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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 261 - Nr. 270 (9. November - 20. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48728#0275

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W rch, « c» ci oi ev. >LS Milliard.
D.. ^ ,v.jr^r<-rrr Z cinfv.Petttzekle
dr.) Ml. 60.—,
Mr. 80 —, Neklame-
r» .iltt«« 1>E Mk. WO.-,
tssr dorSchlüffeljahld.
4,». L. .-e- » K->« Löv Mill Bei Wie-
. 7. 3>qchlatz nach Tarif.

5. Jahrgang Heidelberg, Mittwoch, den 14. November 1923 Nr. 265


Mk PM, Mm LWk
* Heidelberg, 14. November.

2,9, den Tabakarbeitern 27,5, den freien Maschinisten
und Heizern 3,9, dem Deutschen Textilarbeilerver-
band 7,2, dem Bekleidungsarbetterverband 19,8 und
bet den Lederarbeitern 8,2 Prozent aller organt-

Deuttchland wertvolle Chancen zu neuen Kurstrei-
bereien gibt.
Allerdings scheint sich die Regierung jetzt mit der
Wirtschaft einig geworden zu sein, die übersetz-

Mir einen chrtstlich.nationalen Mann hört nüm-
lich die Schonung dort auf, wo das Unglück seine,
Freude anfängt.

Das deutsche Tollhaus

Die Lügen der Verschwörer

also

Ge-

ber

fierten Mitglieder. Dazu kommt die täglich mehr
anschwellende Zahl der Kurzarbeiter, die z. B. bei
den Bekleidungsarbeitern 45,3 Prozent beträgt. Bet
den Schuhmachern arbeiteten in der verflossenen
Woche noch nicht ganz 10 Prozent der organisierten
Mitglieder wöchentlich 48 Stunden.
Reichsfinanz- und ReickMvirtschaftKminister, de-
ren Aufgabe es ist, möglichste Linderung und Er-
leichterung zu verschaffen, haben völlig versagt.
Das kam: nach den lvenigen Tagen ihrer Amtsdauer
mit allem RE konstatiert werden. Finanzen
und Wirtschaft der deutschen Republik waren
kaum in schlechteren Händen als augenblick-
lich. Die ganze Wirtschaftspolitik des Herrn Koeth,
die an die Moral der deutschen Ausbeuter und Ge-
schäftemacher appelliert, richtet sich von selbst und
Herr Luther erlaubt sich den grausamen Scherz,
mit guten Devisen die Markknrse im Ausland zu
haussieren, während er den Devisenschiebern in

München, 13. Nov. Das Reich Hai dem bähe-
rischen Landwrrlschaftsministerium 33 000 Billionen
in Dollarschatzanweisungen zur Verbilligung von
Brot und Milch für Minderbemittelte und kinder-
reiche Familien überwiesen.
München, 13. Nov. Der Miuisterrat veröffent-
licht eine Erklärung, worin er auf die Schäden hin-
weist, die der Putsch im Falle seines Erfolges gehabt
Hütte. Die vollziehende Gewalt liegt jetzt in den
H.änden des Generals v. Lossow.
München, 13. Nov. Der am Freitag angeb-
lich erschossene Rat im Oberlandesgericht von der
Pfordten ist, wie die Obduktion der Leiche er-
gibt, nicht einem Schuß, sondern einem Schlag-
anfall erlegen.

mählich hatte man aber den Eindruck, daß Kahr die
HKlerschen Plätte durch eine Königsprokla-
mation sabotieren wollte, mindestens aber, daß
er unentschlossen sei. Durch die Kundgebung im
Bürgerbränkeller Wollte man Kahr nun zwingen,
Farbe zu bekennen.
Sn den Vorgängen im BttrgerbrSukeller
bzw. zu der Besprechung von Kahr, Lossow, Hitler
und Seiher mit Ludendorff im Nebenzimmer des
Saales teilt v. Graefe mit, daß die Besprechung un-
ter den Herren ohne jeden gewalttätigen
Swang erfolgt ist. Die Behauptung von vorge-
haltenen Pistolen ist erlogen. Eine Vergewaltigung
dieser Art würde auch schwerlich ein« Stunde in An>
spruch genommen haben.

ten Preise von der Lohnseite abzubauen.
In letzter Zeit ist eine Unzahl von Tarifen auf
Goldmarkbasis abgeschlossen worden. Bet
Men Verhandlungen konme man das Bestreben auf
der Nnurnehmerseire wahrnehmen, die Löhne auf
ungefähr 80 Prozent des Friedensstandes herabzu-
drücken. Man mutz schon annehmen, datz an zen-
traler Stelle eine entsprechende Abmachung ge-
troffen worden ist, wobei Herr Dr. Braun s, der
gegenwärtige Arbettsminister, nicht so ganz unbe-
teiligt zu fein scheinst Dadurch wird der deutsche
Arbeiter, da 80 Prozent des Friedeuslohnes bei
Weitem nicht vier Fünftel des Reallohns vor dem
Kriege ans machen, auf die sprichwörtlich schlecht«
Lebenshaltung des schlesischen We-
bers verwiesen. Wie lauge soll dieser Zustand,
der nicht nur die Arbeiterschaft, sondern auch
die da? u t s ch e Volkswirtschaft schädigt, noch
ertragen werden?

Ludendorff bestätigt die Darstellung
- Gräfes.
Berlin, 13. Nov. Ein Brief Ludsndorsfs an
die deutschnationale Reichslagsfraktion bestätigt die
Darstellung v. Graefes über die Münchener Vor-
gänge.
M ünchen, 13. Nov. Obwohl Ludendorff heute
in der Presse erklärt Halle, daß er sich in Unter -
suchungshafl begebe, ist er im Laufe des Vor-
mittags noch nicht erschie nen. Es scheint
bei einer seiner bekannten Gesten zu bleiben.

Internationale Lage.
Die deutsche Zahlungsfähigkeit.
Paris, 13. Nov. Die ReparationSkom-
misfionhat in ihrer heutigen Sitzung den Antrag
der französischen Delegation, die von der deutsche»
Regierung nachgesuchte Anhörung ihrer Vertreter
sobald wie möglich vorzunchmen, einstimmig
angenommen.
Deutscherseits wurde hierfür der 23. November
vorgeichlagen. Ein zweiter französischer Antrag
ging dahin, sofort ein Sachverständigrnkoanttee zur
Prüfung zu ernennen. Die Entscheidung hierüber
wurde jedoch bis nach der Anhörung der deutschen
Delegierten vertagt.
Berlin, 13. Nov. Einer demnächst zur Ver-
öffentlichung gelangenden Verordnung der Reichs«
regternng zufolge soll die Einlösung der Repara-
tionsgulscheine für England ausgesetzt werden; bzw.
soll die Entschädigung im allgemeinen nicht mehr in
bar erfolgen, sondern in auf Goldmark lautenden
Schatzauweifmigen.
Vor Einstellung der Ruhrgelder.
Berlin, 13. Nov. Wie Stresemann bereits vor
einigen Tagen andeirtete, sieht sich die Reichsregic-
rung vor den schweren Entschluß gestellt, dem besetz-
ten Gebiet mitteilen zu müssen, daß ihre finanzielle
Kraft erschöpft ist und datz nur noch sine nach weni-
gen Tagen bemessene Frist ihr gestattet, wettere
Unterstützungszahlungen in der bisheri-
gen Art zu leisten.
In einer Besprechung der Ministerpräsidoirten der
betetvigten Länder war man, um nicht die neue
Währung dein Schicksal der alten auszusetzen, der
Ausfasfultg, daß mich für das besetzte Gebiet die
entsprechenden Konsequenzen gezogen werden Müs-
sen. In einer denmächstigen öffentlichen Kund-
gebung der Reichsregierung wird vor allem auch die
Frage der Verantwortlichkeit für diese Beschlüsse
klavgestellt.
Dieser neue Entschluß der Negierung Stresemamr,
der wiederum die Verbindungslinie mit der deutsch-
nationalen Taktik zeigt, ist politisch von größter Trag-
weite, denn es besteht kein Zweifel, datz durch die
Einstellung der Subventionen für das besetzte Gebiet
das Schcksal, dem das Rhen- und Ruhrgebiet jetzt
entgegensetzt, außerordentlich ernst und schwer ist.
Mülheim-Ruhr, 13. Nov. Die Verhand-
lungen zivifchen RNHrbergwerk und Micum zeigen
unerfüllbare Bedingungen der Franzosen.
Ludwigshafen, 13. Nov. Oberbürgermeister
Dr. Weiß wurde verhaftet und nach Landau ge-
bracht. Der Grund soll in der Frage des Selbst-
schutzes liegen.

Die Reichsregierung schläft.
München, 13. Nov. Das Verfahren gegen
Ludendorff und Hitler erfolgt vor dem Volksgericht.
Die Standgerichte sind nicht zuständig, da sie erst am
Freitag nachmittag eingesetzt wurden.
Bon den Reichsbehörden wurde bisher kein
Schritt unternommen, die beiden wegen Hochverrats
vor das Reichsgericht in Leipzig zu stellen.

Die Lage im Reich.
Der sozialdemokratische Fraktion^
vorstand zur Lage
Scharfe Kritik an der Reichsregierung.
Berlin, 13. November.
Die Frage der ReichstagSsttzung ist immer noch
nicht geklärt. In seiner heutigen Sitzung vertrat der
sozialdemokratische Frakttonsvorstamd die Auffas-
sung, daß die Reichsregierung nicht das Rocht
habe, das Parlament in den Mr Entscheidung kom-
menden Fragen, die für das Leben der deutschen Na-
tion von entscheidender Bedeutung seien, vor voll-
endete Tatsachen zu stellen. Man verlangte, daß der
Reichstagspräfident Löbe den Nettesten rat
des Reichstags am kommenden Freitag versammle,
damit dort die sozialdemokratischen Mitglieder ihre
,, __ __„ .. Gründe für die nach ihrer Ansicht notwendige Einn
tm letzten halben Jah-re Haltung" mw "RichMna' Vcrufung des Reichstages ausettmndersetzen können,
verloren." -Man will dabei beantragen, datz das Pleilnm
Nattirlich hat selbst Maurenbrecher ein Gefühl des Reichstages heute in acht Tagen zufanr-

«m..
' ' Hann am 8. November nachmittags noch einmal r kämipscr ist tu, Grunde nickt verlegen: An?
wischen Lndeudorff und Kahr stallgefunden. All- ! n u n g habe er b i s hl? r ges ch w i e a e n

Die Deutschvölkischen unter sich.
Hitler ist „gestürzt" — das grosse Ab rücken
seiner Freunde beginnt. Als einer der ersten
meldet sich ein Mann von der bewährten Charakter-
festigkeit Max Maurenbrechers. Er entwirft
in der „Deutschen Zeitung" ein eigentüm-
liches Bild des einst vergötterten Helden. Ursprüng-
lich sei sich Hitler über die Grenzen seiner Bega-
bung klar gewesen.. Aber diese „innere Demut", so
schreibt Maurenbrecher, habe ihn auf der Höhe sei-
ner Erfolge verlassen:
„Wie Unzählige vor ihm uird nach ihm ist
auch er dem Teufel jener Primadonna--
Eitelkeit zum Opfer gefall en, die, in glän-
zender Stellung vom Jubel überfüllter Zuschauer-
räume umrauscht, sich selbst nicht .mehr als
Schauspielerin fühlt, sondern als Spielleiter und
Dichter zugleich. Andere, die sich um ihn dräng,
ten, trugen gleiche Schuld. Sie stachelten seinen
Ehrgeiz. Sie logen ihn für sich und andere zum
Schöpfer und Führer um . . .
Er hatte Stunden voller Verzweiflung. Es
ist vorgekommen, daß er wildfremden Besuchern
gegenüber herausplatzte, er sei ein verbrauch-
ter Mann, seine Bewegung habe sich tot-
gelaufen, der Revolver auf dem Tisch sei
seine letzte Rettung. Andere sahen ihn anders:
im überhitzten Rausch des Triumphators, im
Schwall der großen Worte, im Rausch der Waf-
fen und Paraden.
So hatte auch seine Politische Führung

Die letzten Tage werden durch eine ausfallend
stäke Steigerung der Lebenshalttings- und besou-
d.rs der E r näh run gs ko st en in Gold cka-
r lkterisiert. Als Wirtschaft nud Handel im Hoch-
i >mmer d. I. zur Festmarttechnnng übergingen,
«cutterte man sich im allgemeinen nach den Frie-
»enspreiseu. Erst später wurde auch in der Preis-
tellung die Entdeckung gemacht, datz der Gold-
vert, während wir in Deutschland ausschließlich
ni>t Papiermark rechneten, bedeutend gesunken
var. Der gesunkene Goldwert zeigt sich deutlich in
>en erhöhten G r o ß h and el si n d exz i sf e r n
»es Auslandes.
Im September betrug der Großhandelsindex z.
B. in England nach dein „Economtst" 159,9, in der
Schweiz auf Grund der Aufstellung des bekannten
Statistikers Dr Lorenz 181,1, die Federal Reserve-
Board gibt für Amerika 162 cm und in Holland be-
rechnet das Mati-stifche Zentralamt einen Index von
145. An den Großhandelspreisen gemessen kann
man also die Entwertung des Goldes
aus ungefähr 50 Prozent schätzen. Dieser
Enlwertungsfattor kann aber keineswegs schablonen-
mäßig auf Deutschland übertragen werden, da die
deutsche Preisbildung nur so weit mit der aus dem
Weltmarkt parallel läuft, als ein Warenbezug aus
dem Ausland tatsächlich 'stattfindet. Von einer
uit dem Ausland völlig ausgeglichenen Wirtschaft
kann aber in Deutschland gar keine Rede fein. Des-
halb ist die Steigerung der Goldmarkpreise einfach
ein Skandal. Durch sie hat sich, wie die Indu-
strie und Haudels-Zeittmg" errechnet, in der Vor-
woche das GoldNive-onr des LebenKhaltungsindex von
76,2 auf 104,6 Prozent und das Golduivean des
Srnährungsindex von 93,5 auf 152,6 Prozent ge-
steigert. In Papiermark berechnet, haben sich die
Lebenshaltungskosten glatt verfüns
f a ck t.
Die in Dollar nmgerechneten Preissummeu sind
bedeutend höher als im Frieden und liegen sogar,
da das Niveau der Ernährungskosteu in Amerika
im September nur 146 Prozent des Friedeusnivoaus
auZmachte, Wett über dem amerikainschon-, d. h. dein
was; geb end en WÄtmarktstand. Der Kaufkraft -
v c r l u st des Dollars ist also in Deutschland durch
die letzte Ppeissteiscrun« in Gold durchaus ausge-
attchön und niichl unwesentlich überschritten
wordem
Dabei ist zu berücksichtigen, daß wir, wie schon
oben bemerkt wurde, keine mit dem Weltmarkt aus-
geMckeue Wirtschaft staben, die eine Anwendung des
r: > - .twertungssickiors auf Deutschland, wie der
»«uoel sic tatsächlich vorgcuommen hat, rechtfertigen
könnte. In deutschen Goldpreisen steckt auf jeden
Fast eine gute Portion Inflaiions ge wohn-
b e rt in Form von U e b e r fo r d e r u n g e n, über-
mäßigen Nistkozuschlägen, unangemessenen Prosit-
raten nsw. Das gute alte Prinzip: großer Um-
schlag u.nd wenig Nutzen ist heut« abgelöst
worden durch eine höchst laxe Auffassung. Mau ver-
kauft wenig Ware und kalkuliert den grösstmöglichsten
Nutzen. Die Entwicklung mutz bald auch die Ueber-
reste der alten soliden Wirtschaft und des reellen
Handels in Deutschland völlig vernichten. Die um
erhört hohe Prost!rate, verbunden mit den vielen
und mühelosen Verdienstmöglichkeiten für Handel
und Wandel sind ferner geeignet, die ga nze Wirt-
schaft zu verlumpen und zu zerstören. Wenn
die Verhältnisse weiter treiben wie bisher, wird die
Wirtschaft sehr bald erkemren müssen, daß nicht der
diel verschrieene Marxismus, sondern die von ihr
Bisgenutzte und mit allen Mitteln geförderte Jn-
stailon den Garaus vollenden.
Die kurz skizzierte gefahrvolle Preissteigerung er-
wnbt sich aber ausgerechnet ein Volk, dessen Kauf-
kraft und Export saft restlos zu Ende
iß. Nur ein Beispiel für die Wirkung der über-
setzten Preise: Deutschland bezieht augenblicklich
'wch immer pro Monat eine Million Tonnen eng-
lischer Kohle. Der Import, der äußerst schwer
"ns dem Wechselkurs der deutschen Mark lastet, ist
nur nur ein Fünftel zurückgegangen. Der Grund
i'ir die außergewöhnlich starke Einfuhr ist erst in
iibeiter Linie di- Qualität und Eignung der eng-
lischen Kohle. Wie praktische Wirtschaftler bes!äst-
ist dje Billigkeit das Hauptanreizmittel für den
Import. Kann es also Wunder nehmen, wenn die
Arbeitslosigkeit 1,« Deutschland wächst? Wir
, °>len von dein Ruhrgebiet absebcn, wo über
? st Millionen Erwerbslose unterstützt werden müs-
ste, weil dort die Verhältnisse an und für sieb
-Urinal sind. Deutlicher spiegelt sich die Wirt-
yaftskrise im unbesetzten Gebiete wieder,
'e Zahl der Arbeitslosen wurde schon vor Tagen
Fr , 800 000 geschätzt, deren Versorgung Mein an
schüssen täglich Tausende von Billionen
ers^l"ark kostet. Die für den laufenden Monat
si^s„ rlsthe Summe wird mit über 100 Goldwil-
°"iien angesehen.
ar,»'/. der arbeitslosen Gewerk-
w.,. 1 »Weder gibt ein annähernd rich
d der unheilvollen Situation. Es sind
«ei » im Deutschen Mctallarbeiterverband 10 5
Heist/" virsch-Dttnckersckeu Metallarbeitern 2,9, -en .>
t«'cke,i Fabrik- und Transportarbeftern ebenfalls

* Heidelberg, 14. November.
Wenn auch die Meldungen einzelner Blätter über
eine Rückkehr des deutschen Kaisers sich als unrichtig
Herausstellen, so genügen die Vorgänge der letzten
Zeit vollständig, nm Deutschland einem Tollhaus
ähneln zu lassen. Die Rückkehr des deutschen Kron-
prinzen nimmt der Regierung Stresemann, die hier-
an schuldig, jeden Glauben an die Ernsthaftigkeit
ihres Willens, die deutsche Republik retten zu Wollen.
Aber auch Vie anderen Vorgänge in der deutschen
Politik zwingen zu Zweifeln an der ernsthaften Ge-
stmnng der deutschen StaaMeitung. Immer mehr
zeigt sich, daß hinter der Reichsregierung die Fuchtel
des Heren Hclsscrick steht. Die Meldung, daß nun-
mehr die Subventionen sür die Ruhr eingestellt wer-
den sollen, zeigt, daß man immer mehr deutsch-natio-
naler Va-banguc Poliük zuneigt.
Vor allem aber bekundet die Passivität der Roichs-
vegierung gegenüber den Vorgängen in Bayern,
daß die Spitze des deutschen Reiches aufgehört hat,
Herr der Situation zu sein. So nehmen denn die
bayerischen Wirren Wetter ihren Verkauf, wobei di«
Entwicklung des Putsch-Komplottes immer deut-
licher wird. . Es zeigt sich, daß die deutschvölkifchen
Kreise in Berlin bereits vor dem Losschlagen von
den Münchener Putschplänen nnierrichiet waren,
ebenso wie bekannt wird, datz die Behauptungen der
Kahr Lossow, ihr Verhalten sei durch Pistolenbedro-
hung erzwungen worden, sich als ein plumper
Schwindel enthüllt. Zu alledem sagt jedoch di«
Reichsregierung nichts. Und statt Lndendorff und
Kahr, Hitler und Lossow vor ein Staatsgericht zu
stellen, tüßt sie die naii-onalakttven Kreise ruhig Wet-
ter konspirieren.
Mit Recht hat der sozialdemokratische
F r a k t t o n s v o r st an d in seiner gestrigen Sitzung
schärfst« Kritik an der Reichsregierung geübt; ebenso
wie man auch in demokratischen Kreisen die Tage
der Regierung Stvesemcmn für gezählt hält. Wer-
den sich jedoch die republikanischen Parteien noch
dazu aufrafsen, durch Bildung einer entschiede-
nen Linksregierung Republik und Reich zu
retten, bevor es zu spät ist? Die Lage der arbeiten-
den Massen wird immer unerträglicher, die innen-
nnd außenpolitische Situation verlangt schnellste Ent-
spannung Rasches Handeln müßte daher das
bot der Stunde fein.
Die Vorgänge in München.
München, 13. Nov. Die Händel zwfchen
Richtung Kahr und der Richtung Hitler gehen Welter.
Bei den Demonstrationen'der Stndenleuschaft und
der Nationalsozialisten macht sich bereits ein anii-
katholtschrr Zug geltend. Bereits fallen Ausdrücke
wie: „Faulhaber-Knechte!", „Römlinge!", „Nieder
mit Faulhaber, dem Judensreund!" Benediktiner
und katholische Studentenverbindungen werden be-
schimpft.
Feststellungen über das Komplott.
Berlin, 13. Nov. Ausführungen des deutsch-
völkischen Reichstagsabg. v. Graefe im deutsch-
völkischen „Deutscherr Tageblatt" zeigen, daß Herr
v. Graefe bereits zuvor über die Putfchpläne unter-
richtet war. Herr v. Graefe, der als Augenzeuge in
München weilte, erhielt von Ludendorff eine Dar-'
stellnng, der zufolge Lossow und Kahr in Besprechun-
gen mit Ludendorff und Hitler im Ziel der Frei-
heitsbewegung restlos tt b e r e i nsti mMt e n, wo-
bei sie nötigenfalls gegen Berlin marschieren wollten
um die „nationale Reichsregierung" durchzusetzen
Nur wollte Kabr sich den Termin Vorbehalten
usterdem wünschte Kahr auch Beteiligung von Po ! dEir, daß solche Anklagen Post festum aus deutsch, mentrete
-Der soztatdenwkratische Fraktlousvoritand hat sich
Aber der einstige Hohenzollernbe. neben der Frage der Einberufung des Reichstages
? „Scho-- nuck mit den p o litt schs n Pv rbl.- -.cn be-
fchäfttul. dir gegenwärtig zur Diskussion stehE Dai-
 
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