Nr. 220
Heidelberg, Samstag, den 22. September 1923
5« Jahrgang
; t-1 /E ««»LÄLÄN
MNN»««:Di« ?tn,EM,W MM W^-I k'ch W VM DN Wz tzW ZW WM W FÄ tz°ft!ch.R°n.°«°rl-r«H.Nr.L2S77.
A^-Raum«Sm«br.)Ml.MAX», 4M/ Ws MA MM WU S-h-iU MM MM IM AM MM Lel.-Adr^VolkszettAngH-wclbcr«.
«»,^warr,geM.!SM00. Reklame. MR VM^ZM ULM. MM. -M MR MM Drucku.Berlagderllnterbadtsme»
Ureigen (71 mn>br.)M.40üÜi)vv, für M MW WM EE MiMkAMÄ M-Md WtzAtM'-M Bcrlagsanpalt E.m.b.H., Heidel.
b»?°"igeM.S(>ocvM.BciWtcder. V MDLf MM M MU HWD^ iWjM LÄN MMDWtW berg.Eefchaflsstelle:Echröderstr.!»
Ölungen Nachlaß nach Tarif. W?» U Mff Tek ExpcdstlonEu.Redak.E
^ges-ZklkW U Ske NkMWk MZlferimg Ser Amtsbezirke Melbers, WlerlsS, ßisrbelm, Errvlngeo, Keröch, Msbach, Vulhes, MelsbeN, Norberg, LgllSerbWossbeim u. Wetthel«
Zer K»l bks rWks.
* H e i d e lv er g, 22. SeptMber.
Die politischen nnd sozialen Zustände spitzen sich
.Mich mehr und mehr zu. Infolge des Ruhr-
a mpfe s, der jeden Tag viele Billionen ver-
entwertet sich die Mark von Tag zu Tag.
schnell steigen die Preise für Levensmittel
und tägliche Bedarfsartikel. Lohn und Gehalt
Leiben immer weiter im Rückstand gegenüber
"u Kosten der Lebenshaltung. In den breitesten
Erzschichten herrscht eine Stimmung, die zwischen
Kathie nnd Verzweiflung, Fatalismus und Wut
E und her schwankt. Es gärt, weil der Hunger
Urgt. Dieser Tage trat an dieser Stelle der ADGB.
E Behauptung entgegen, das; die Löhne die
.^iedensgoldlöhne überschritten hätten. Es ist
E l i m m genug, daß eine solche Entgegnung
'"whaupt notwendig wurde angesichts der Tatsache,
derjenige Lohn, der am Samstag als Friedens-
wldlohn erschien, am Montag bereits durch den
^iärksturz um 45 Prozent entwertet war. So sehr
käst -che Preisschraube. Und gerade die zur Fristung
E>es noch so kargen Daseins notwendigen Lebens-
uliltel, wie Margarine, Schmalz, Eier, von dem
^üxusarlikel Fleisch gar nicht zu reden, schnellen von
E« zu Tag in die Höhe. Will man denn am grü-
Tisch, wo man den Hunger mit einem papiernen
^dex mißt und die Löhne an „Protesten", welche
/.'u bezahlten Unternchmershndici auf Akkord ge-
'esert werden, den Ernst der Lage nicht erkennen?
man nicht, daß die Zahl der Volksgenossen,
.,'E'e der T a r i sl o h n nu r au f d e m P a p i er
^"l, weil er infolge Beschäftigungsman-
. s nicht erzielt werden kann, täglich wächst und
E 'v heute in die vielen Hunderttausende geht? Wo
E EZ Arbeilsministerium, das nicht erst abwartet,
, di - Erbitterung wieder Wetter emporlodert, sow>
seinerseits auf eine Ausgestaltung des
E h n shstems hindrängt und es den Goldpreisen
: ' Industrie in beschleunigter Weise anzupassen
lUcht 8
r . Diejenigen, die im sicheren Hafen goldenen Sach-
tzes sich an den Wellen der Teuerung Vergnügen,
'"Uen freilich nicht, worum es jetzt geht. Als ob
E nichts vorgsfallen sei, erhebt jetzt die agrarische
Deutsche Tageszeitung" die alte Unternehmers»»
rriing nach erhöhterArbeitsletstnng. Ge-
w,»/ ^^öhte Leistung im Interesse steigender Pro-
E'tivil unter Aufrechterhaltung des sozialen, im
,'btstundeutag sanktionierten Schutzes wollen auch
Aber diejenige Grenze der Lebenshaltung,
1 -ierhalb deren eine Steigerung der Arbeitsleistung
' unöglich ist, ist jetzt in vielen Berufen bereits un-
' schritten. Dem Hungernden, jeder Hoffnung
' i bessere Beschäftigung und Entlohnung Beraub-
ist die Arbeit kein Bedürfnis seiner Persönltch-
w,!' Ub nicht „was den Menschen zieret", wie es
E Dichter nannte, sie ist ihm Verdruß, widerliche
° n, zur Entstörung hemusfordernde Schmach.
. solchen Menschen die Arbeitsleistung zu steigern,
bllwöglich. Man Mutz ihnen den Glaubenan
Wert ihrer Arbeit, an den Zweck ihres
an die Aufrechterhaltung ihrer Familie wie-
i^kvbeu. Erst dann und nur dann wird es mög-
- freudigen Dienst zu erzielen, wo heute ver«
^'Üene Fron geleistet Wird.
' i'-ie Vorbedingungen zu schaffen, ist der Ka«
s. ialismus außerstande. Aber er ist im-
l,.d e, wie die Lebenshaltung der deutschen Ar-
s, ! "schäft vor dem Kriege und diejenige der Ar-
Er ^chkft im Ausland noch heute zeigt, bessere
"Bedingungen auch dem Arbeitsmann zu
slm-E sie heute, in der Zeit der korrupten Jn-
wnswtrtschaft, der Valutagewinne und der
U entstanden sind. Wir haben heute eine»
d»r. " " V * taltsmus, der in krankhafter Angst
st» tschaftlich Produktiver Leistung an Sschwer-
der ,, St, ohne mehr nach den Menschen zu fragen,
ter» , er die Fabriktove vor arbeitswilligen Arbei-
de" '^"eß, anstatt mit dem Verkauf eines Teiles
den ^gehamsterten Rohstoffe, Devisen und Effekten
zu intensiverer, billigerer Produktion zu
der E. Unbesorgt nm die Gefahr, die der Zerfall
die rnn'ü seinem eigenen Besitz bringt, flieht er
Boir? N und vernichtet die Existenzgrundlage des
„.^sucht er sich der Steuerleistuug zu entziehen.
Est nicht zu verkennen, daß das Elend
tz a 'wlanids eine Folge -er internationalen
8 e i / Aber vor der Frage, ob der Besitz alles
Ncilcii » diese Entwicklung der internatio-
^iuen^^b verhindern, als diese eingetreten war,
"uw TE an der genieinsamen Last zu tragen, Weitz
andere Antwort, als das Nein. Ent-
Newr, " meisten von kapitalistischer Seile zur
Währung gemachten Vorschläge das
wer,""dnis, daß eine Erfassung der Sach-
Verfb^,"dtwendig sei, nachdem man früher die
"üd nnw^s.^^s Gedankens mit gemeinem Spott
Wir Widerstand bekämpft hat?
die Umgestaltung der Wirt-
Wen Ne k " dnktiven Arbeit. Wir brau-
schafts- es Aufgabe aller über die Wirt-
Organe Sozialpolitik des Reiches wachenden
hindern "'/ iercs Abstnken der Löhne zu ver-
^sserez' R^,,^^f ^iosigkeit entgegenzuwirken, ein
h"zuswlw>; ^"nis zwischen Löhnen und Preisen
^>e Arbei^an Kard inalpunkt, nachdem
> > r Sanierung der Währung infolge
der unermeßlichen Ausgaben für den Ruhrkampf so
langsam sortschrettet. Aber es bedarf rascher und
wirksamer Hilfe.
Denn es ist ja nicht LebensmittelWan-
g e l, der die Not verursacht. Reiche Ernte ber-
gen die Scheunen der Landwirte, die Brotversor-
gung, soweit das Reich in Frage kommt, erscheint
für einige Zeit zweifelsfrei sichergestellt, die Käufe
der Reichsgetreidestelle werden fortgesetzt. Aber di«
Gefahr, daß das Volk bei vollen Scheunen
hungert, besteht nicht mehr als ferne Bedrohung,
sie ist durch die Preisentwicklung der letzten Zett in
ein akutes Stadium gerückt.
Darum mutz zugleich mit dem Streben nach
Währungsgesundung die Wirtschaftspolitik
Mittel und Wege suchen, die gewaltige Kluft zwi-
schen Löhnen und Preisen zu überbrücken.
Daneben bleibt unsere Forderung, daß alles zu«
Beseitigung der Währungsnoi getan
werden soll, bestehen. Eine rücksichtslose Bereini-
gung der Reichsfinanzen durch Erschließung
neuer Steuereinnahmen und Einschrän-
kung der Ausgaben ist dazu Vorbedingung. Die
heimuungslose Tätigkeit der Notenpresse mutz unter
allen Umständen gebremst werden. Sie schasst die
ungeheure Menge papierner Geldzeichen, die aus dem
Wege über Warenveraeiler und Banken der Speku-
lation zerfließen, zerschlägt die Kauflraft der Be-
völkerung, indem sie dem Sachwcrtbefttzer ungeheure
Vorteile zuschanzt und alle Papiermark-Sklaven mit
der Jnflattonssteuer belastet, jener unsicht-
baren Steuer, die weder in Prozenten oder festen
Sätzen, noch auch von Steuerbehörden erhoben wird,
sondern erst erkennbar ist, wenn der Lohnempfänger
merkt, daß sein Wochenlohn in Warenwerten plötz-
lich auf einen Bruchteil des erhofften Arbeitsertrags
zusammsngeschrmnpft ist. Die Umgestaltung
des Krcditverkehrs auf Goldbasis ist im Gang« und
damit eine weitere Quelle der Bereicherung der
Reichen am Versiegen. Das wertbeständige
Zahlungsmittel wird zu einem dringenden
Erfordernis schon deshalb, weil derUnfugdes
Multiplikatorsystems nicht lange mehr
vom Volke ertragen wird. Die Nerven des Volkes
ertragen die Sprünge der Mark nicht, die sich vor-
gestern und gestern früh scheinbar wieder mal bes-
serte, um dann gleich wieder zu fallen. Eine Wirk-
liche wertbeständige Währung — keine nach Helffe-
richs Plänen, ist hierzu dringend nötig.
Voraussetzung jeglich« Besserung ist jedoch
schleunigster Abbruch des R uhrkrieges, der
jetzt endlich, wie sich ans allen Anzeichen zu ergeben
scheinen, in die Wege geleitet wird. Nur durch Ver-
st ä n d t g u n g mit Frankreich wird die Mög-
lichkeit der Rückkehr zu besseren Verhältnissen auch
im I n n e r n geschaffen; nicht aber durch die wahn-
sinnige Putfchpolitik der Kommunisten, die unser
Elend nur vermehrt und neuesUnhell schafft.
Internationale Lage.
Konferenz bei Poineare.
Paris, 21. Sept. Gestern abend sand bei
Poincarü eine zweistündige R uh r ko nf erenz
statt, der Marschall Foch, Finanzminister Lasteh -
rie, der Minister für öffentliche Arbeiten LeTro -
q u « r, der rheinische Oberkommissar Tirard und
der elsässische Abgeordnete Oberkirch beiwohn-
ten. Es wurden kant „Matin" alle Fragen durch-
besprochen, die sich >n dem Augenblick ergeben wür-
den, in dem der passive Widerstand sein End« findet.
Paris, 21. Sept. Baldwin ist gestern nach-
mittag nach London abgereist.
Stinnes kehrt zurück.
H a mburg, 21. Sept. Es ist sehr bemerkens-
wert, daß Hugo Stinnes, der seit Beginn der
Ruhrbesetzuug den Hauplsitz seiner Geschäfte ans dem
Ruhrgebiet nach Hamburg verlegt hatte, wo er be-
kanntlich grobe Interessen besitzt, jetzt wieder den
Sitz seines Hauptbetriebs offiziell in das
Ruhr gebiet zurückverlegt.
Der zusammenbrechende passive
Widerstand.
Koblenz, 21. Sept. Die Oberpostdirek-
tion in Koblenz teilt mit, daß auf wiederholtes
Drängen der Koblenzer Bevölkerung,
der Handelskammer wie auch der Stadtverwaltung,
anderseits auch unter dem Druck der Rhein-
land k o m m i s s io n Verhandlungen Mit der
Rheinsandkommission wegen der Aufnahme des Post-
dienstes stattgesunden haben, die jetzt zu einem Ab-
schlUtz gelangt sind. Bei diesen Verhandlungen
wurden folgende Vereinbarungen getroffen: '
1. Die Oberpostdirektton ist verei t, de» Dienst
wieder aufzunehmen und stellt die Post- und Tele-
graphenbeamten wieder in de« Dienst «in.
2. Der Telephon- und TelegraphsnbchrUd wird
nach den Instruktionen der Rh einlandkommisston
wieder ausgenommen unter der gemätz dem
Rheinlaudabkommen der Rheinlandkommissio» zu-
stchendcn Kontrolle.
3. Do« Betrieb wird wieder ausgenommen unter
vorübergehender Duldung von vier un>
bewaffneten französischen Militärtelegra-
phisten zur Ueberwachung und zur Vermeidung
etwaiger Sabotageakte.
In etwa acht Tagen wird der Orts- und Fern-
sprechverkehr wieder in beschränktem Umfange aus-
genommen werden können. Vielleicht könne» auch
schon vereinselte Telegraphenleitungen wieder in
Betrieb genommen werden. Das Wiederinbettiev-
setzen der auswärtigen Telegrophenleitungen wird
noch längere Zeit in Anspruch nehmen.
Mannheim, 20. Sept. Die französischen
Truppen sind vom Mannheimer Schloß bis
auf eine Wache von 30 bis 40 Man« nach Lud-
wigshafen abgezogen. Die Wache ist auf die
einzeliten Zugänge zum Schloß verteilt. Die aus
den Straßen aufgestellten Maschinengewehre
sind ab gebaut worden.
Düs s eldors, 20. Sept. Das Revisionsgericht
hat die von dem am 8. September zum Tode ver-
urteilten Studenten Raabe eingelegte Revision
verworfen.
Paris, 21. Sept. Der „Petit Puristen" mel-
det aus Newyork, daß der deutsche Botschafter
Wiedfeldtsich gestern nach Deutschland ein-
geschifft hat, auf Grund von Instruktionen, die er
vom Reichskanzler Stresemann erhalten hatte.
Paris, 21. Sept. Der Berichterstatter des
„Petit Paristen" in Brüssel dementiert die Nachricht,
wonach Stresemann dem belgischen Außenmini-
sterium ein neues Memorandum zugeschickt
habe. Es sei nur richtig, erklärte der Korrespondent,
daß verschiedene Besprechungen zwischen Stresemanm
und dem belgischen Gesandten in Berlin stattgefun-
dcn hätten.
Paris, 21. Sept. Ein« neue Verordnung der
Rheinlandkommission regelt die Ausgabe von Not-
geld in den besetzten Gebieten.
M StMk ist Mlm.
Berlin, 21. Sept. Der „Sozialdem Pawla-
tnentÄdienst" schreibt uns:
Wqs könnte der RsOerung Stvesismann ange-
nehmer fein; als den Kampf im Westen Deutsch-
lands zu einem Abschluß zu bringen, wie ihn das
«Volk ln den ersten Januartaigen erwartet hat?
Wenn hierzu nicht die Möglichkeit besteht, dann nur
infolge der schamlose« Politik unsere?. Deutschua-
tionalen im Verlaus des Abwehrlampfes. Gerade
deshalb ist die Geduld unseres Volkes, zu bewun-
dern, das tagtäglich ruhig und gelassen immer noch
den deutschnationalen Schwindel über sich ergehen
läßt, obwohl es die Ergebnisse einer praktischen
deutschnationalen Politik, ausgeführt durch den
Reichskanzler Cuno, heute am eigenen Leibe
erfahren Muß. Die Politfl dieses davongejagten Ka-
büvetts richtete sich unter dem starken Einfluß der
Deutschnationalen gegen Volk und Staat. Don jeher
Haden kriegerische .Hstndlutvgen Geld gekostet. Di«
Bereitstellung de« notwendigen Mittel galt deshalb
als Voraussetzung Mr den Sieg jedes begonnenen
Krieges. Den Herren Helsferich und Herat
zu Liebe hat die Regierung der AhnmrgSlos'M, au
der Spitze Herr Cuno, nicht einmal diese Voraus-
setzung zu erfüllen verstanden. Sie zog es vor, das
patriotische Geschrei der Deutschnationälen vom
Durchhalten nm Gotteswillen nicht durch steuerliche
Belastungen, ohne di« der Abwehrkampf in seiner
Wirkung fehlschkagen »rußte, zu stören.
Statt Mittel Mr den Kanips im Wests« zu be-
schaffen, wurdet« die Steuern abgebaut, ver-
nachlässigte mau die Stützungsaktion bis zum end-
gültigen Zusantimenbruch und zahlte die Abwehr
ausschließlich durch Inflation. So wurde be-
lvutzt der Zusammenbruch eines Kampfes vorbereitet,
den insbesondere die Arbeiterschaft mit viel Energie
und Aufopferung geführt hatte. Ihr wie der ge-
samte!« Bevölkerung an der Ruhr wurde der
Dolchstoß zuteil durch eine Regierung!, der
Ahnungslosen, die acht Monate lang in erster Linie
unter Führung d«r Deutschnationalen stand.
Unter dies«« Umstände!« blieb dem neuen Ka-
binett nichts anderes übrig, als von dem Bankerott
des fluchbeladenen Systems Cuno Kenntnis zu neh-
men und den »Versuch zu machen, zu retten, was
noch z« rette« war. Selbst hier mitzuarbeiten, zogen
die Dsutschnationalen einer schamlosen Demagogie
vor. MS die neue Regierung den Versuch machte,
wenigstens die Kosten Mr die letzten Tage des
Ruhrkampfes durch steuerliche Mittel stcherzustellen,
wurde von denselben Deutschnattonalen, die den
Ruhrkamps weiterMhren wollen, zur Steuersa-
botage ausgefordert gegen finanzielle Lasten, de-
nen selbst die veuttchnationale Reichstagsfraktton zn-
gcstiimmt hatte. So mußte unsersn patritotifchen
Maulhelden di« Pflicht zum SteuerMflen gegeu-
übev dem Staat durchgesetzlich«« Zwang von
ver neuen Regierung beigebracht werden. Dieses
Gesetz wird unseren Nachfahren ewig als Beweis
dafür dienen, wer im Jahre 1923 die Abwehrfront
am der Rüh r erdolcht hat.
Mir sind auch gewiß, daß sich die Reichsregierung
insbesondere in ihrer Außenpolitik von den deutsch-
nationalen Katastrophenpolitikern nicht in ein
anderes Fahrwasser drängen läßt. Die Zeit
zu Experimenten ist zu ernst, wir müsse«
auf schnellstem Weg« zur Lösung des Ruhr-
konfliktes kommen. Deshalb betrachten wir es zu-
nächst als die Aufgabe der Reichsregierung, in Pa-
ris ausdrücklich nochmals wißen zu lassen, daß wir
den passive« Widerstand aufgeven werden, wenn
Frankreich gewillt ist, nach dieser Werzichtleistung die
Aus gewiesenen in ihre Heimat zurückzulassen»
die Verhafteten sreizugeben und so die Mög-
lichkeit zu einer allgemeinen Wiederaufnahme der
Produktion zu schassen. Auf dieser Basis, die wir
schon vor Monaten als VerhaindlungSgrnndlage ge-
fordert haben, kam« «ine vorläufige Verständigung,
die eine Rückkehr zur Produktion im Westen ermög-
licht, -erzielt werden. Mer selbst, wen« das nicht
de« Fall sein sollte, muß sich die Reichsregierung
Kar dmriiber sein, was die S1 unde geschlagen
hat. Es ist dann ihre Aufgabe, das jetzt noch be-
stehende Hindernis zu Verhandlungen auf irgeird-
eine Art aus dein Wege zu schassen. Hierzu die Vor-
bepeitnngen zu treffsm ist trotz alle« Zwischenver-
hcmdlungsn jetzt schon nottvendig.
Die Lage im Reich.
Der Zusammentritt des Reichstages.
Berlin, 21. Sept. Ms Beginn der
Reichstagsverhandlungen soll der ist
Aussicht genommen« Tevmin des 26. September
beibehalten werden. In -er ersten Sitzung
soll zunächst über die Frage der Gehaltszah-
lung s w e i s e Mr die Beamten verhandelt werden.
Die außenpolitische Aussprache soll jedoch
nicht in der Vollsitzung, sondern im Auswärti-
gen Ausschuß stattfinden. Wenn der Ausschuß
Zusammentritt, soll nicht in der ersten Vollsitzung,
sondern in ve>« ersten Sitzung des Aeltestenrats ent-
schieden werden. Ov sich spärer noch die Vollsitzung
mit den Fragen der auswärtigen Politik beschäftigen
wird, steht noch nicht fest.
Eine Lektion an die Devisenschieber
* H e td e lb e r g, 22. September.
In den letzten Tagen siel der Dollar ra-
tz i d, ohne daß völlige Klarheit über die Ursache die-
ses Fa,es von etwa 200 Millionen auf 100 Millto-
neu auf 100 Millionen bestand. Nun erfolgt die
Aufklärung, über die uns unser Berliner O-
Mitarbeiter wie folgt schreibt:
Di« DonnerStagbörse brachte dadurch eine groß«
Ueberrafchung, daß die Anforderung an
den Devisen- und Notenmarkt mit Aus-
nahme der Auszahlung Paris, diemtt 5 0 Pro -
zent zugeteilt wurde, voll flefriedigt worden
ist. Mit dieser neuen Maßnahme hat das Finanz-
ministerinm mit dem System der Repartierungen,
das die Nachfrage nach ausländischen Zahlrmgsmit-
teln künstlich aufbauschte und die Kurse, da
ein entsprechendes Angebot aber nicht vorlag, immer
Wiede« steigerte, gebrochen. Seit langem wurden
durchschnittlich 8 und selten übe« 10 Prozent züge-
let«. Um nun den wirklichen Bedarf zu befriedigen,
ineldete jeder möglichst viel an. Das war bei aller
Geldknappheit möglich, weil sich die meisten Banken
nicht an die Abmachung gehalirn Haven, Aufträge
auf Devisen nur gegen Barzahlung entgegenzuneh-
nun. Noch während -der amtlichen Notierungen er-
folgten -am Donnerstag beträchtliche Abgaben -cs
a-ngemeldeten und zugeteilten Materials. Dos ist
ein Zeichen dafür, daß die Aufträge zum Teil rein
spekulativ waren und daß sich die Auftraggeber
bei voller Zuteilung eben überkaust hatten nnd
in di« Üble Lage versetzt wurden, unter allen Um-
ständen Geld flüssig zu machen. Es ist Sache -eS
Devisenkommissars, diese Vorgänge genau zu un-
ter s u ch e n und sich die in Frage kommenden L-ute
näher anzusehen.
Die neu« Taktik des Finanzministers wird na'ür-
ltch viel Geld kosten. Sie ist aber ein Aus-
weg den Devisen- und Notenmarkt zum Teil von
seinem künstlichen Druck zu befreien. Leider brachte
sie jedoch keinen dauernden Erfolg, wie die neuesten
Kursmeldungen zeigen, die ein erneutes Steigen
des Dollars Sekunden.
Entlarvung der thüringischen
Kommunisten.
Aus Weiniar Wird uns geschrieben:
Am Donnerstag nachmittag wurden die am Mon-
tag zwischen der K.P.D. und der V.S.P.D. begonne-
nen Verhandlung über die Regierungs-
bildung in Thüringen fortgesetzt. Vor Be-
ginn der Verhandlungen gaben die Kommuni-
sten eine Erklärung ab. In der sie von der
V.S.P.D. die völlige Unterwerfung unter
die kommunistischen Bedingungen fordern, an-
dernfalls sie für die Landtagsauflö-
sung stimmen würden. In der Erklärung, die ifl
ihrem ersten Teil insofern einen Rechtfertigungs-
versuch Mr die K.P.D. darstelft, als die Schuld sW
Heidelberg, Samstag, den 22. September 1923
5« Jahrgang
; t-1 /E ««»LÄLÄN
MNN»««:Di« ?tn,EM,W MM W^-I k'ch W VM DN Wz tzW ZW WM W FÄ tz°ft!ch.R°n.°«°rl-r«H.Nr.L2S77.
A^-Raum«Sm«br.)Ml.MAX», 4M/ Ws MA MM WU S-h-iU MM MM IM AM MM Lel.-Adr^VolkszettAngH-wclbcr«.
«»,^warr,geM.!SM00. Reklame. MR VM^ZM ULM. MM. -M MR MM Drucku.Berlagderllnterbadtsme»
Ureigen (71 mn>br.)M.40üÜi)vv, für M MW WM EE MiMkAMÄ M-Md WtzAtM'-M Bcrlagsanpalt E.m.b.H., Heidel.
b»?°"igeM.S(>ocvM.BciWtcder. V MDLf MM M MU HWD^ iWjM LÄN MMDWtW berg.Eefchaflsstelle:Echröderstr.!»
Ölungen Nachlaß nach Tarif. W?» U Mff Tek ExpcdstlonEu.Redak.E
^ges-ZklkW U Ske NkMWk MZlferimg Ser Amtsbezirke Melbers, WlerlsS, ßisrbelm, Errvlngeo, Keröch, Msbach, Vulhes, MelsbeN, Norberg, LgllSerbWossbeim u. Wetthel«
Zer K»l bks rWks.
* H e i d e lv er g, 22. SeptMber.
Die politischen nnd sozialen Zustände spitzen sich
.Mich mehr und mehr zu. Infolge des Ruhr-
a mpfe s, der jeden Tag viele Billionen ver-
entwertet sich die Mark von Tag zu Tag.
schnell steigen die Preise für Levensmittel
und tägliche Bedarfsartikel. Lohn und Gehalt
Leiben immer weiter im Rückstand gegenüber
"u Kosten der Lebenshaltung. In den breitesten
Erzschichten herrscht eine Stimmung, die zwischen
Kathie nnd Verzweiflung, Fatalismus und Wut
E und her schwankt. Es gärt, weil der Hunger
Urgt. Dieser Tage trat an dieser Stelle der ADGB.
E Behauptung entgegen, das; die Löhne die
.^iedensgoldlöhne überschritten hätten. Es ist
E l i m m genug, daß eine solche Entgegnung
'"whaupt notwendig wurde angesichts der Tatsache,
derjenige Lohn, der am Samstag als Friedens-
wldlohn erschien, am Montag bereits durch den
^iärksturz um 45 Prozent entwertet war. So sehr
käst -che Preisschraube. Und gerade die zur Fristung
E>es noch so kargen Daseins notwendigen Lebens-
uliltel, wie Margarine, Schmalz, Eier, von dem
^üxusarlikel Fleisch gar nicht zu reden, schnellen von
E« zu Tag in die Höhe. Will man denn am grü-
Tisch, wo man den Hunger mit einem papiernen
^dex mißt und die Löhne an „Protesten", welche
/.'u bezahlten Unternchmershndici auf Akkord ge-
'esert werden, den Ernst der Lage nicht erkennen?
man nicht, daß die Zahl der Volksgenossen,
.,'E'e der T a r i sl o h n nu r au f d e m P a p i er
^"l, weil er infolge Beschäftigungsman-
. s nicht erzielt werden kann, täglich wächst und
E 'v heute in die vielen Hunderttausende geht? Wo
E EZ Arbeilsministerium, das nicht erst abwartet,
, di - Erbitterung wieder Wetter emporlodert, sow>
seinerseits auf eine Ausgestaltung des
E h n shstems hindrängt und es den Goldpreisen
: ' Industrie in beschleunigter Weise anzupassen
lUcht 8
r . Diejenigen, die im sicheren Hafen goldenen Sach-
tzes sich an den Wellen der Teuerung Vergnügen,
'"Uen freilich nicht, worum es jetzt geht. Als ob
E nichts vorgsfallen sei, erhebt jetzt die agrarische
Deutsche Tageszeitung" die alte Unternehmers»»
rriing nach erhöhterArbeitsletstnng. Ge-
w,»/ ^^öhte Leistung im Interesse steigender Pro-
E'tivil unter Aufrechterhaltung des sozialen, im
,'btstundeutag sanktionierten Schutzes wollen auch
Aber diejenige Grenze der Lebenshaltung,
1 -ierhalb deren eine Steigerung der Arbeitsleistung
' unöglich ist, ist jetzt in vielen Berufen bereits un-
' schritten. Dem Hungernden, jeder Hoffnung
' i bessere Beschäftigung und Entlohnung Beraub-
ist die Arbeit kein Bedürfnis seiner Persönltch-
w,!' Ub nicht „was den Menschen zieret", wie es
E Dichter nannte, sie ist ihm Verdruß, widerliche
° n, zur Entstörung hemusfordernde Schmach.
. solchen Menschen die Arbeitsleistung zu steigern,
bllwöglich. Man Mutz ihnen den Glaubenan
Wert ihrer Arbeit, an den Zweck ihres
an die Aufrechterhaltung ihrer Familie wie-
i^kvbeu. Erst dann und nur dann wird es mög-
- freudigen Dienst zu erzielen, wo heute ver«
^'Üene Fron geleistet Wird.
' i'-ie Vorbedingungen zu schaffen, ist der Ka«
s. ialismus außerstande. Aber er ist im-
l,.d e, wie die Lebenshaltung der deutschen Ar-
s, ! "schäft vor dem Kriege und diejenige der Ar-
Er ^chkft im Ausland noch heute zeigt, bessere
"Bedingungen auch dem Arbeitsmann zu
slm-E sie heute, in der Zeit der korrupten Jn-
wnswtrtschaft, der Valutagewinne und der
U entstanden sind. Wir haben heute eine»
d»r. " " V * taltsmus, der in krankhafter Angst
st» tschaftlich Produktiver Leistung an Sschwer-
der ,, St, ohne mehr nach den Menschen zu fragen,
ter» , er die Fabriktove vor arbeitswilligen Arbei-
de" '^"eß, anstatt mit dem Verkauf eines Teiles
den ^gehamsterten Rohstoffe, Devisen und Effekten
zu intensiverer, billigerer Produktion zu
der E. Unbesorgt nm die Gefahr, die der Zerfall
die rnn'ü seinem eigenen Besitz bringt, flieht er
Boir? N und vernichtet die Existenzgrundlage des
„.^sucht er sich der Steuerleistuug zu entziehen.
Est nicht zu verkennen, daß das Elend
tz a 'wlanids eine Folge -er internationalen
8 e i / Aber vor der Frage, ob der Besitz alles
Ncilcii » diese Entwicklung der internatio-
^iuen^^b verhindern, als diese eingetreten war,
"uw TE an der genieinsamen Last zu tragen, Weitz
andere Antwort, als das Nein. Ent-
Newr, " meisten von kapitalistischer Seile zur
Währung gemachten Vorschläge das
wer,""dnis, daß eine Erfassung der Sach-
Verfb^,"dtwendig sei, nachdem man früher die
"üd nnw^s.^^s Gedankens mit gemeinem Spott
Wir Widerstand bekämpft hat?
die Umgestaltung der Wirt-
Wen Ne k " dnktiven Arbeit. Wir brau-
schafts- es Aufgabe aller über die Wirt-
Organe Sozialpolitik des Reiches wachenden
hindern "'/ iercs Abstnken der Löhne zu ver-
^sserez' R^,,^^f ^iosigkeit entgegenzuwirken, ein
h"zuswlw>; ^"nis zwischen Löhnen und Preisen
^>e Arbei^an Kard inalpunkt, nachdem
> > r Sanierung der Währung infolge
der unermeßlichen Ausgaben für den Ruhrkampf so
langsam sortschrettet. Aber es bedarf rascher und
wirksamer Hilfe.
Denn es ist ja nicht LebensmittelWan-
g e l, der die Not verursacht. Reiche Ernte ber-
gen die Scheunen der Landwirte, die Brotversor-
gung, soweit das Reich in Frage kommt, erscheint
für einige Zeit zweifelsfrei sichergestellt, die Käufe
der Reichsgetreidestelle werden fortgesetzt. Aber di«
Gefahr, daß das Volk bei vollen Scheunen
hungert, besteht nicht mehr als ferne Bedrohung,
sie ist durch die Preisentwicklung der letzten Zett in
ein akutes Stadium gerückt.
Darum mutz zugleich mit dem Streben nach
Währungsgesundung die Wirtschaftspolitik
Mittel und Wege suchen, die gewaltige Kluft zwi-
schen Löhnen und Preisen zu überbrücken.
Daneben bleibt unsere Forderung, daß alles zu«
Beseitigung der Währungsnoi getan
werden soll, bestehen. Eine rücksichtslose Bereini-
gung der Reichsfinanzen durch Erschließung
neuer Steuereinnahmen und Einschrän-
kung der Ausgaben ist dazu Vorbedingung. Die
heimuungslose Tätigkeit der Notenpresse mutz unter
allen Umständen gebremst werden. Sie schasst die
ungeheure Menge papierner Geldzeichen, die aus dem
Wege über Warenveraeiler und Banken der Speku-
lation zerfließen, zerschlägt die Kauflraft der Be-
völkerung, indem sie dem Sachwcrtbefttzer ungeheure
Vorteile zuschanzt und alle Papiermark-Sklaven mit
der Jnflattonssteuer belastet, jener unsicht-
baren Steuer, die weder in Prozenten oder festen
Sätzen, noch auch von Steuerbehörden erhoben wird,
sondern erst erkennbar ist, wenn der Lohnempfänger
merkt, daß sein Wochenlohn in Warenwerten plötz-
lich auf einen Bruchteil des erhofften Arbeitsertrags
zusammsngeschrmnpft ist. Die Umgestaltung
des Krcditverkehrs auf Goldbasis ist im Gang« und
damit eine weitere Quelle der Bereicherung der
Reichen am Versiegen. Das wertbeständige
Zahlungsmittel wird zu einem dringenden
Erfordernis schon deshalb, weil derUnfugdes
Multiplikatorsystems nicht lange mehr
vom Volke ertragen wird. Die Nerven des Volkes
ertragen die Sprünge der Mark nicht, die sich vor-
gestern und gestern früh scheinbar wieder mal bes-
serte, um dann gleich wieder zu fallen. Eine Wirk-
liche wertbeständige Währung — keine nach Helffe-
richs Plänen, ist hierzu dringend nötig.
Voraussetzung jeglich« Besserung ist jedoch
schleunigster Abbruch des R uhrkrieges, der
jetzt endlich, wie sich ans allen Anzeichen zu ergeben
scheinen, in die Wege geleitet wird. Nur durch Ver-
st ä n d t g u n g mit Frankreich wird die Mög-
lichkeit der Rückkehr zu besseren Verhältnissen auch
im I n n e r n geschaffen; nicht aber durch die wahn-
sinnige Putfchpolitik der Kommunisten, die unser
Elend nur vermehrt und neuesUnhell schafft.
Internationale Lage.
Konferenz bei Poineare.
Paris, 21. Sept. Gestern abend sand bei
Poincarü eine zweistündige R uh r ko nf erenz
statt, der Marschall Foch, Finanzminister Lasteh -
rie, der Minister für öffentliche Arbeiten LeTro -
q u « r, der rheinische Oberkommissar Tirard und
der elsässische Abgeordnete Oberkirch beiwohn-
ten. Es wurden kant „Matin" alle Fragen durch-
besprochen, die sich >n dem Augenblick ergeben wür-
den, in dem der passive Widerstand sein End« findet.
Paris, 21. Sept. Baldwin ist gestern nach-
mittag nach London abgereist.
Stinnes kehrt zurück.
H a mburg, 21. Sept. Es ist sehr bemerkens-
wert, daß Hugo Stinnes, der seit Beginn der
Ruhrbesetzuug den Hauplsitz seiner Geschäfte ans dem
Ruhrgebiet nach Hamburg verlegt hatte, wo er be-
kanntlich grobe Interessen besitzt, jetzt wieder den
Sitz seines Hauptbetriebs offiziell in das
Ruhr gebiet zurückverlegt.
Der zusammenbrechende passive
Widerstand.
Koblenz, 21. Sept. Die Oberpostdirek-
tion in Koblenz teilt mit, daß auf wiederholtes
Drängen der Koblenzer Bevölkerung,
der Handelskammer wie auch der Stadtverwaltung,
anderseits auch unter dem Druck der Rhein-
land k o m m i s s io n Verhandlungen Mit der
Rheinsandkommission wegen der Aufnahme des Post-
dienstes stattgesunden haben, die jetzt zu einem Ab-
schlUtz gelangt sind. Bei diesen Verhandlungen
wurden folgende Vereinbarungen getroffen: '
1. Die Oberpostdirektton ist verei t, de» Dienst
wieder aufzunehmen und stellt die Post- und Tele-
graphenbeamten wieder in de« Dienst «in.
2. Der Telephon- und TelegraphsnbchrUd wird
nach den Instruktionen der Rh einlandkommisston
wieder ausgenommen unter der gemätz dem
Rheinlaudabkommen der Rheinlandkommissio» zu-
stchendcn Kontrolle.
3. Do« Betrieb wird wieder ausgenommen unter
vorübergehender Duldung von vier un>
bewaffneten französischen Militärtelegra-
phisten zur Ueberwachung und zur Vermeidung
etwaiger Sabotageakte.
In etwa acht Tagen wird der Orts- und Fern-
sprechverkehr wieder in beschränktem Umfange aus-
genommen werden können. Vielleicht könne» auch
schon vereinselte Telegraphenleitungen wieder in
Betrieb genommen werden. Das Wiederinbettiev-
setzen der auswärtigen Telegrophenleitungen wird
noch längere Zeit in Anspruch nehmen.
Mannheim, 20. Sept. Die französischen
Truppen sind vom Mannheimer Schloß bis
auf eine Wache von 30 bis 40 Man« nach Lud-
wigshafen abgezogen. Die Wache ist auf die
einzeliten Zugänge zum Schloß verteilt. Die aus
den Straßen aufgestellten Maschinengewehre
sind ab gebaut worden.
Düs s eldors, 20. Sept. Das Revisionsgericht
hat die von dem am 8. September zum Tode ver-
urteilten Studenten Raabe eingelegte Revision
verworfen.
Paris, 21. Sept. Der „Petit Puristen" mel-
det aus Newyork, daß der deutsche Botschafter
Wiedfeldtsich gestern nach Deutschland ein-
geschifft hat, auf Grund von Instruktionen, die er
vom Reichskanzler Stresemann erhalten hatte.
Paris, 21. Sept. Der Berichterstatter des
„Petit Paristen" in Brüssel dementiert die Nachricht,
wonach Stresemann dem belgischen Außenmini-
sterium ein neues Memorandum zugeschickt
habe. Es sei nur richtig, erklärte der Korrespondent,
daß verschiedene Besprechungen zwischen Stresemanm
und dem belgischen Gesandten in Berlin stattgefun-
dcn hätten.
Paris, 21. Sept. Ein« neue Verordnung der
Rheinlandkommission regelt die Ausgabe von Not-
geld in den besetzten Gebieten.
M StMk ist Mlm.
Berlin, 21. Sept. Der „Sozialdem Pawla-
tnentÄdienst" schreibt uns:
Wqs könnte der RsOerung Stvesismann ange-
nehmer fein; als den Kampf im Westen Deutsch-
lands zu einem Abschluß zu bringen, wie ihn das
«Volk ln den ersten Januartaigen erwartet hat?
Wenn hierzu nicht die Möglichkeit besteht, dann nur
infolge der schamlose« Politik unsere?. Deutschua-
tionalen im Verlaus des Abwehrlampfes. Gerade
deshalb ist die Geduld unseres Volkes, zu bewun-
dern, das tagtäglich ruhig und gelassen immer noch
den deutschnationalen Schwindel über sich ergehen
läßt, obwohl es die Ergebnisse einer praktischen
deutschnationalen Politik, ausgeführt durch den
Reichskanzler Cuno, heute am eigenen Leibe
erfahren Muß. Die Politfl dieses davongejagten Ka-
büvetts richtete sich unter dem starken Einfluß der
Deutschnationalen gegen Volk und Staat. Don jeher
Haden kriegerische .Hstndlutvgen Geld gekostet. Di«
Bereitstellung de« notwendigen Mittel galt deshalb
als Voraussetzung Mr den Sieg jedes begonnenen
Krieges. Den Herren Helsferich und Herat
zu Liebe hat die Regierung der AhnmrgSlos'M, au
der Spitze Herr Cuno, nicht einmal diese Voraus-
setzung zu erfüllen verstanden. Sie zog es vor, das
patriotische Geschrei der Deutschnationälen vom
Durchhalten nm Gotteswillen nicht durch steuerliche
Belastungen, ohne di« der Abwehrkampf in seiner
Wirkung fehlschkagen »rußte, zu stören.
Statt Mittel Mr den Kanips im Wests« zu be-
schaffen, wurdet« die Steuern abgebaut, ver-
nachlässigte mau die Stützungsaktion bis zum end-
gültigen Zusantimenbruch und zahlte die Abwehr
ausschließlich durch Inflation. So wurde be-
lvutzt der Zusammenbruch eines Kampfes vorbereitet,
den insbesondere die Arbeiterschaft mit viel Energie
und Aufopferung geführt hatte. Ihr wie der ge-
samte!« Bevölkerung an der Ruhr wurde der
Dolchstoß zuteil durch eine Regierung!, der
Ahnungslosen, die acht Monate lang in erster Linie
unter Führung d«r Deutschnationalen stand.
Unter dies«« Umstände!« blieb dem neuen Ka-
binett nichts anderes übrig, als von dem Bankerott
des fluchbeladenen Systems Cuno Kenntnis zu neh-
men und den »Versuch zu machen, zu retten, was
noch z« rette« war. Selbst hier mitzuarbeiten, zogen
die Dsutschnationalen einer schamlosen Demagogie
vor. MS die neue Regierung den Versuch machte,
wenigstens die Kosten Mr die letzten Tage des
Ruhrkampfes durch steuerliche Mittel stcherzustellen,
wurde von denselben Deutschnattonalen, die den
Ruhrkamps weiterMhren wollen, zur Steuersa-
botage ausgefordert gegen finanzielle Lasten, de-
nen selbst die veuttchnationale Reichstagsfraktton zn-
gcstiimmt hatte. So mußte unsersn patritotifchen
Maulhelden di« Pflicht zum SteuerMflen gegeu-
übev dem Staat durchgesetzlich«« Zwang von
ver neuen Regierung beigebracht werden. Dieses
Gesetz wird unseren Nachfahren ewig als Beweis
dafür dienen, wer im Jahre 1923 die Abwehrfront
am der Rüh r erdolcht hat.
Mir sind auch gewiß, daß sich die Reichsregierung
insbesondere in ihrer Außenpolitik von den deutsch-
nationalen Katastrophenpolitikern nicht in ein
anderes Fahrwasser drängen läßt. Die Zeit
zu Experimenten ist zu ernst, wir müsse«
auf schnellstem Weg« zur Lösung des Ruhr-
konfliktes kommen. Deshalb betrachten wir es zu-
nächst als die Aufgabe der Reichsregierung, in Pa-
ris ausdrücklich nochmals wißen zu lassen, daß wir
den passive« Widerstand aufgeven werden, wenn
Frankreich gewillt ist, nach dieser Werzichtleistung die
Aus gewiesenen in ihre Heimat zurückzulassen»
die Verhafteten sreizugeben und so die Mög-
lichkeit zu einer allgemeinen Wiederaufnahme der
Produktion zu schassen. Auf dieser Basis, die wir
schon vor Monaten als VerhaindlungSgrnndlage ge-
fordert haben, kam« «ine vorläufige Verständigung,
die eine Rückkehr zur Produktion im Westen ermög-
licht, -erzielt werden. Mer selbst, wen« das nicht
de« Fall sein sollte, muß sich die Reichsregierung
Kar dmriiber sein, was die S1 unde geschlagen
hat. Es ist dann ihre Aufgabe, das jetzt noch be-
stehende Hindernis zu Verhandlungen auf irgeird-
eine Art aus dein Wege zu schassen. Hierzu die Vor-
bepeitnngen zu treffsm ist trotz alle« Zwischenver-
hcmdlungsn jetzt schon nottvendig.
Die Lage im Reich.
Der Zusammentritt des Reichstages.
Berlin, 21. Sept. Ms Beginn der
Reichstagsverhandlungen soll der ist
Aussicht genommen« Tevmin des 26. September
beibehalten werden. In -er ersten Sitzung
soll zunächst über die Frage der Gehaltszah-
lung s w e i s e Mr die Beamten verhandelt werden.
Die außenpolitische Aussprache soll jedoch
nicht in der Vollsitzung, sondern im Auswärti-
gen Ausschuß stattfinden. Wenn der Ausschuß
Zusammentritt, soll nicht in der ersten Vollsitzung,
sondern in ve>« ersten Sitzung des Aeltestenrats ent-
schieden werden. Ov sich spärer noch die Vollsitzung
mit den Fragen der auswärtigen Politik beschäftigen
wird, steht noch nicht fest.
Eine Lektion an die Devisenschieber
* H e td e lb e r g, 22. September.
In den letzten Tagen siel der Dollar ra-
tz i d, ohne daß völlige Klarheit über die Ursache die-
ses Fa,es von etwa 200 Millionen auf 100 Millto-
neu auf 100 Millionen bestand. Nun erfolgt die
Aufklärung, über die uns unser Berliner O-
Mitarbeiter wie folgt schreibt:
Di« DonnerStagbörse brachte dadurch eine groß«
Ueberrafchung, daß die Anforderung an
den Devisen- und Notenmarkt mit Aus-
nahme der Auszahlung Paris, diemtt 5 0 Pro -
zent zugeteilt wurde, voll flefriedigt worden
ist. Mit dieser neuen Maßnahme hat das Finanz-
ministerinm mit dem System der Repartierungen,
das die Nachfrage nach ausländischen Zahlrmgsmit-
teln künstlich aufbauschte und die Kurse, da
ein entsprechendes Angebot aber nicht vorlag, immer
Wiede« steigerte, gebrochen. Seit langem wurden
durchschnittlich 8 und selten übe« 10 Prozent züge-
let«. Um nun den wirklichen Bedarf zu befriedigen,
ineldete jeder möglichst viel an. Das war bei aller
Geldknappheit möglich, weil sich die meisten Banken
nicht an die Abmachung gehalirn Haven, Aufträge
auf Devisen nur gegen Barzahlung entgegenzuneh-
nun. Noch während -der amtlichen Notierungen er-
folgten -am Donnerstag beträchtliche Abgaben -cs
a-ngemeldeten und zugeteilten Materials. Dos ist
ein Zeichen dafür, daß die Aufträge zum Teil rein
spekulativ waren und daß sich die Auftraggeber
bei voller Zuteilung eben überkaust hatten nnd
in di« Üble Lage versetzt wurden, unter allen Um-
ständen Geld flüssig zu machen. Es ist Sache -eS
Devisenkommissars, diese Vorgänge genau zu un-
ter s u ch e n und sich die in Frage kommenden L-ute
näher anzusehen.
Die neu« Taktik des Finanzministers wird na'ür-
ltch viel Geld kosten. Sie ist aber ein Aus-
weg den Devisen- und Notenmarkt zum Teil von
seinem künstlichen Druck zu befreien. Leider brachte
sie jedoch keinen dauernden Erfolg, wie die neuesten
Kursmeldungen zeigen, die ein erneutes Steigen
des Dollars Sekunden.
Entlarvung der thüringischen
Kommunisten.
Aus Weiniar Wird uns geschrieben:
Am Donnerstag nachmittag wurden die am Mon-
tag zwischen der K.P.D. und der V.S.P.D. begonne-
nen Verhandlung über die Regierungs-
bildung in Thüringen fortgesetzt. Vor Be-
ginn der Verhandlungen gaben die Kommuni-
sten eine Erklärung ab. In der sie von der
V.S.P.D. die völlige Unterwerfung unter
die kommunistischen Bedingungen fordern, an-
dernfalls sie für die Landtagsauflö-
sung stimmen würden. In der Erklärung, die ifl
ihrem ersten Teil insofern einen Rechtfertigungs-
versuch Mr die K.P.D. darstelft, als die Schuld sW