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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 281 - Nr. 290 (3. Dezember - 13. Dezember)
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od. deren Raum (Mnun br.) W P!g.
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»eigen wFamiliennachrtchten löPfg.
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Volkszeitung

»eschsft»ff«th«»-«rqi.
stunden der Redaktion: U—UMhL
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Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelbero
Druck u. Verlag der Unterbadisch«
Derlagsanstalt <S.m.b.H., Heide»
berg. Geschäftsstelle: Echröderstr.öL
TeU ErpedttionLMS u.RedakLSk«.

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5. Jahrgang

Heidelberg, Montag, den 10. Dezember 1923

Nr. 287



Jos KWWIMW gMMMII

Echo

hat sich

vor,
ein«
»en
von

äußerst erlisten. Charakter an-
die Schlagkraft und Mttons-
seWst in einer so heiklen Si-
Meinungen iveit auseiimnder-

bringen und von ihrer sozialen Wirkung. Da die
Rcichsregieruug bisher weder Ziffern über den
Steuerbedarf noch Wer den Steuerertrag geliefert
hat, ebensowenig Angaben Wer die noch zur Ver-
fügung stehenden Kredite an Rentenvtark,
ist das Gesamtur 1 eil Wer diese Steuern sehr
schwer. .Wir müssen uns daher vorläufig mit
cinetti Urteil Wer die Einzelmaßuahme» begnügen.
Aber auch das ist nicht leicht, da die gewaltige Geld-
entwertung, die Unsicherheit der Erträge und di«
Wirkung der Steuern nicht völlig übersehbar sind.
Trotzdem wollen wir die bisher bekmmtgewordenen
Vorschläge der ReichsreOernng einer kurzen kritischen
Prüfung unterziehen.

die In
(Heiterkeit.) Wir fordern

gedrungen sind, erhebt sich der Widerstand.
Großagrarier, Großindustrielle, Händler und Börsen-
spekulanten bekämpfen einig jede wirksame Besttz-
öcsteuerung und drohen mit dem Steue« streik.
Schmählicher hat' sich nie die v ater land slo se
Gesinnung des deutschen Besitzes gezeigt als
jetzt. Verweigerung der Steuern bedeutet Verlust
von Rhein und Ruhr, Zusammenbruch der Währung,
Auslösung der deutschen Wirtschaft — trotzdem denken
die Kapitalisten nur an ihren Geldbeutel!
Mittels des Ermächtigungsgesetzes will
die Reichereglerung eine Steuernotverord-
nung erlassen. Ihr Beurteilung ist abhängig von
dem Gesamtertrag, den di« geplanten Maßnahmen

mung erfahren hätte, dann stand die Sozialdemokra-
tie in den Augen vieler Wähler als die Anstifte -
rin neuer Unruhe, die Urheberin der neuen Ver-
schlechterung da. Das war keine Situation, um im
Wahlkampf eine sozialdemokratische Mehrheit zu er-
ringen.

Die Lage im Reich.
Der Fünfzehrrerausschrch.
Berlin, 8. Dez. Dem infolge des Ermächti-
gungsgesetzes gebildeten Fünfzehuerausschuß gehörest
an: Für die Sozialdemokraten: Müller-
Franken, Hertz, Sender und Steinkops. Für
die Deutschnationale Volkspartei wurden als Mit-
glieder, der Vorsitzende der Fraktion Dr. Hergt und
Abg. Schultz- Bromberg delegiert. Für die Deut-
sche Volkspartei gehören -dem Ausschuß an Dr.
Scholz (der auch dessen Vorsitzender ist) und
Brüninghaus, für die Bayerische Volkspartei
Schirmer-Franken, für das ZenAum Becker-
Arnsberg, Karthaus und Allekotte, für die
Demokraten Koch und Delius, für die Kommu-
nisten Bartz.
Der Ausschuß wird bereits am Dienstag, 11. De-
zomber, zusanmventreten, um sich mit der Verordnung
Wer «den Beamten abbau zu beschäftigen.
Rücktritt der thüringischen
Regierung.
Weimar, 8. Dez. (Eig. Bericht.) In der letztest
Sitzung des thüringischen Landtags wurde noch ein-
mal der Versuch geruacht, die thüringische Rumpf-
regierung zu ergänzen. Von sozialdemokratischer
Seite wurde der bereits einmal gemachte Vorschlag
erneu«, den Minister des Aeußeren Frölich mit
der Führung der Geschäfte des Wirtschaftsmintste-
riimns zu betrauen und dem Münster des Innern
Hermann die Geschäfte des Justizministeriums,
zu übergeben.
Diese Vorschläge wurden mit 31 Stimmen der
Deutschnattoualen, Deutschen Volkspartei, des Land-
bundes, der Demokraten und dar, Kommunisten gegen
22 Stimmen der V.S.P.D. abgelehnt.
Der Vorsitzende des StEsmiuisteriums, Staats*
miMster Frölich, erklärte darauf den Rücktritt der
bisher noch amtierenden Mitglieder der Staats-
regierung. Sie werden bis zur Bildung einer neuen
Landesregierung gemäß Len Bestimmungen, der thü-
ringischen Verfassung die Geschäfte ihrer bisherigen
und auch der freien Ressorts weiterführen.
Vor der Slbstinmrung erklärte der Landbund im
Namen der Rechtsparteien, daß sie eine Klärung der
Lage herbei sich reu wollen und auf alle Fälle gegen
eine Regierungsovgänzungswahl stimmen würden.
Die Bedrohung der Universität
Frankfurt
Berlin, 9. Dez. Bei der Tagung des Haupt-
ausschusses des preußischem Landtags ergab sich, daß
die Universität Frankfurt durch Maßnahmen der
Preußischen Regierung ernstlich bedroht war. Der
Berichterstatter Gen. Dr. Harnisch trat gegenüber
diesen Plänen energisch für die Frankfurter Univer-
sität ein.
Zum Schluß kam dann folgende Resolution zu«
Annahme: „Der Ausschuß wolle beschließen, dem
Landtag folgende» Antrag zu unterbreiten: der Land-
tag wolle beschließen, das Staaisministerium zu er-
suchen, ketuerloi den Bestand der preußischen öffent-
lichen Bildungseinrichtungen gefährdende Maßnah-
men zu treffen ohne Anhörung des Landtags."
Gesinnungstüchtiger Byzantinismus
Berlin, 8. Dez. Der Nattonalverband deut-
scher Offiziere, der Deutsche Offiziersbund, der- Ma-
rinooffiziersbunD und der ReichsosfizierAbund ver-
öffentlichen eine geharnischte Erklärung gegen den
ehemaligen kaiserlichen Hofmarfchall Grafen v. Zed -
l i tz upd Trützschler, der in seinen Erinnerungen
den byzantinischen Geist am Hofe Wilhelms H. ent-
hüllte.
Der ehemalige Hofmarfchall tat weiter nichts als
die dem deutsche!« Volke so lange vorenthaltene Wahr-
heit zu enthüllen. Wenn sich die Offiziere dagegen
inenden, so charakterisieren sie sich nur selbst.
Die rechtsradikalen Putsch-
bestrebungen.
Berlin, 8. Dez. Wie schon berichtet, gelang es
der hiesigen politischen Polizei, in Berlin ein« Füh-
rersttzung und eine Manuschaftsversamnrlung einer
rechtsradikalen illegalen Organisation auszuheben
und 60 Verhaftungen vorzunehmen. Die Verhaftun-
gen ergaben, daß nach wie vor aus einen Rechtsputsch
üingearbeitet wird. Für den militärischen Charakter
der „Turnerschaft" sind schlüssige Beweise erbracht.
An der Spitze stehen ein Hauptmann Ramshom, ein
Oberleutnant Hildebrand und MallWitz, ein Leutnant
Nudrack und andere. Als Warber war ein gewisser
Schulz tätig, der sich selbst zum Feldwebel befördert
hatte. Die Berliner Zentrale arbeitete Hand in
Hand mit dem Landbund in Mecklenburg. Wer von
den Söldlingen in Berlin keinen Beruf hafte, wurde
als Flnrschütz, Waldarbeiter oder Forstgehilfe be-
schäftigt. Tatsächlich fanden aber Exerzierübungen
statt. Mitglieder des Landhu-ndes stellten Fahrzeuge
zur Verfügung.

Berlin, 8. Dezvr.
Der Reichstag nahm heute die Schlußab-
, stim m ung über das Ermächtigungsgesetz
' vor. Eine Aussprache findet nicht mehr statt. Das
Haus ist sehr stark besetzt, nur bei den Sozial-
dcmok raten und den Deutschnationalen
zeigen sich Lücke». Die anwesenden Deutschna-
tionalen beteilige» sich nicht an der Abstimmung.
Abgegeben wurden insgesamt 332 Stimmen,
so daß, tote der Präsident unter Heiterkeit festftcllt
nicht nur Zweidrittel der Abgeordneten anwesend
sind, sondern sich auch Zweidrittel an der Abstim-
mung beteiligt haben. Das Gesetz selbst wird mit
313 gegen IS Stimmen bei 1 Stimmenthaltung
angenommen, womit auch die erforderliche
Zweidrittelmehrheit für das Gesetz erreicht ist. Ge-
gen das Gesetz stimmten die Deutschvölki-
schc», der Bayrische Bauernbund, Lede-
bour und die Kommunisten.
Die Novelle zum Reichstagswahl-
gesetz Wird nach längerer Debatte in -weiter und
dritter Lesung bis auf die Schlutzabstiunnnng er-
ledigt.
Weiter liegt em deutschnaftoualer Antrag
auf Eins ü h r uu g der Wahlpflicht und
Vorlage zur Aenderung des Gesetzes Wer
Volksentscheid, wonach ein Volksbegehren, das
den Antragstellern selbst nicht weiter verfolgt wird,
vom Retchsmtnister des Innern eingestellt wer-
den kann. Eingeführt wird ein amtlicher Stimm-
zettel, der alle zugelasssnen Wahlvorschläge ent-
hält, mit den Namen der erste» vier Bewerber. Der
Wähler gibt durch Ankreuzung an, welchen Wahl-
vorschlag er wählen Will. Auch eine Herab-
setzung der Zahl der Reichstagsabgeordneten ist
vorgeschlagen und dringend empfohlen, die .Zahl
der Mitglieder der Landesparlamente zu vermin-
dern. Die Wahlkreise werden, abgesehen von Groß-
Berlin, das nach wie vor die drei Wahlkreise Ber-
lin, Potsdam 1 und 2 bildet, so verkleinert, daß
auf je ungefähr 1,5 Millionen ein Wahlkreis ent-
fällt.
Sch ultz-Bro mb e rg (DN.): Eine Vermin-
derung der Abgoorduftenzahl ist unbedingt notwen-
dig. Die neuen amtlichen Wahlzettel mit den zahl-
losen Na,neu werden zur Konfusion ansttften. Stel-
len Sie keine zu großen Anforderungen an
telligenz der Wähler. (' ' '
Einführung der Wahlpflicht.
Dittman» (Sog.): Im Ausschuß
der Abg. Schultz gegen jede Verminderung der
Zahl der Abgeordneten ausgesprochen. Die amt-
lichen Stimmzettel haben sich in Amerika durchaus
bewÄhrl, obwohl es dort mehr Analphabeten gibt
als in Deutschland. Den deutjchnationalen Antrag
auf Einführung der Wahlpflicht lehnen wir ad.
Nach weiteren Bemerkungen der Abgeordneten
Brodaus (DDP.) und Eichhorn (Komm.)
wird die «Vorlage in 2. und 3. Lesung angeno m-
nl e n.
Der von den Deutschnationalen gestellte Antrag
auf Einführung der Wahlpflicht Wird zunächst in
seinen grundlegenden Teilen in namentlicher M-
stimnnung mit 217 gegen 200 Stimmen bei 6 Stimm-
entihaltungsn angenommen. Die ebenfalls na-
mentliche Schlußabstimmung Wer die ganzen Vor-
lagen ergibt jedoch die Ablehnung mit 217 ge-
gen 119 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen.
Der Antrag des Mg. v. Gräfe (Deutschvölk.),
die Aufhebung seiner Immunität noch in dieser
Sonnabendsttzung zu erledigen, scheitert an dem
Widerspruch der Kommunisten.
Der Antrag Müller und Genossen auf Ein-
heit l i ch e Regelung der Dauer des Lehr-
ganges in höheren Schulen wird mit dem Antrag
der Kommission angenommen.
Die Anträge zum Personalabbau
Werden gemeinsam mit Anträgen auf Wiederinkraft-
setzung der Demobilmachungsverordnung««, auf
Aufhebung der neuen Krcmkenkassenverordmmgen
und ähnlichem beraten. Ein Schlußantrag, der mach
der Rede des Abg. Rauch (Bayr. BP.) «ege« di«
Deutschnalionalen und die Kommunisten ange-
nommen wird, verhindert eine stund «lauge Erö--
rnng. Die Anträge werden teils dem 15er Aus-
schuß, teils dem Rechtsausschchutz überwiesen. Ein
Antrag Deglerk (Dn.), die Anträge: Wer den

Personalabbau dein Beamtmausschuß zu Wer-
, geben, wird gegen die Rechte und äußerste Linke
avgelehnt, was auf der von Beamten stark be-
setzten Zuhörertribüne stürmische Pvotestkundgebuu-
' gen hervorruft.
> Annahme findet der soziardemokratische An-
, trag auf Wiederinkraftsetzung der Demobilmnchungs-
vcrordnungen über die Regelung der Arbeits-
zeit gewerblicher Arbeiter.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Ein
deutschnationaler Antrag, die nächste Sitzung späte-
stens am 10. Jaimax stattfinden zu lassen, wird
, avgelehnt. Der Präsident erhält die Ermäch-
tigung, selbständig Zeit und Tagesordnung der
nächsten Plenarsitzung anzuberaumen.
Vizepräsident Dr. Bell schließt die Sitzung mit
den üblichen Weihnachtswüuüschen unter großem
Tumult der aus der Tribüne versammelten
Etsenbahnbeamten, Die Drohungen und
VrswüMschimgen gegen die Abgeordneten «usstotzen
und laut in dm Saal hinabrufen: „VolMurräter,
Handlanger Der Reaktion, Schieber!"
Sozialdemokratie
und Ermächtigungsgesetz.
Hamburg, 10. fDez. Das „Hamb,
schreibt zur Annahme des ErmächftgMvgsgefetzes:
Das Ermächtigungsgesetz für Marx u.
die Seinen ist unter Mithilfe der Sozialdcmrokratest
angeno m m e n worden» Trotz einiger Lücken in
ihren Reihen haben sie sich, wie die Mbstinrmuugs-
ziffern beweisen, in ihrer überwältigenden Mehr-
heit entgegen Een Persönlichen Bedenken aus Par-
teidisziplin im Saale befunden und nur dreißig
Haven während der Wstimmung keine Karte ab-
gegeben. Das ist zweifellos der Beweis einer im
wesentlichen noch immer ungebrochenen Par-
teidisziplin. Dies zu betonen, wäre unter andern
Umständen überflüssig, heute ist es notwendig, be-
weist es doch, wie stark trotz alle« Wirren und Ge-
gensätze in den Vertretern Der Partei die Ver-
antwortlichkeit gegenüber Dor gemeinsamen
Gesamtpartei lebt. Zeigt es doch, daß trotz aller
Auseinandersetzungen im Innern der Partei, die
unzweifelhaft einen
genommen haben,
fäh iglest der Partei
tuationc in der die
klafften und nur eine gringe Majorität für die An-
nahme vorhanden war, erhalten blieb. Dies möch-
ten wir insbesondere den bürgerlichen Parteien
zu bedenken geben, die fasziniert auf die Vorgänge
in der VSPD. blicken unD dabei ihre eigenen,
nicht geringen Schwierigkeiten vergessen zu,machen
suchen.
Daß die Angelegenheit für uns heikel war,
soll aber nicht verkannt oder vertuscht werden. Schon
die Slbstimmmrg in der Fraktion ließ es erkennen
und beweist, daß Ls diesmal nicht Mr Die sogen.
Opposition und das, was so drum und dran hängt,
war, die sich gegen die Annahme des Gesetzes ge-
wandt hat, daß die Linie schon gar nicht etwa zwi-
schen den Men Unabhängigen und den SPD.-Leu-
ton lief, sondern daß diesmal die Linie einen völ-
lig andern, «in wenig ungewohnten Verlauf nahm,
indem viele Mitglieder de« Fraktion, die Die Staats-
notwendigketteu stets ungemein hoch stellen, jedem
hemmungslosen Radikalismus fernstohen, ein« Nicht-
annahme des Gesetzes Durch unsere Fraktion ge-
wünscht Hütten.
Eine ungeheure Aufgabe steht nun für die nächste
Zeit bevor: das Ringen um die Seele des letzten
Parteigenossen, der verärgert und verständ-
nislos oder zumindest unbefriedigt und ohne
Kontakt zur Seite steht. Dazu bedarf cs aber nicht
nur Aufklärung und intensivste Parteiarbeit, sondern
in Zukunft klarere Linien, eindeutigere Paro-
len und aktivere Mitarbeit der Gesamtparter.
Berkin, 9. Dez. Der „Vorwärts" schreibt:
Das Ermächtigungsgesetz ablehnen hieß, mit un-
entrinnbarer Folgesicherheit den absolutem! Aus-
nahmezustand und unter ihm die Neuwah-
len herbeizuführen. UnD das in einer Zeit, in der
sich «n verschiedenen Stellen eine beginnende Neu-
belebnng d eS Wirtschaftslebens bemerk-
bar macht. Eine vorläufige Stabilisierung der
Währung ist erreicht, der Preisabbau hat begonnen,
in verschiedenen Industrien steigt der Beschäftigungs-
grad. Wenn während Der Wahlbewegung die Wäh-
rung Wieder ins Rutschen gekommen wäre, die Preise
Wieder an gezogen hätten, di« Industrie neue Läh-

UM M Well!.
Berlin, 8. Dezember.
Unser steuerPMftsclM Z-Mitarbeiter schreibt uns:
Fast ein volles Jahrzehnt hat das Deutsche Reich
die Grundsätze einer ordentlichen Finanz-
geb a h r u n g vernachlässigt. Von wenigen
erfolglosen Versuchen zur Schaffung von Befitzsteuern
abgesehen, sind die Einnahmen Des Reiches in Der
gesamten Zeit in der Hauptsache Durch die Be-
last u n g d e s Verbrauchs und des Lohn-
ein kommens erzielt wanden. Die größte'Ein-
nahmequelle für das Reich war die Inflation,
jene unsozialste Form der Staatslasten, die zu dcr
größten W!rischaftsrevolntio,t der Weltgeschichte ge-
führt hat. Mit dem völligen Verfall der Reichs-
sinanzeu, mit dem unaufhaltsamen katastrophalen
Sturz der Papicrmark, der zur Verweigerung ihrer
Annahme als Zahlungsmittel geführt hat, ist sie als
Mittel der Finanzierung Des Reiches unmöglich ge-
worden. „Der Weg der Inflation ist für die Deut-
schs Wirtschaft endgültig verschlossen", so ha« am
6. Dezember der Neichssiuanzminister Dr.. Luth er
mn Reichstag mklärt.
Diese Erklärung, falls sie inncgehalten Wird, be-
deutet, daß das Reich von nun ab alle seine Aus-
gaben für seine eigenen Zwecke, für die der Länder
und Der! Gemeinden Durch Steuern decken muß.
Damit ist die bisherige Haltung der Sozialde-
mokratie zur Steuer- und Finanzpolitik des
Reiches glänzend gerechtfertigt. Denn der
gamße Kampf der Sozialdemokratie um die Unanz-
gesunDnug geht seit Jahren unausgesetzt dahin, daß
zur Verhütung weiterer Inflation, zur Sanierung
der Rsichsfinanzm, der Währung und der Wirtschaft
die steue rlichen Einnah men des Reiches so
erhöht werden, daß die Staatsausgaben damit rest-
los gedeckt werden können. Die Sozialdemokratie
war zu schwach, nm diese Forderung politisch
durchzusetzen. Denn so groß auch die Meinungs-
verschiedenheiten Muer halb der bürgerlichen Partelen
gewesen sind, in einem waren sie immer völlig einig:
in der Ablehnung einer die leistungsfähigen Schich-
ten des Volkes wirksam treffenden Besttzhesteueruug,
damit die Inflation als Quelle riesenhafter Gewinne
ja nicht rum Versiegen kommt. Selbst als es sich
Dalum handelte, Rhein und Ruhr vor dem franzö-
sischen Imperialismus zu verteidigen, versagte der
Besitz dis Mittel dazu und raubte noch obendMtn
seit März 1923 Dein Reiche sogar einen erheblichen
Teil der bisherigen Steuersimmhmen aus dem Besitz.
Nun da der Weg der Inflation für die deutsch«
'Wirtschaft endgültig verschlossen sei» soll, und die
Rente »Mark als Zwischenlösung für eine Gold-
währung geschaffen Zvorden ist, befindet sich das
Reich in einer sehr bedenklichen Zwangslage.
Dox Notschrei Des Fmanzmiuisters Dr. Luther und
die Reichsiagsrede des Kanzlers Dr. Marx sind
Zeugnisse für die verzweifelte Situation, die durch
dis plötzliche durchaus ungenügend vorbereitete
Stillegung Der Noienpresse und Dom Mangel an
Einnahmen Des Reiches entstanden ist. Anstatt recht-
zeitig für ausreichende Steuereinnahmen zu sorgen
and daun die Stabilisierung der: Währung vorzu-
nehmen, stürzt« «lau den sozialdemokratischen Fi-
nanMünister Htlferdiug, der diesen richtigen
Weg nnter Auferlsgung der Lasten für den Besitz
Sehen wollte. Aber der Irrglaube, Daß eine stabile
Währung ohne Finanz sanier ung möglich sei, ist
schnell zusammengebrochen. Unten der ungeheuren
Gefahr, daß das Reich in kurzer Zeit nach der Er-
schöpfung des Kredits der Rentenbank keinerlei Ein-
nahmen mehr hat, um die Lebenszweck« jeden Staa-
ts z» finanzieren, soll nun die Herstellung des
Gleichgewichtes zwischen Ausgaben und Einnahmen
in so viel Wochen erfolgen, wie eigentlich Jahre er-
forderlich wären.
Wenn ab« die Zerrüttung Der Reichsfi nan-
^n, die durch die ungeheure Schuld der kapitalisti-
schen Kreise und der bürgerlichen Parteien herbei-
Seftihrt worden ist, in Wochen beseitigt werden
soll, so ist Das nur unter riesenhaften An-
ft r e ng il n g e u und der gewaltigsten Belastung der
Wirtschaft möglich. Je größer aber diese Lasten, um
w sehnlicher auch der Wunsch der Kapitalisten, daß
ss« aufLie M ässe n der werktätigen Bevölkerung
geladen werden, um den im Krieg und unter
°er Inflation «gehäuften Reichtum ungeschmälert
w erhalten und möglichst wieder zu vermehren. In
"Eftm Willen sind sich alle bürgerlichen Parteien
einig. Deshalb sollen die Ausgaben des Reiches
weit«« unter alles Erträgliche gedrosselt werden. Ar-
^iier, Airgestellte und Beamte des Reiches erhalten
athälter und Löhne, die in wenigen Wochen zur
Untergrabung ihrer Existenz und ihrer Arveits-
lahigkeft führen müssen. In der Privatwirtschaft
Werden Löhne gezahlt, die nur einen kleinen Bruch-
Al dar BorkriegAlöhne oder gar der Weltmarkts-
.0h»e dar st ell en. F ür alle aber w ird dieArbeits -
, o i t verlängert, von allen wird unbezahlte Mehr-
heit verlangt. Kurzarbeiter und Erwerbslose stehen '
dem Verlust ihrer Unterstützungen,
Uuvelle und soziale Aufgaben werden abgevaut.
A»? selbst bei stärkster Drosselung der
Sem gaben nvüssen Die Einnahmen des Reiches
de« "^ig erhöht werden. Erhöhung bestehen- '
l'Nd schnellste Schaffung neuer Steuern ist des- :
sa«» Aufgabe, der sich keine Negierung entziehen i
vi« kaum, da die srssten Ankündigungen über s
' ^"sichten der Regierung in di« OeffeKtlichkeit i
 
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