die Auswerfung der Arbeitszeilsrage
in der letzten Woche geschah offensichtlich nur Zn
dem Zweck, die Sozialdemokraten aus der Regie-
rung zu verdrängen und war in geheimen Konven-
tikeln vorbereitet worben. Wider den Marxismus!
w hieß das Schlagwort. Es Ang auf eine Poli-
tik hinaus, die Deutschland den Verlust der Rhein-
provinz gekostet und der Arbeiterschaft die Aasten
der Reparationen aufgebürdet hätte. Wir haben
vor schweren Entscheidungen gestanden, und keinem
von uns, der für die Wiederbelebung der Großen
Koalition eintttat, ist der Entschluß leicht gewor-
den. Aber es handelt sich darum, die Anschläge der
nationalistischen Elemente gegen die Republik zu
vereiteln, die Anschläge der Großindustrie auf diy
Arbeiterschaft abguwehren und die Gefahr eines
neuen Krieges abzuwenden lins leitete die Sorge
um die deutsche Republik und das deutsche Volk.
Wir habet, nüchterne Politik getrieben «und müssen
eine gewisse Unpopularität
auf uns nehmen. Aber die Geschichte Wird uns
einst recht geben. Wir beschränken uns in der Re-
gierung nicht nu« «auf die Abwehr, sondern stellen
positive Forderungen
und verlange» «u, a. die Lösung der Währungs-
frage durch Gesetz. Ob wir unser Ziel erveichen
worden, ist eine Frage. Es kommt darauf an, daß
die bürgerlichen Parteien imstande sind, die sub-
versiven Elemente von sich abzustoßen. Defk
Reichskanzler hat erklärt, daß Stinnes
mit der Bildung der Regierung nichts zu tun ge-
habt habe. Wir hoffen, daß das mehr als eine
Feststellung ist. Er mutz eine starke Hand haben,
um die aufsässigen Elemente zurückzuhalten. Wi«
rechnen mit der Möglichkeit, daß der Kampfruf
„Wider den Marxistnus!" von Neuem erhoben
werden wird. Die Idee des Marxismus lebt aber
und wird durch Maschinengewehre nicht getötet
Werden, (Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Dr. B el l (Ztr.): Wir haben die Einleitung
der Regierungskrise sehr bedauert. Für bedauer-
liche Fehler in der Handhabung des parlamentari-
schen Systems darf Man nicht dieses System
selbst verantwortlich machen. Wir bedauern die Vou
gänge, die zur Verhängung des Ausnahmezu-
standes geführt haben, aber seine Verhängung
war notwendig. Wir begrüßen die Zurück-
haltung, die sich der Reichskanzler Bayern ge-
genüber aufortlsgt hat. Wir müssen auch in kultu-
reller Hinsicht der berechtigten Eigenart Bayerns und
der übrigen süddeutschen Länder Rechmlng tragen.
Die Rheinbrücke darf nicht zerstört, sie Muß
gefestigt werden. (Beifall.) Durch das Er-
mächtigungsgesetz darf sich das Parla-
ment nicht etwa ausschalte w; die Souve-
ränität der Volksvertretung darf nicht in andere
Hände übergehen. Weder Diktatur noch
verfassungsmäßige Ausschaltung dür-
fen wir uns gefallen lassen. Die U «Verspan-
nung der Preise in der letzten Zett hat auch
politisch sehr schädlich gewirkt. Wenn die Be-
sitzenden jetzt größereSteuerlei st ungen
aufbringen, so dienen sie damit nicht nur dem
Reiche, sondern ihren eigenen Interessen, denn
ein Zusammenbruch des Reiches würde
auch ihren Besitz vernichten. Erst eine feste Wäh-
rung kann die jetzige Rechtsunsicherheit beseitigen.
Die feste Währung können wir erst erreichen, wenn
unsere Wirtschastleistungsfähtger gewor-
den ist. Darum müssen wir über die jetzigen Ar-
beitszeitbeschränkungen hinaus die Arbeit stei-
gern. Wir stimmen den Ausführungen des
Reichskanzlers über die Aufhebung des pas-
siven Widerstandes zu. Die neue Dolch-
stoßlegende wird auch Wohl endlich erle-
digt sein. Wir Rheinländer sind treu deutsch
und werden es bleiben. (Beifall.) Aber wir er-
warten Verständnis für unsere Eigen-
art, für unsere freiheitliche Gesinnung. Wir erwar-
ten, daß die Regierung keine Gelegenheit
versäumt, um zur Verständigung mit
denGegnernzu kommen.
Abg. Graf Westarp (D.N.): Draußen vor de»
Toren steht der Feind (Zuruf bei den Sozialdemo-
kraten: iN Küstrt n!) und hier wird tagelang über
die Zusammenstellung der Regierung verhandelt.
Der Parlamentarismus hat versagt. Die Männer

der Wirtschaft haben sich versagt diesem Paricige-
triebe, diesem Parlammtarismus, dieser großen
Koalition und diesem Dr. Stresemann, der
nrit Sozialisten zufammenregieren will. (Abg.
Dr. Müller-Frauken: Und wie war es in der fozia-
listenreinen Regierung Cuno?) Die hat Männer
der Wirtschaft gehabt. (Große Heiterkeit links.)
Lange wird diese große Koalition nicht halten.
In Deutschland kann nur gegen die Sozial-
demokratie regiert werden. Wir sind mit dik-
tatorischen Befugnissen einer Regierung
eitwerstanden, wenn die Ausführung in die Hände
der M i l itärb es eh ls h ab er gelegt wird. Einer
Regierung der großen Koalition können wir solche
Befugnisse aber nicht zubilligen. Zu Herrn v. Kahr
Haven wir volles Vertrauen. Es besteht die große
Gefahr, daß das Volk wegen Mangels einer festen
Währung kein Brot bekommt. (Stürmische Rufe bei
den Sozialisten: Die gestehen also ein, daß die Land-
wirte das Volk verhungern lassen! Große Unruhe.)
Die Gefahr besteht in der Tat, daß das Volk aus
Mangel an Zahlungsmitteln verhungert (er-
neute große Unruhe links; Rufe: Schämen Sie sich
denn nicht!) Der passive Widerstand mußte auf die
Dauer versagen. Er konnte nur zum Ziele führen,
wenn er mehr und mehr in aktive Formen
überging. (Zumf links: „Was ist denn das, ein ak-
tiver passiver Widerstand?" — Heiterkeit.) Ich denke
an die Sabotageakte (Zuruf: Aha!), am die
berechtigten Notwehrbandlungen, die geradezu na-
tionale Pflicht waren. (Sehr richtig! rechts.) Wir
wollen den Abbruch der Beziehungen zu
Frankreich mit allen daraus sich ergebenden Folgen.
Selbst auf die Gefahr hin, daß Frankreich den
Vormarsch weiter nach Deutschland
hinein soritsetzt oder andere kriegerische Handlun-
gen vornimmt, darf die Unterwerfung nicht durch
eine neue Unterschrift bekräftigt werden. (Stürmische
Zustimmung rechts. — Abg. Ledebour: „Und
was wollen Sie dagegen tun?") Darüber kann ich
mich jetzi nicht näher äußern. (Schallendes Gelächter.)
Reichskanzler Dr. Stresemann:
Graf Westarp sagt, ihn erfüllten Scham und Em-
pörung Mer die letzten Wochen. Meine Herren! (zur
Rechten) Haben S i e nicht in das Feuer hinein-
geblasen? (Große Erregung.) Sie stellen sich
jetzt hin und sagen, Sie seien von Scham und Em-
pörung ergriffen über diese Vorschläge, über die
Verhandlungen unter den Fraktionen. Das hätten
Sie nicht getan, wenn die Verhandlungen eine
andere Wendung genommen Hütten und eine bür-
gerliche Regierung gekommen wäre. (Leb-
hafte Zustinimung bet der Mehrheit.) Auch ich wü«de
es viel lieber sehen, wenn ein Ermächtigungsgesetz
nicht nötig wäre, aber Sie selbst haben mich leider
zu diesem Weg gezwungen, als Sie plötzlich bei der
Bildung der Koalition in Opposition traten
gegen dieselben Steuern, die Sie selbst
mitbewilligt hatten. (Große Unruhe rechts, lebhafte
Zustimmung links.) Nun wird davon gesprochen,
diese Regierung stände unter einer Vorherr-
schaft der Sozialdemokratie oder
marxisttscher Ideen. Manchmal hat man die
Empfindung, als 0b das deutsche Volk wiMich
von einem Schlagwort zu dem andern gehetzt
wird. (Zustimmung.) Als ob in dem, was dieses
Kabinett an Entwürfen vorlegt und beabsichtigt,
marxistischer Geist wäre! (Zuruf rechts: Aufhebung
des Privateigentums!) Wer spricht von Aufhebung
des Privateigentums! (Große Heiterkeit bei den
Sozialdemokraten.) Ich halte die Heranziehung
des Privateigentums zur Durchführung der
Staatsaufgaben allerdings für notwendig aus inncn-
und außenpolitischen Gründen, aber die Aufhebung
des Privateigentums will wedev das Kabinett noch
die Parteien. Eine jede Koalition verlangt von
jeder beteiligten Pattci Opfer, und deshalb brauchen
Sie sich bei einer Koalition auch gar nicht darüber
zu Wundern, daß in den beidenFlügclpar-
teien, der Sozialdemokratie und der Deutschen
Volkspartei, der K am p f d er Me i nu n g e n stark
aufcinanderplatzt. Aber nach meiner Ueberzeuguug
beginnt der Gegensatz zwischen Volk und Staats-
kunst da, wo mau auf einmal das
Odium der Unpopularität
auf sich niMnt um des großen Ganzen willen:. (Bei-
fall bei der Mehrheit.) Sie (nach rechts) pflegen ja
gewöhnlich die gange Koalitionspolittk hinzustellen
als eine Kompromitzpolitlk und deshalb als eine
Politik der Schwäche. Tatsächlich ist die Koali-
tionspolitik die einzige Realpolitik,
die in Deutschland getreben werden kann, solange
Sie auf Verfassungsmäßigem Boden in
'Deutschland regieren wollen. (Abg. Graf Westarp:
Also immer mittanzen!) Ich glaube, Sie würden
gerumttta n z e n. wenn Sie eingeladen würden!
(Stürmische Heiterkeit und Zustimmung im Hause
und Händeklatschen auf den Tribünen.)
Der Kamps nm das Rheinland
ist auf her Höhe, er wird geführt mit äußerster

Schärfe! Sie werden Mir zugeben, daß Sie heute
Frankreich mit Worten nicht aus dem Rhein-
land herausbringen. Dann bleibt Ihnen aber nichts
anderes übrig, als der nationale Jdealis-
m u s eines geeinigten deutschen Volkes (Lebhafter
Beifall) und da hat auch die Sozialdemokra-
tie des Rheinlandes ihren Mann gestanden. Die
Worte Les Grafen Westarp gegen das Papiergeld
können nicht unwidersprochen hinausgehen. Ohne
das Papiergeld haben wir morgen das Chaos.
Die Reparationsfrage kann nicht durch einseitige
Verständigung erledigt werden. Lord Curzon
wendet sich in seiner Rede entschieden gegen die
Idee, Deutschland Zahlungsverpslichtungen von 132
Goldmilliarden auf;»erlegen. Weiter erklärte Cur-
zon, daß die Aufhebung des passiven Widerstandes
Vordrei Monaten hätte gefaßt werden müssen.
Es war töricht und uuweife, daß man so lange auf
dem passiven Widerstand verharrte. (Große Bewe-
gung im ganzen Hause.) Als es sich darum handelte,
auf der Basis von Gegenleistungen den passiven
Widerstand aufzugeben — da» war auch die Auf-
fassung des Kabinetts Cuno — da kam
von englischer Sette der Rat:
„Tun Sie es bald, denn sonst dürften Sie bei der
Lage do« Verhältnisse im besetzten Gebiet in eine
Situation gedrängt werden, bei der Ihnen nicht
mehr die Möglichkeit gegeben sein wird,
irgendwelche Bedingungen für die Auf-
gabe des passiven Widerstandes zu stellen." (Erneute
Bewegung.) Das ist die Situation, die das Kabi-
nett tm August vorfand. Wenn es darauf ankommt,
Proteste zu erheben, so stehen mir auch scharfe
Worte zur Verfügung, aber ich meine, daß der, der
an der Spitze eines völlig ohnmächti-
ge »Staates steht, am wenigsten starke Worte ge-
brauchen soll. In gewisser Beziehung ist
der Versailler Vertrag
gegenüber der bisher betriebenen Gewaltpolitik noch.
ein Schutz der deutschen Interessen (Lachen rechts)
und es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß das Los-
reißen von dem Vertrag eine Besserung der deutschen
Situation mit sich bringen würde. Was wir vor
allem brauchen, ist ein geeinigtes deutsches Volk.
(Lebhafter Beifall.)
Abg. Dr. Scholz (D.VP.) wendet sich gegen dik-
tatorische' Eingriffe in die bayerischen Verhältnisse
und fordert Wiederherstellung der Staatsautorität
in Sachsen und Thüringen. Die Deinobilmachungs-
vorschristen müssen aufgehoben werden.
Abg. Koch (Dem.) bedauert die innerpolitischen
Zerwürfnisse.
Abg. Leicht (BaYr.Vp.) lehnt die Anträge auf
Aufhebung des Belagerungszustandes sowohl für
Bayern wie für das Reich ab und fordert Wehrhaft-
machung.
Anträge.
Die KoaMonspatteien stellen den Antrag fol-
genden Vertrauensvotums:
„Der Reichstag bklligt die Erklärungen der
Reichsregierung und spricht ihr das Vertrauen
aus."
Von der sozialdemokratischen Fraktion
Ist folgender Antrag edngegangen:
„Der Reichstag billigt die Rechtsauffassung
der Reichsregierung über die bayerische AuS-
nahineverordnung und erwartet, daß die Reichs-
regierung baldigst eine Klärung der Lage herb er-
führt."
Abg. v. Gräfe (D.N.) rechnet mit einer na-
tionalen Erhebung, deren Konsequenzen er
tragen will und bedauert, daß der gegenwärtige
Leiter der Reichswehr die Fühlung mit denjenigen
nationalen Kreisen ablehnt, auf die die Reichswehr
allein aechnen kann.
Reichsminister Sollmann stellt die Schuld der
Sonderbündler und französischen Truppen an den
blutigen Vorgängen in Düsseldorf fest und weist die
Behauptung des Vorredners zurück, daß Severing
die Beamten des Ruhrgebiets zur Unterwerfung un-
ten die Befehle der« Rheinlandkommisston angewiesen
habe.
Reichswehrminister Geßler erklärt den Vor-
gang in Küstrin mehr als eine Komödie, als eine
Tragödie jedoch insofern, als der nationale Sinn
deutscher Jugend von unverantwortlichen Leuten
schmählich mißbraucht wurde. Wie die Vorgänge in
Küstrin zeigen, wird die Macht rücksichtslos, ge-
braucht. Die Zensur für Küstrin war notwendig,
weil die Aufständischen falsche Siegesmel-
dungen zu verbreiten suchten. Dies war gefahr-
voll. Nunmehr stehen Wir unmittelbar vor
der Aufhebung dieser Verordnung.
Nach kurzen Bemerkungen des Roichsjustizinini-
sters Dr. Radbruch, des Abg. Ledebour und
des Abg. B arth (Komm.) erfolgt dis
Annahme des Vertrauensvotums,
nachdem ein Mittag aus namentliche Abstimmung
 
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