Bezugspreis einschl.Trägerlohn für
Wochev.L2.-L7. Okt. Ml.SÜVVÜ0M0.
Anzeigentarif: Die cinfp. Petitzeile
°d der. Raum Mmm br.) Mk.W.—,
f. Auswärtige Mk. 8V, Rellame-
anzeigen (74 mm breit) Ml. 2LÜ —.
Erundpreis mal der Schlüsselzahl d.
V. d.Z., z. Zt. IS0M»»0 M. Bei Wie-
derholungen Nachlaß nach Tarif.
SeschSstsstunden 8—SUHr. Sprech»
stunden dcr Redaktion: II—ISllhr.
PostscheSkontoKarlrruheNr.M77,
Tel.-Adr.: DolkszeitungHrideldcrg.
Druck u. Berlag derllnterbadisqe»
Bcrlagsanstalt lS. m. b. H.. Heidel-
berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.SI.
Tel.: Expedition LS7Z u. Rcdak.LVS.
Mes-zel« lilr «e mcki«e SnMmg »er «Mrlezlttt Stldtlkni, ME SMew. WWn, Nerla», Mo,M, MA», MAAW. Arberg. imberMMew«. Neribel»
5. Jahrgang
Heidelberg, Freilag, den 26. Oktober 1923
WW»MWsMWVWWSWWWWSMWW»>oWWMWMMWWWSSWW«WM»«WS
Nr. 249
Die Patrioten.
« Heidelberg, 26. Oktober.
Welches Urteil wird einst der Geschichtsschreiber
Wer die deutschen Großlapttalfften fällen?
Sie haben den Krieg verlöre n, Elend und
Deumtigung Wer das Volk heransbeschworcn und
sich dabei bereichert.
Sie h ab en d e n F r i e d e n ver I or> e n und sich
dabet wieder bereichert.
Sie sabotierten eine ehrliche Ersüllungs-
Politik. Diese hätte die Stabilisierung der Wäh-
rung zur Voraussetzung gehabt, die Ausschaltung
des Slmrtsdesizits durch hohe Steuern und Sach-
wcrtersassung. Dazu haben sich die Patrioten nicht
heiMgeben. Es Wan- ihnen lieber, die enormen
Profite aus der Inflation zu genießen,
während sie ihre fremden Valuten im Ausland
stehen ließen.
Zn S « chlreferungen warm sie nur bereit,
als dies ihnen große Gewinne zuschanzte. — Stinnes
gab sich zur Lieferung der' Reparationskohle
nur her, als die Franzosen ihm dafür ungeheure
Provisionen zahlten.
Der Verständigung mit der franzö-
sisch e n I n d u st r i e, solange diese mit friedlichen
Mitteln zu erreichen war, wichen sie aus. Eine
französische Beteiligung, die eine befriedigende Lö-
sung der Reparationsfrage bedeutet hätte, hätte ihren
Besitzstand geschmälert.
Die Ruhrbesetzung war ein offener Rechtsbruch,
verbunden nut einer grausamen Beleidigung der
Menschenrechte, ein unentschuldbarer Gewaltakt des
französischen Militarismus: die Voraussetzun-
gen der Ruhrbesetzung haben jedoch die deut-
schen Industriellen geschaffen.
Die Zeit der Ruhrbesetzung haben sie wiederum
als Anlaß zu einer enormen neuerlichen Be-
reicherung verwendet. Alle, die zu Ver-
handlungen drängten und die Großkapitalisten an
die skrupellose Ausbeutung ihrer „Konjunktur" en
innerten, waren Vaterlandsverröter. Als der Kampf
bereits offensichtlich verloren war, Hatton sie noch
seine Aufgabe verhindert.
Eine in Wem Dienst stehende Regierung hat
diesem Spiel willig Folge geleistet und sie mit immer
neuen Geldströmen versorgt.
Der RuhrkiMchs ist zu Ende, und diese selben
Leute stehen jetzt! ohne Schuld- und Schamgefühl da,
sie haben Macht und Geld und stellen Forderun-
gen. Sie haben vielfach Unterstützung einer durch
ihre mächtige Presse irregeleiteten Masse und von
zum großen TeA mit ihrem Golde bewaffneten
Faszisteugardsn. Und wenn diese Unterstützung nicht
ausreicht, so tollen die französischen Gene-
räle helfen, ihre Pläne gegen das arbeitende Volk
durchzufiihren. Die „Patrioten" verhandeln auf
eigene Faust mit „dem Feinde" — gegen ihr Volk.
Dem Sieger müssen sie jetzt, dies wurde unvermeid-
lich, Konzessionen machen — und diese sollen nun
durch die Steigerung ihrer Macht über die deutsche
Arbeiterschaft wettgema-cht werden.
Arb eits z ei tv e r l ä n g er un g — heißt die
eiste Forderung. Sämtliche Hebel haben sie dafür
in Bewegung gesetzt: den Versuch eines „trockenen"
Rechtspntsches, — dos eigenmächtigen Vorgehens,
do» offenen Durchbrechung der Akbeitsgesetze, der
Zuflüsterungen auf französische Generäle.
. Und wofür dies? Die deutsche Wirtschaft be-
findet sich in der schwersten Krise. Die Ver-
längerung der Arbeitszeit würde noch mehr Ar-
b ei ts lo s i gke tt und Kurzarbeit bedeuten,
obwohl deren Ausmaß erschreckend zunimmt. Sollen
aber die noch beschäftigten Arbeiter infolge
der Arbeitszeitverlängerung (bei freilich gleichblei-
benden Löhnen) billige Kuli arbeit leisten.
Mit deutschen Waren die ausländischen Märkte über-
schwemmen, dann würde zu der Steigerung der Ar-
beitslosigkeit in Deutschland die vermehrte Arbeits-
losigkeit in England, Holland, der Schweiz hinzu-
kommen. Neues Elend für die Gewinne der Stinnes-
leute.
Zwei Millionen deutsche Arbeits-
lose — ihre Unterstützung, die sie nur vom Hun-
gertod rotten soll, würde dem Staat 500 Millionen
Goldmark im Jahre kosten (der ganze Goldschatz des
Reiches ist nicht so groß! Die jährliche Reparations-
leistung kann höchstens eine Milliarde Go'.dmark be-
tragen!). Woher soll der Staat das Geld nehmen ?
Denn die deutschen Kapitalisten wollen nicht einmal
die bisher beschlossenen Steuern zahlen. Unter ihren
Forderungen stehen Abschaffung der Kohlen-
steuer (die ergiebigste Steuer, die noch für die
Staatsbedürfnisse vorhanden ist), der Exportabgaben
und anderer Steuern. Bayern sabotiert die Steu-
ern, und die Kapitalisten im Rheinland folgen ihm.
Sie fordern eine neue Währung. Sie wis-
sen, was heute ein jedes Schulkind weiß, daß eine
Währung nur stabil bleiben kann, wenn die Staats-
e innah men die Ausgaben zu decken vermögen. Sie
verweigern aber di- Mittel, die notwendig sind, um
«en Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Die
su schassende Neu-Mark, die freilich nicht beständig
meiden kann, gibt ihnen im übrigen Aussicht, neue
^nfiationsgewinne einzuheimsen. Von den
u h r k r e d i t c n, die sie vom Reich erhielten und
ihre Quelle zur Bereicherung wurden, r-dcn sie
Sollten diele tu rührigem Goldwert um
FraukrcnP abgerrmen werden, so wäre
die Reparationsfrage zum guten Teil
gelö st.
Die Schilderungen der Geschichtsschreiber übe«
die letzten Tage Roms enthüllen den hem-
mungs- und grenzenlosen Egoismus der herrschen-
den Klasse des damaligen Roms. Wie wird das
Urteil der Geschichtsschreiber über die deutschen Ka-
pitalisten aussallen?
Internationale Lage.
„Durch keinerlei diplomatischen
Rücksichten gemildert".
Hagen, 25. Okt. Im Kreishauss zu Hagen
sand heute eine Besprechung über die Lage im besetz-
ten Gebiet statt, an der der Reichskanzler mit den
Ministern für die besetzten Gebiete und des Innern,
der preußische Ministerpräsident und Vertreter der
politischen Parteien und Wirtschaftskretse aus ver-
schiedenen Teilen des besetzten Gebiets teilnahmen.
Hierbei hielt Stresemann eine Rede, in der er,
wie dis „Franks. Asitg." schreibt, zum ersten Male
seit der Uebemahme der Regierung der tiefen Er-
bitterung des deutschen Volkes über die französische
Politik einen durch keinerlei diplomatischen Rücksich-
ten gemilderten Ausdruck gab. Es muß einmal, so
erklärte Stresemann, die Zeit vorüber sein, in der
man glaubt, daß man mit uns auf dem Wegeder
Diktate weitersprochen könne. Wir mögen zu
schwach sein, um uns zu wehren, man kann uns ver-
gewaltigen und uns Land und Eigentum rauben,
aber man kann uns nicht zwingen, unsere Un-
terschrift uwtov einen solchen Raub zu setzen. Der
Reichskanzler legte dar, daß die Regierung das
Letzte getan habe, nm die Wirtschaft des be-
setzten Gebietes wieder in Gang zu setzen. Wir
k ö n n e n n i ch t z a h l e n, so rief der Reichskanzler
aus, und wir werden nicht zahlen, solange
die Ruhrbesetzung anhält.
Reichsimwnministcr Sol > inann betonte, daß
kein anständiger deutscher Mann mit dem separatisti-
sche» Gesindel, das jetzt im Rheinland« Unruhen
stifte, etwas gemein habe. Man dürfe in der gegen-
wärtigen Lage nicht zu viel von oben her erwarten,
sondern es müsse jeder selbst mithelfen, so
gut es gehe.
*
Siresn: mann scheint wieder einmal das Be-
dürfnis gehabt zu haben, seiner Partei zu zeigen,
daß er immer noch in den „nationalen Bahnen" der
Deutschen Volkspartei wandelt. Ob jedoch Deutsch-
land damit gedient ist, wenn der verantwortliche
Staatsmann des deutschen Volkes Reden hält, die
„durch keinerlei d'vlmuattsche Rücksichten gemildert
sind". Anscheine - ngt man jetzt in der Reichs-
regierung die R c w der Deutschnatio-
na len, die BovöUcruug des Ruhrgebietes tote
überhaupt das deutsche Volk sich selbst zu überlassen
und niemand an voran'.wörtlicher Stelle ist dar
der Einhalt gebietet. Wie lange soll dies noch
so weiter geh en?
Die englischen Bemühungen um
eine Konferenz.
London, 25 Okt. Es bestätigt sich, daß das
englische Bemühen um die Herbeiführung
eins« Konferenz sich keineswegs mit lieber eifer
und Erfolg durchsetzt. Der diplomatische Korrespon-
dent der „Daily Telegraph" stellt fest, daß di« eng-
lische Regierung nochmals den Alliierten die Ein-
berufung einer Sachverständigen-Kommisston mit
amerikanischem Vorsitz vorschlug, nachdem der Ruhr-
kampf beendigt sei, daß jedoch Poincavö bisher
nicht annahm und die Verhandlung deshalb
keinen günstigen Verlauf nehme. Bezüglich einer um-
fass enden Konferenz der Regierungen seien nicht ein-
mal die Verhandlungen begonnen. Lediglich eine
Konferenz der alliierten Ministerpräsidenten sei von
Belgien angeregt. Der Korrespondent meint, daß
Poincare für keine dieser Konferenzen bereit sei,
mindestens bevor er mit England einig geworden
sei.
London, 25. Okt. Der englische Bankier und
frühere Schatzkanzler Mc Kenna erklärte in einer
Rede in der Handelskammer von Belfast, England
werde niemals mit Gleichgültigkeit eins erzwungene
Verarmung großer Nationen und die Zerstörung
ihres industriellen Lebens ansehen.
Verzweisiungsstimmung im
Ruhrgebiet.
Stillegung der Zechen.
Bochum, 25. Okt. (Etg. Bericht.) Fm Ruhr-
gebiet jagt eine Hiobspost die andere. Nachdem
dieMontaindustrte restlos still gelegt ist, erfolgt
jetzt Vic Entlassung der Bergarbeiter, so daß das
Heer der Arbeitslosen ins Zahllose wächst.
Von Montag ab ruhen alle Zechen, ausgenommen
die, die durch Vertrag gezwungen sind, Kohle nach
Italien und Holland zu liefern.
Die Zechen haben bereits erklärt, daß sie keine
Löhne zahlen können, weil keine Zahlungsmit-
tel vorhanden seien. Aus einigen Zechen wurde am
Dienstag kein Abschlag gezahlt; die „Har-
pener Bergbau-A.-G." zahlte nur ein Drittel des
Abschlages. Die Erbitterung der Bergarbei-
ter ist ungöhouer. Die Franzosen greisen uun-
mehr in die Lebensmittelversorgung ein.
In Langendreer fand am Mittwoch eine Besprechung
von Mitgliedern der Gewerkschaften mit dem Orts-
kommandanten statt. Dieser erklärte sich bereit, in
jeder Weise seine Unterstützung zur Behebung der
augenblicklichen Schwierigkeiten zu leihen. Die Be-
fatzungsbehövde sei bereit, den Gemeindeeingesesse-
nen Lebensmittel gegen Bezahlung zur
Verfügung zu stellen.
Der Separatistenputsch.
Bonn, 25. Okt. In Bonn wurde nach hefti-
gen Kämpfen heute vormittag das Rathaus z u-
rückerobert, es befindet sich wieder in dem Be-
'sttz der städtischen Verwaltung. Eine Anzahl schwer-
verwundeter Separatisten wurde ins Rathaus ge-
schasst. Die separatistische Flagge wurde herunter-
geholt. Das Rathaus ist jetzt von französischen
Truppen abgesperrt.
Auch Godesberg ist wieder frei, alle öffent-
lichen Gebäude befinden sich dort wieder in deutschen
Händen.
Aachen, 25. Okt. Bei dem Versuch der Schutz-
polizei, die Regierungsgebäude zurückzuerobern,
nahmen die Belgier für die Sonderbündler Partei.
Berlin, 25. Okt. Der französische Oberkom-
mtfsar erkennt überall, wo die separatistische Bewe-
gung erfolgreich war, deren Herrschaft an.
Berlin, 25. Okt. Die Reichsregicning hat
ihren Geschäftsträger in Paris, der bereits wegen
der Vorgänge in Düsseldorf, Bonn und anderen
Städten bei der fra,höfischen Regierung wiederholt
vorstellig wurde, beauftragt, gegen das Vorgehen des
Generals de Metz in vcr Pfalz Protest zu
erheben.
Zerfall des Reiches?
o Berlin, 25. Oktober.
Die Passivität der Reichsregterung
gegenüber Bayern rächt sich jetzt bitter durch die
Selbsthilfe nuseres Volkes. Der Wille zur
Reichseinheit lebt im Herzen unserer Bevölkerung
bei allen Enttäuschungen der Nachkriegsjahre immer
noch. Nur von diesem Gesichtspunkte aus ist die
Aktion der Pfälzer Sozialdemokratie
gegen Bayern zu erklären. Ihr Sinn kann
nur sein, die ReichSriegierung zu dem Schritt zu
zwingen, den sie bisher unterlassen hat, den
Schritt zur wirtschaftlichen Auseinan-
dersetzung mit Bayern. Nichts anderes bedeutet
auch die von einzelnen bayerischen Truppenteilen
vollzogene Ablehnung d e v Verpflichtung
auf die bayerische Regierung. Diese Haltung ist ge-
radezu eine Aufforderung an das Reich: Holst uns
— wir halten Euch di« Treue!
Die Fortsetzung der bisher vou Herrn Sire-
s ein ann und einem Teil seiner bürgerlichen
Mini st e r geübten Passivität muß außerdem
unweigerlich zur Verwirklichung der im Rheinland
vorherrschenden separatistischen Bestre-
bungen führen, die erst in diesen Tagen unter
blutigen Opfern durch deutsche Staatsangehörige
unmöglich gemacht wurden.
Richt die Erhaltung Bayerns beim Reich, son-
dern die Sicherung des übrigen Reichs-
bestandes, die Verhinderung eines Zerfalls macht
unter diesen Umständen ohne Wirtschafts-
blockade gegen Kahr und Lossow notwendig. Die
Aktion soll keinen Krieg des Reiches gegen
das bayerische Volk bedeuten, sondern mutz
gedacht sein als Maßnahme, deren Wirkung sich
durch die bayerische Bevölkerung gegen die Urheber
der jetzigen Zustände in Bayern richtet. Die augen-
blickliche Lebensmittelversorgung Bay-
erns, die kaum für zwei Tage ausreicht, spricht
dafür, daß die Unterbindung der Lebensmittelzufuhr,
die Aussetzung der Kohlentransporte und
Verweigerung von Reichsgeldern schnell einen
Erfolg auslöst. Dieser Erfolg des Reiches über
Herrn Kahr ünd einen meuternden General kommt
in der Wirkung eimsr Stärkung der Staats-
autorität gleich, ohne die das Schicksal des
deutschen Reiches besiegelt ist.
Die Meh r z a h l d er M i n i st er p r 8 s t d e n -
t en der Länder, die am Mittwoch in Berlin weilten
und mit dein Reichskanzler eingehende Besprechun-
gen über die notwendigen innen- nnd außenpoliti-
schen Maßnahmen führten, ist bereit, dem Reich
in der Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zu-
stände vollste Unterstützung zu leihen. AVer
auch sie werden schließlich zuSonderakttonen
getrieben, wenn die Neichsregierung, deren
Ausgabe die Sicherung der Reichseinheit Ist, ihr
Anerbieten zur Kenntnis nimmt und auf dem bis-
herigen Wegs fortfährt.
Beharren die bürgerlichen Minister
weiterhin gegen ihr« Parteien und die Sozialdemo-
kratie auf dem bisherigen Pfad, dann gehören sie
htnweggefegt! Der Reichsregicrung gegen das
Reich mutz dann ein K a b i nc t t z u r S i ch e r u n g>
der Reichseinheit und der Wahrung der Jn-
teresfen des Volkes durch das Reich folgen.
Die Lage im Reich.
Phantastische Zahlen.
Berlin, 25. Okt. Die schwebende Schuld des
Reiches belief sich nach dem lebten veröfseiitltchtcck
Ausweis am 10. Oktober auf 891 422 Billionen
Mark. Nach Mitteilungen, die heute von unterrich-
teter Seite gemacht wurden, war dieser Betrag am
15. Oktober auf 170 581 Billionen Mark gestiegcst
und hat am 22. Oktober die Summe von 408 000
Billionen Papicrmark erreicht.
Meinungsverschiedenheiten bei den
bayerischen Truppen.
Berlin, 25. Okt. Wie der „Soziatdemokr.
Parlamentsdienst" erfährt, hat ein Teil der bayeri-
schen Truppen in München und anderen Stand-
orten die'V e r psl ich t u n g für die bayrische Re-
gierung ab gelehnt. Dieses Verhütten erfolgt«
mit der Begründung, daß der Eid auf die RctchA-
vcrfafsung geleistet sei und nach wie vor die Ver-
pflichtung besteht, an diesem Treuschwur festznhal-
ten. Dem Retchswehrmtmjer und dem Chef dck
Heeresleitung sind aus Bayern, insbesondere von
Reichswehroffizieren; zahlreiche Treukundge-
bungen zugegangen.
Die Reichswehrkommandeure für
Seeckt.
Berlin, 15. Okt. Der Oberbefehlshaber des
Gruppenkommandos 1, General der Artillerie voll
Berendt, hat dem Chef der Heeresleitung, Ge-
neral von Seeckt, nachfolgende Erklärung abgegeben:
„Im Namen der Kommandeure der 1. und 6. Divi-
sion nnd der 1. bis 3. Kavallerie-Division fühle ich
mich verpflichtet, angesichts der die Einheit unseres
Vaterlandes schwer bedrohende Lage deren Chef de«
Heeresleitung unseres unbeschränkte» Vertrauens
und unverbrüchlichen Gehorsams zu versichern.
General von Berendt ist nach General von Seeckt
Dienstältester der Reichswehr. Seine Gchor-
samserklärung ist namens der Kommandeure s ä m t-
licher Divisionen mit Ausnahme der
bayerischen — das Retchsheer hat sieben Divisionen;
nnd die bayerische ist die siebente — abgegeben wor-
dew was die Bedeutung dieser Erklärung unter-
streicht.
Die Pfalzfrage.
Berlin, 25. Okt. Reichsiinnenmtnister Soll-
mann gab zu den Vorgängen in der Pfalz folgende
Erklärung ab: Don Versuch einiger meiner Par-
teigenossen in der Pfalz, eine selbständige Re-
publik gegen Bayern im Rahmen des Reiches zu er-
richten, lehne ich als Reichsminister und als Sozial-
demokrat init aller Entschiedenheit ab.
Berlin, 25. Okt. Abg. Gen. Hermann
Müller hat iml Namen des sozialdemokratischen
Parteivorstandes an die pfälzische Organisation der
Sozialdemokratie folgendes Telegramm gerichtet:
„Ersuchen dringend in Pfalzfrage Einverständnis
mit Koalitionsparteien herzustellen. Jegliche Maß-
nahme, die auch nur indirekt französische Nheinbund-
pläue unterstützt, ist unbedingt zu unterlassen."
Ludwigshafen, 25. Okt. Der französische
General gibt jetzt zu, daß er die Absicht der Sozial-
demokratie, die Pfalz von Bayern zwar losznlösen,
sie jedoch dem Reiche zu erhalten, falsch gedeutet
habe.
In einer Besprechung der politischen Parteien mit
General de Metz wurde die Frage der Selb-
ständig m a ch u n g der Pfalz berührt, über
die, wie berichtet, dem Kreistag am Vormittag von
der Besetzungsbehörde eine Frist zur Entscheidung
bis Freitag nachmittag 4 Uhr bewilligt worden war.
General deMetz erklärte nun in dieser Besprechung
mit den Wirtschaftsvertretern, der Sinn der Dar-
legung des Majors Louis sei durch ein bedauer-
liches Versehen des UvbcrsctzerS entstellt worden. Der
General stellte fest, daß die Erklärung des Majors
nicht identisch sei nM der Willensäußerung de«
sozialdemokratischen Unterhändler, die ausdrücklich
verlangt hätten, die Pfalz solle im Falle ihrer Ver-
selbständigung im Verbände des Deutschen Reiches
verbleiben. Hierzu führte der sozialdeinokrasische
Reichstagsabgeordnete für Kaiserslautern, der frü-
here bayerische Ministerpräsident Hofsmann, aus,
die Sozialdemokraten würden niemals für die Au-
tonomie der Pfalz zu haben sein, wenn diese nicht
als zum Deutschen Reich gehörig betrachtet Werde.
Der weiße Schrecken in Sachfen.
Dresden, 24. Okt. (Eig. Ber.) Aus den vsr-
ichiedenstcn Teilen des Landes lausen Meldungen
ein, nach denen die Reichswehr bei der Beset-
zung Sachsens in einer Weise vorgcht, die geeignet
ist, die Arbeiterschaft und die republikanische Bevöl-
kerung überhaupt in die größte Erregung zu
versetzen. Das allgemeine Urteil in diesen Kreisen
Wochev.L2.-L7. Okt. Ml.SÜVVÜ0M0.
Anzeigentarif: Die cinfp. Petitzeile
°d der. Raum Mmm br.) Mk.W.—,
f. Auswärtige Mk. 8V, Rellame-
anzeigen (74 mm breit) Ml. 2LÜ —.
Erundpreis mal der Schlüsselzahl d.
V. d.Z., z. Zt. IS0M»»0 M. Bei Wie-
derholungen Nachlaß nach Tarif.
SeschSstsstunden 8—SUHr. Sprech»
stunden dcr Redaktion: II—ISllhr.
PostscheSkontoKarlrruheNr.M77,
Tel.-Adr.: DolkszeitungHrideldcrg.
Druck u. Berlag derllnterbadisqe»
Bcrlagsanstalt lS. m. b. H.. Heidel-
berg. Geschäftsstelle: Schröderstr.SI.
Tel.: Expedition LS7Z u. Rcdak.LVS.
Mes-zel« lilr «e mcki«e SnMmg »er «Mrlezlttt Stldtlkni, ME SMew. WWn, Nerla», Mo,M, MA», MAAW. Arberg. imberMMew«. Neribel»
5. Jahrgang
Heidelberg, Freilag, den 26. Oktober 1923
WW»MWsMWVWWSWWWWSMWW»>oWWMWMMWWWSSWW«WM»«WS
Nr. 249
Die Patrioten.
« Heidelberg, 26. Oktober.
Welches Urteil wird einst der Geschichtsschreiber
Wer die deutschen Großlapttalfften fällen?
Sie haben den Krieg verlöre n, Elend und
Deumtigung Wer das Volk heransbeschworcn und
sich dabei bereichert.
Sie h ab en d e n F r i e d e n ver I or> e n und sich
dabet wieder bereichert.
Sie sabotierten eine ehrliche Ersüllungs-
Politik. Diese hätte die Stabilisierung der Wäh-
rung zur Voraussetzung gehabt, die Ausschaltung
des Slmrtsdesizits durch hohe Steuern und Sach-
wcrtersassung. Dazu haben sich die Patrioten nicht
heiMgeben. Es Wan- ihnen lieber, die enormen
Profite aus der Inflation zu genießen,
während sie ihre fremden Valuten im Ausland
stehen ließen.
Zn S « chlreferungen warm sie nur bereit,
als dies ihnen große Gewinne zuschanzte. — Stinnes
gab sich zur Lieferung der' Reparationskohle
nur her, als die Franzosen ihm dafür ungeheure
Provisionen zahlten.
Der Verständigung mit der franzö-
sisch e n I n d u st r i e, solange diese mit friedlichen
Mitteln zu erreichen war, wichen sie aus. Eine
französische Beteiligung, die eine befriedigende Lö-
sung der Reparationsfrage bedeutet hätte, hätte ihren
Besitzstand geschmälert.
Die Ruhrbesetzung war ein offener Rechtsbruch,
verbunden nut einer grausamen Beleidigung der
Menschenrechte, ein unentschuldbarer Gewaltakt des
französischen Militarismus: die Voraussetzun-
gen der Ruhrbesetzung haben jedoch die deut-
schen Industriellen geschaffen.
Die Zeit der Ruhrbesetzung haben sie wiederum
als Anlaß zu einer enormen neuerlichen Be-
reicherung verwendet. Alle, die zu Ver-
handlungen drängten und die Großkapitalisten an
die skrupellose Ausbeutung ihrer „Konjunktur" en
innerten, waren Vaterlandsverröter. Als der Kampf
bereits offensichtlich verloren war, Hatton sie noch
seine Aufgabe verhindert.
Eine in Wem Dienst stehende Regierung hat
diesem Spiel willig Folge geleistet und sie mit immer
neuen Geldströmen versorgt.
Der RuhrkiMchs ist zu Ende, und diese selben
Leute stehen jetzt! ohne Schuld- und Schamgefühl da,
sie haben Macht und Geld und stellen Forderun-
gen. Sie haben vielfach Unterstützung einer durch
ihre mächtige Presse irregeleiteten Masse und von
zum großen TeA mit ihrem Golde bewaffneten
Faszisteugardsn. Und wenn diese Unterstützung nicht
ausreicht, so tollen die französischen Gene-
räle helfen, ihre Pläne gegen das arbeitende Volk
durchzufiihren. Die „Patrioten" verhandeln auf
eigene Faust mit „dem Feinde" — gegen ihr Volk.
Dem Sieger müssen sie jetzt, dies wurde unvermeid-
lich, Konzessionen machen — und diese sollen nun
durch die Steigerung ihrer Macht über die deutsche
Arbeiterschaft wettgema-cht werden.
Arb eits z ei tv e r l ä n g er un g — heißt die
eiste Forderung. Sämtliche Hebel haben sie dafür
in Bewegung gesetzt: den Versuch eines „trockenen"
Rechtspntsches, — dos eigenmächtigen Vorgehens,
do» offenen Durchbrechung der Akbeitsgesetze, der
Zuflüsterungen auf französische Generäle.
. Und wofür dies? Die deutsche Wirtschaft be-
findet sich in der schwersten Krise. Die Ver-
längerung der Arbeitszeit würde noch mehr Ar-
b ei ts lo s i gke tt und Kurzarbeit bedeuten,
obwohl deren Ausmaß erschreckend zunimmt. Sollen
aber die noch beschäftigten Arbeiter infolge
der Arbeitszeitverlängerung (bei freilich gleichblei-
benden Löhnen) billige Kuli arbeit leisten.
Mit deutschen Waren die ausländischen Märkte über-
schwemmen, dann würde zu der Steigerung der Ar-
beitslosigkeit in Deutschland die vermehrte Arbeits-
losigkeit in England, Holland, der Schweiz hinzu-
kommen. Neues Elend für die Gewinne der Stinnes-
leute.
Zwei Millionen deutsche Arbeits-
lose — ihre Unterstützung, die sie nur vom Hun-
gertod rotten soll, würde dem Staat 500 Millionen
Goldmark im Jahre kosten (der ganze Goldschatz des
Reiches ist nicht so groß! Die jährliche Reparations-
leistung kann höchstens eine Milliarde Go'.dmark be-
tragen!). Woher soll der Staat das Geld nehmen ?
Denn die deutschen Kapitalisten wollen nicht einmal
die bisher beschlossenen Steuern zahlen. Unter ihren
Forderungen stehen Abschaffung der Kohlen-
steuer (die ergiebigste Steuer, die noch für die
Staatsbedürfnisse vorhanden ist), der Exportabgaben
und anderer Steuern. Bayern sabotiert die Steu-
ern, und die Kapitalisten im Rheinland folgen ihm.
Sie fordern eine neue Währung. Sie wis-
sen, was heute ein jedes Schulkind weiß, daß eine
Währung nur stabil bleiben kann, wenn die Staats-
e innah men die Ausgaben zu decken vermögen. Sie
verweigern aber di- Mittel, die notwendig sind, um
«en Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Die
su schassende Neu-Mark, die freilich nicht beständig
meiden kann, gibt ihnen im übrigen Aussicht, neue
^nfiationsgewinne einzuheimsen. Von den
u h r k r e d i t c n, die sie vom Reich erhielten und
ihre Quelle zur Bereicherung wurden, r-dcn sie
Sollten diele tu rührigem Goldwert um
FraukrcnP abgerrmen werden, so wäre
die Reparationsfrage zum guten Teil
gelö st.
Die Schilderungen der Geschichtsschreiber übe«
die letzten Tage Roms enthüllen den hem-
mungs- und grenzenlosen Egoismus der herrschen-
den Klasse des damaligen Roms. Wie wird das
Urteil der Geschichtsschreiber über die deutschen Ka-
pitalisten aussallen?
Internationale Lage.
„Durch keinerlei diplomatischen
Rücksichten gemildert".
Hagen, 25. Okt. Im Kreishauss zu Hagen
sand heute eine Besprechung über die Lage im besetz-
ten Gebiet statt, an der der Reichskanzler mit den
Ministern für die besetzten Gebiete und des Innern,
der preußische Ministerpräsident und Vertreter der
politischen Parteien und Wirtschaftskretse aus ver-
schiedenen Teilen des besetzten Gebiets teilnahmen.
Hierbei hielt Stresemann eine Rede, in der er,
wie dis „Franks. Asitg." schreibt, zum ersten Male
seit der Uebemahme der Regierung der tiefen Er-
bitterung des deutschen Volkes über die französische
Politik einen durch keinerlei diplomatischen Rücksich-
ten gemilderten Ausdruck gab. Es muß einmal, so
erklärte Stresemann, die Zeit vorüber sein, in der
man glaubt, daß man mit uns auf dem Wegeder
Diktate weitersprochen könne. Wir mögen zu
schwach sein, um uns zu wehren, man kann uns ver-
gewaltigen und uns Land und Eigentum rauben,
aber man kann uns nicht zwingen, unsere Un-
terschrift uwtov einen solchen Raub zu setzen. Der
Reichskanzler legte dar, daß die Regierung das
Letzte getan habe, nm die Wirtschaft des be-
setzten Gebietes wieder in Gang zu setzen. Wir
k ö n n e n n i ch t z a h l e n, so rief der Reichskanzler
aus, und wir werden nicht zahlen, solange
die Ruhrbesetzung anhält.
Reichsimwnministcr Sol > inann betonte, daß
kein anständiger deutscher Mann mit dem separatisti-
sche» Gesindel, das jetzt im Rheinland« Unruhen
stifte, etwas gemein habe. Man dürfe in der gegen-
wärtigen Lage nicht zu viel von oben her erwarten,
sondern es müsse jeder selbst mithelfen, so
gut es gehe.
*
Siresn: mann scheint wieder einmal das Be-
dürfnis gehabt zu haben, seiner Partei zu zeigen,
daß er immer noch in den „nationalen Bahnen" der
Deutschen Volkspartei wandelt. Ob jedoch Deutsch-
land damit gedient ist, wenn der verantwortliche
Staatsmann des deutschen Volkes Reden hält, die
„durch keinerlei d'vlmuattsche Rücksichten gemildert
sind". Anscheine - ngt man jetzt in der Reichs-
regierung die R c w der Deutschnatio-
na len, die BovöUcruug des Ruhrgebietes tote
überhaupt das deutsche Volk sich selbst zu überlassen
und niemand an voran'.wörtlicher Stelle ist dar
der Einhalt gebietet. Wie lange soll dies noch
so weiter geh en?
Die englischen Bemühungen um
eine Konferenz.
London, 25 Okt. Es bestätigt sich, daß das
englische Bemühen um die Herbeiführung
eins« Konferenz sich keineswegs mit lieber eifer
und Erfolg durchsetzt. Der diplomatische Korrespon-
dent der „Daily Telegraph" stellt fest, daß di« eng-
lische Regierung nochmals den Alliierten die Ein-
berufung einer Sachverständigen-Kommisston mit
amerikanischem Vorsitz vorschlug, nachdem der Ruhr-
kampf beendigt sei, daß jedoch Poincavö bisher
nicht annahm und die Verhandlung deshalb
keinen günstigen Verlauf nehme. Bezüglich einer um-
fass enden Konferenz der Regierungen seien nicht ein-
mal die Verhandlungen begonnen. Lediglich eine
Konferenz der alliierten Ministerpräsidenten sei von
Belgien angeregt. Der Korrespondent meint, daß
Poincare für keine dieser Konferenzen bereit sei,
mindestens bevor er mit England einig geworden
sei.
London, 25. Okt. Der englische Bankier und
frühere Schatzkanzler Mc Kenna erklärte in einer
Rede in der Handelskammer von Belfast, England
werde niemals mit Gleichgültigkeit eins erzwungene
Verarmung großer Nationen und die Zerstörung
ihres industriellen Lebens ansehen.
Verzweisiungsstimmung im
Ruhrgebiet.
Stillegung der Zechen.
Bochum, 25. Okt. (Etg. Bericht.) Fm Ruhr-
gebiet jagt eine Hiobspost die andere. Nachdem
dieMontaindustrte restlos still gelegt ist, erfolgt
jetzt Vic Entlassung der Bergarbeiter, so daß das
Heer der Arbeitslosen ins Zahllose wächst.
Von Montag ab ruhen alle Zechen, ausgenommen
die, die durch Vertrag gezwungen sind, Kohle nach
Italien und Holland zu liefern.
Die Zechen haben bereits erklärt, daß sie keine
Löhne zahlen können, weil keine Zahlungsmit-
tel vorhanden seien. Aus einigen Zechen wurde am
Dienstag kein Abschlag gezahlt; die „Har-
pener Bergbau-A.-G." zahlte nur ein Drittel des
Abschlages. Die Erbitterung der Bergarbei-
ter ist ungöhouer. Die Franzosen greisen uun-
mehr in die Lebensmittelversorgung ein.
In Langendreer fand am Mittwoch eine Besprechung
von Mitgliedern der Gewerkschaften mit dem Orts-
kommandanten statt. Dieser erklärte sich bereit, in
jeder Weise seine Unterstützung zur Behebung der
augenblicklichen Schwierigkeiten zu leihen. Die Be-
fatzungsbehövde sei bereit, den Gemeindeeingesesse-
nen Lebensmittel gegen Bezahlung zur
Verfügung zu stellen.
Der Separatistenputsch.
Bonn, 25. Okt. In Bonn wurde nach hefti-
gen Kämpfen heute vormittag das Rathaus z u-
rückerobert, es befindet sich wieder in dem Be-
'sttz der städtischen Verwaltung. Eine Anzahl schwer-
verwundeter Separatisten wurde ins Rathaus ge-
schasst. Die separatistische Flagge wurde herunter-
geholt. Das Rathaus ist jetzt von französischen
Truppen abgesperrt.
Auch Godesberg ist wieder frei, alle öffent-
lichen Gebäude befinden sich dort wieder in deutschen
Händen.
Aachen, 25. Okt. Bei dem Versuch der Schutz-
polizei, die Regierungsgebäude zurückzuerobern,
nahmen die Belgier für die Sonderbündler Partei.
Berlin, 25. Okt. Der französische Oberkom-
mtfsar erkennt überall, wo die separatistische Bewe-
gung erfolgreich war, deren Herrschaft an.
Berlin, 25. Okt. Die Reichsregicning hat
ihren Geschäftsträger in Paris, der bereits wegen
der Vorgänge in Düsseldorf, Bonn und anderen
Städten bei der fra,höfischen Regierung wiederholt
vorstellig wurde, beauftragt, gegen das Vorgehen des
Generals de Metz in vcr Pfalz Protest zu
erheben.
Zerfall des Reiches?
o Berlin, 25. Oktober.
Die Passivität der Reichsregterung
gegenüber Bayern rächt sich jetzt bitter durch die
Selbsthilfe nuseres Volkes. Der Wille zur
Reichseinheit lebt im Herzen unserer Bevölkerung
bei allen Enttäuschungen der Nachkriegsjahre immer
noch. Nur von diesem Gesichtspunkte aus ist die
Aktion der Pfälzer Sozialdemokratie
gegen Bayern zu erklären. Ihr Sinn kann
nur sein, die ReichSriegierung zu dem Schritt zu
zwingen, den sie bisher unterlassen hat, den
Schritt zur wirtschaftlichen Auseinan-
dersetzung mit Bayern. Nichts anderes bedeutet
auch die von einzelnen bayerischen Truppenteilen
vollzogene Ablehnung d e v Verpflichtung
auf die bayerische Regierung. Diese Haltung ist ge-
radezu eine Aufforderung an das Reich: Holst uns
— wir halten Euch di« Treue!
Die Fortsetzung der bisher vou Herrn Sire-
s ein ann und einem Teil seiner bürgerlichen
Mini st e r geübten Passivität muß außerdem
unweigerlich zur Verwirklichung der im Rheinland
vorherrschenden separatistischen Bestre-
bungen führen, die erst in diesen Tagen unter
blutigen Opfern durch deutsche Staatsangehörige
unmöglich gemacht wurden.
Richt die Erhaltung Bayerns beim Reich, son-
dern die Sicherung des übrigen Reichs-
bestandes, die Verhinderung eines Zerfalls macht
unter diesen Umständen ohne Wirtschafts-
blockade gegen Kahr und Lossow notwendig. Die
Aktion soll keinen Krieg des Reiches gegen
das bayerische Volk bedeuten, sondern mutz
gedacht sein als Maßnahme, deren Wirkung sich
durch die bayerische Bevölkerung gegen die Urheber
der jetzigen Zustände in Bayern richtet. Die augen-
blickliche Lebensmittelversorgung Bay-
erns, die kaum für zwei Tage ausreicht, spricht
dafür, daß die Unterbindung der Lebensmittelzufuhr,
die Aussetzung der Kohlentransporte und
Verweigerung von Reichsgeldern schnell einen
Erfolg auslöst. Dieser Erfolg des Reiches über
Herrn Kahr ünd einen meuternden General kommt
in der Wirkung eimsr Stärkung der Staats-
autorität gleich, ohne die das Schicksal des
deutschen Reiches besiegelt ist.
Die Meh r z a h l d er M i n i st er p r 8 s t d e n -
t en der Länder, die am Mittwoch in Berlin weilten
und mit dein Reichskanzler eingehende Besprechun-
gen über die notwendigen innen- nnd außenpoliti-
schen Maßnahmen führten, ist bereit, dem Reich
in der Wiederherstellung verfassungsmäßiger Zu-
stände vollste Unterstützung zu leihen. AVer
auch sie werden schließlich zuSonderakttonen
getrieben, wenn die Neichsregierung, deren
Ausgabe die Sicherung der Reichseinheit Ist, ihr
Anerbieten zur Kenntnis nimmt und auf dem bis-
herigen Wegs fortfährt.
Beharren die bürgerlichen Minister
weiterhin gegen ihr« Parteien und die Sozialdemo-
kratie auf dem bisherigen Pfad, dann gehören sie
htnweggefegt! Der Reichsregicrung gegen das
Reich mutz dann ein K a b i nc t t z u r S i ch e r u n g>
der Reichseinheit und der Wahrung der Jn-
teresfen des Volkes durch das Reich folgen.
Die Lage im Reich.
Phantastische Zahlen.
Berlin, 25. Okt. Die schwebende Schuld des
Reiches belief sich nach dem lebten veröfseiitltchtcck
Ausweis am 10. Oktober auf 891 422 Billionen
Mark. Nach Mitteilungen, die heute von unterrich-
teter Seite gemacht wurden, war dieser Betrag am
15. Oktober auf 170 581 Billionen Mark gestiegcst
und hat am 22. Oktober die Summe von 408 000
Billionen Papicrmark erreicht.
Meinungsverschiedenheiten bei den
bayerischen Truppen.
Berlin, 25. Okt. Wie der „Soziatdemokr.
Parlamentsdienst" erfährt, hat ein Teil der bayeri-
schen Truppen in München und anderen Stand-
orten die'V e r psl ich t u n g für die bayrische Re-
gierung ab gelehnt. Dieses Verhütten erfolgt«
mit der Begründung, daß der Eid auf die RctchA-
vcrfafsung geleistet sei und nach wie vor die Ver-
pflichtung besteht, an diesem Treuschwur festznhal-
ten. Dem Retchswehrmtmjer und dem Chef dck
Heeresleitung sind aus Bayern, insbesondere von
Reichswehroffizieren; zahlreiche Treukundge-
bungen zugegangen.
Die Reichswehrkommandeure für
Seeckt.
Berlin, 15. Okt. Der Oberbefehlshaber des
Gruppenkommandos 1, General der Artillerie voll
Berendt, hat dem Chef der Heeresleitung, Ge-
neral von Seeckt, nachfolgende Erklärung abgegeben:
„Im Namen der Kommandeure der 1. und 6. Divi-
sion nnd der 1. bis 3. Kavallerie-Division fühle ich
mich verpflichtet, angesichts der die Einheit unseres
Vaterlandes schwer bedrohende Lage deren Chef de«
Heeresleitung unseres unbeschränkte» Vertrauens
und unverbrüchlichen Gehorsams zu versichern.
General von Berendt ist nach General von Seeckt
Dienstältester der Reichswehr. Seine Gchor-
samserklärung ist namens der Kommandeure s ä m t-
licher Divisionen mit Ausnahme der
bayerischen — das Retchsheer hat sieben Divisionen;
nnd die bayerische ist die siebente — abgegeben wor-
dew was die Bedeutung dieser Erklärung unter-
streicht.
Die Pfalzfrage.
Berlin, 25. Okt. Reichsiinnenmtnister Soll-
mann gab zu den Vorgängen in der Pfalz folgende
Erklärung ab: Don Versuch einiger meiner Par-
teigenossen in der Pfalz, eine selbständige Re-
publik gegen Bayern im Rahmen des Reiches zu er-
richten, lehne ich als Reichsminister und als Sozial-
demokrat init aller Entschiedenheit ab.
Berlin, 25. Okt. Abg. Gen. Hermann
Müller hat iml Namen des sozialdemokratischen
Parteivorstandes an die pfälzische Organisation der
Sozialdemokratie folgendes Telegramm gerichtet:
„Ersuchen dringend in Pfalzfrage Einverständnis
mit Koalitionsparteien herzustellen. Jegliche Maß-
nahme, die auch nur indirekt französische Nheinbund-
pläue unterstützt, ist unbedingt zu unterlassen."
Ludwigshafen, 25. Okt. Der französische
General gibt jetzt zu, daß er die Absicht der Sozial-
demokratie, die Pfalz von Bayern zwar losznlösen,
sie jedoch dem Reiche zu erhalten, falsch gedeutet
habe.
In einer Besprechung der politischen Parteien mit
General de Metz wurde die Frage der Selb-
ständig m a ch u n g der Pfalz berührt, über
die, wie berichtet, dem Kreistag am Vormittag von
der Besetzungsbehörde eine Frist zur Entscheidung
bis Freitag nachmittag 4 Uhr bewilligt worden war.
General deMetz erklärte nun in dieser Besprechung
mit den Wirtschaftsvertretern, der Sinn der Dar-
legung des Majors Louis sei durch ein bedauer-
liches Versehen des UvbcrsctzerS entstellt worden. Der
General stellte fest, daß die Erklärung des Majors
nicht identisch sei nM der Willensäußerung de«
sozialdemokratischen Unterhändler, die ausdrücklich
verlangt hätten, die Pfalz solle im Falle ihrer Ver-
selbständigung im Verbände des Deutschen Reiches
verbleiben. Hierzu führte der sozialdeinokrasische
Reichstagsabgeordnete für Kaiserslautern, der frü-
here bayerische Ministerpräsident Hofsmann, aus,
die Sozialdemokraten würden niemals für die Au-
tonomie der Pfalz zu haben sein, wenn diese nicht
als zum Deutschen Reich gehörig betrachtet Werde.
Der weiße Schrecken in Sachfen.
Dresden, 24. Okt. (Eig. Ber.) Aus den vsr-
ichiedenstcn Teilen des Landes lausen Meldungen
ein, nach denen die Reichswehr bei der Beset-
zung Sachsens in einer Weise vorgcht, die geeignet
ist, die Arbeiterschaft und die republikanische Bevöl-
kerung überhaupt in die größte Erregung zu
versetzen. Das allgemeine Urteil in diesen Kreisen