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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (September bis Dezember)

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Nr. 281 - Nr. 290 (3. Dezember - 13. Dezember)
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Wird die ZpMchEöftmg nicht zm Sanierung
de -r Reich § finanzen Msse'NlHt, dann ist «Les
verloren. Ist damit, säst einen Monat nach Still-
legung der einen! und Ingangsetzung der anderen
Notenpresse, ein ernsthafter Anfang gemacht wor-
den? Auster dem Beginn dos mechanischen Hinaus-
wurfs von Hunderttausend en Beamten und Ange-
stellten, außer der Erhöhung der Steuern auf einige
MchsenverstMrchsartikel ist nach Älter, lü-sber Ge-
wohnheit nichts geschehen. Denn die Stenerverord-
nung Luthers, die in einigen Tagen in Kraft treten
dürfte, wird kaum den Anspruch auf «ine tatsächliche
Finanzreform erhoben wollen. Sie bedeute zwar
eine kleine Verbesserung gegenüber dem jetzigen auf-
reizenden Z-uftand der nahezu völligen Steuerfreiheit
des Besitzes, aber gegenüber den — freilich nie ver-
wirklichten — Grundgedanken der Erzberger-
schen Steuerreform einen gewaltigen
RUckschrirt. Und mit diesem Rotbart will man
Deutschland retten?
Wird es gelingen, das sehr wahüscheinliche L o ch
im Etat auf dem einzigen Wege, der dann noch
bleibt, mit ehrlichen, gut fundierten, langfristigen
Anleihen zu stopfen? Wird man aber dem pumpon,
der zu schwach ist, feine Außenstände ei »zu-t reiben?
Oder werden daun die Goldnotpressen in
Rotation gesetzt werden?
Die einzige kleine Hoffnung, die Wir noch halben,
heißt Schacht. Er must Wachen. Mer auch er ist
kein Buddha mit Hundort Angen und hundert Hält-
den. - Er mutz wachen, datz nicht die Hochflut neuer
Inflation über uns hercinbricht. . . . Wenn aber
Helfferich Reichsba nkvrästdeirr wird, wird er
(dies mrr nebenbei) die Gelegenheit nicht unbenutzt
lasset!, feiner Monunvental-N oteninflatton eine eben-
so Markige Kredttinflation nachzuschicken.
Dann beim Retchsbankprästdenten liegt di« Be-
gebung der Rentenmarkkredite an die
Privatwirtschaft, die kurz vor der Eröffnung steht.
Wird auf diesem Wege auch die zweite Hälfte des
NontenmarkkotÄingents so rasch in die Wirtschaft ge-
leitet, wie die erste — und die Unternehmer verstehen
sich ja auf die bewegtesten Jeremiadcn über ihre
Lage, dann . . . wird eS bald wieder einmal „zwölf
Uhr" sein. Nur in Bibelwundern pflegen Todkranke
»mverfchens an-fz»stehen, ihr Bett zu nehmen und
heim,zugehen. Jetzt geht es erst uni Tod und Leben.
Die Finanzen find unser Schicksal. AVer niemand
warnt, niemand treibt an, niemand malt die Gefah-
ren schwärzer als schwarz. Und doch gleicht unser
Weg jenem Marsch des Reiters über den
Bodensee. Nur das dünne Eis der Renten-
mark trägt und hält uns Über der bodentofen Tiefe.
AVer wir wissen nicht, ob es bis ans andere Ufer
reicht.

Die Lage im Ausland.
Um das Kabinett Baldwin.
Loirdon, 1V. Dez. Das Schicksal des Kabinetts
Baldwin ist immer noch ungewiß. Wählend er nach
der einen Meldung nicht zurücktreten soll, um nicht
die Gefahr eines Kabinetts Macdo-nal-d herbeizu--
fiihr-cn, hat er nach der anderen Meldung bereits
sein Rticktrittsgesnch eingeroich!. Offenbar! sind die
Konservativen durch die Möglichleit einer Koalition
zwischen Arbeiterpartei und Liberalen bcumiruhigt,
wie sic von der Mcra'.en Presse cmpfohln wird, wo-
bei die Blätter der Richtung Asquiths mehr zu den-
len sch.'in.'m daß die Liberalen regieren sollen, wiih-
rerdd.m d e „Chroniete" es vorzöge, wenn die Ar-
beit ' »Partei, gestützt auf die Liberalen, amtierte. Lord
Hg!vem-r erklärte in einem Interview, es wäre ein
Irrtum, ang«nehmen, eine Regierung der Liberalen
uns ter Arbeiterpartei bedeute einen Bruch mit
Frankreich.
L o n don, 10. Dez. „Evemf-ng Standard" be-
kruptct, ans bester Quelle feststellen zu können, daß
Ramfev Maedonatd bereit fei, wenn er
e,/<N!sc»>derr werd«, die Regio >,uig z» bilden und
tzdigtich die Bekämpfung der Arbeits-
kofi g le i > in den Bordergrmrd der Politik zu
f eben, so daß den L tbcralen zunächst keine Hand
d. occ-c - Sabonr gegeben wäre.
London, 10. Dez. Der A-ibeitsmi-nister Sir
Mo»! ,gne Barlow ur d den Landwirtschaflsmini-
fi, - S',r Rriert Sanders, die bei den Wahlen
s:t.k ae n. ml-vce-z beben ihre Demission ein-

gereicht. Baldwin hat fie «ber »»sucht, vorläufig ihr»
Armier heiz»ch«halten.

Ro m, 10. Dez. Di« Regierung hat heute den
sofortigen Schluß der Parlamentssession
angeovdnet, offenbar als Vorspiel zur Auslösung
der Kammer und Neuwahlen, die für nächstes
Frühjahr zu erwarten find.
Sofia, 10. Doz. Die neue SoSranje
wurde in Anwesenheit des gesamten diplomatischen
Korps vom König feierlich eröffnet. Der König
verlas die Thronrede, in der es u. a. heißt: Dte
äußere Politik erstrebe hauptsächlich eine gewis-
senhafte Beobachtung der Friedensverträge und
die Herstellung von Beziehungen guter Nachbar-
schaft.
London, 10. Dez. Nach Meldungen aus Me-
xiko Haven die Rebellen in Veracruz eine provi-
sorische Regierung eingesetzt. Ferner wurde
di« Stadt La-uutillo von den Rebellen «jnaenomm«.
Parts, 9. Dez. Wie der Newvork Hevald aus
Washington berichtet, wird Coolidg« demnächst
offiziell seine Kandidatur zu« Präsident-
schaftswahl -aufftellen.

Aus der Partei.
Eine süddeutsche Länderkonferenz
In Würzburg tagte am Samstag eine fo -
zialdemokratischeParteikonferenz.die
von dein bayerische» Landesausschuß und der
bähe rischen Lmidtagsflcktttou einb-erufen, außerdem
aus Baden, Württemberg und Hessen, er-
frerillich zahlreich beschickt war. Sie wies insgesamt
48 Teilnchurer auf, und zwar 13 aus Baden, 23 aus
Bayern, 9 aus Württemberg, 3 aus Hessen, darunter
13 Mitglieder des Reichstags, 35 do» drei Landtage
(die zum Teil auch der» Reichstag angehören), 2 vom
Parteivorstand in Berlin, 2 aktive Minister.
. Die Gegenstände der Tagesordnung waren hoch-
aktuelle: di« Lage in Bayern sowiedte Rhein-
lau d f r a g c. Die einleitenden Referate gaben der
bayerische Landtagsavgeordnete Endres und "der
badische Minister Remmele. Es schloß sich daran
e»ne längere, auf einem erfreulich hohen politischen
Niveau flöhenden Aussprache, an der sich Ver-
treter aller vier Länder beteiligte», und die, indem
sie die zur Diskussion stehende» Fragen vom Ge-
sichtspunkt aller vier Länder beleuchtete, wenn auch
nicht zu einer völligen Klärung führte, so doch We-
sentliches dazu beitrug, das Verständnis für
alle diese großen Fragen zu fördern und gewisse ge-
meinsame Politisch« und taktische Richtlinien für dte
nächste Zukunft vorzubereiten. Der badische Haupt-
referent, Gen. Remmel«, faßte nach etwa 4stün-
diger Dauer das Ergebnis der Tagung dahin zusaub-
meu, der Sozialdemokratischen Partei in den vier
süddeutschen Länder» erwachse jetzt die Aufgabe, in
dauernden! Benehmen miteinander die einschlägigen
gemeinsamen Fragen weiter zu erörtmm und diese
grötzen, Probleme nun auch vor das Forum der
weiteren Oesfenllichleit zu bringen.

Soziale Rundschau.
Er ist alt geworden.
Von der Bezirksleitung des Deutsche» Etfenbah-
ucr-verbandes wird uns geschrieben:
Die täglichen, spätherbstlicheu Nebelschwaden zei-
gen den nahen Eintritt des Winters an. Wir leben
im Dezember, kurz vor dem Feste vom „Frieden auf
Erde» und den Mensche» ein Wohlgefallen". Ist es
so? — Nein!
Niedere, unzureichende Löhne und Gehälter,
Kurzarbeit, völlig« Arbeitslosigkeit, damit verbunden
Hunger und Krankheit, das ist das Los großer Ar-
beitnehnlerschichteu, entstanden durch die Wirtschasts-
iabotage des „friedlichen und notleidenden" Kapi-
tals.. Es ist eine im-r zu bittere Wahrheit, wenn der
sckweizerische Professor Dr. Bovat ausführte:
„Im Weltkriege hat man der Arbeiterschaft

viel, sehr viel Versprechungen gemacht. Main! hatte
sie dringend nötig. Wie hat mau ihnen da in der
Presse, den Versammlungen und Behörden zuge-
rusen: „Wir werden es nie vergessen, datz wir
alle Brüder find!"
Diese Versprechungen find wie «tngehalten wor-
den. Vom brüderlichen Sinn gegenüber der Ar-
beiterklasse ist wenig mehr zu verspüren."
Bet Entbehrung und Hunger Haven sie dte „Al-
ten" — um die handelt es sich — beim Staat nicht
nur ein, sondern »Wei, drei, vier Dezennien von Jah-
ren bei wahrlich kargem Lohn treue Arbeit verrich-
tet. Jetzt, kurz vor dem Christfest, da kommt der Va-
ter Staat, das RDM. Berlin, der Staat, „der sorgt
bis ins hohe Alter" und kündigt den über 05 Jahren
alten Arbeitern. Die Entlassung der über 60 Jahre
alten Arbeiter ist in Aussicht gestellt. So glaubt das
Reichsvevtehrsministeriunl den Dank den alten Ar-
beiterveteranen nach dem Motto aussprechen zu sol-
len: „der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der
Mohr kann gehen".
Ist es wirklich wahr, wird die breite Oefsent-lich-
kett fragen? Cs ist leider so. Männer, svelche Wohl
alt und ergraut sind, deren Rücken durch jahrzehnte
lang geleistete harte Arbeit etwas gekrümmt wurde,
sie sollen dafür den Dank irr Form der: Entlassung
auf Jahresfchluß erhalten. ES ist kaum zu glauben
und doch ist es so. Nicht einmal der brutalste rück-
ständigste Kapitalist wird seinen Arbeitern, von wel-
chen er so viele Jahre zweifellos nur Nutzen gezogen
hat, den Eselstritt versetzen.
Renten werden sie ja erhallen, das wtifd auch
vielfach in der Oefsentlichkett angenommen werden.
Ja, sie erhalten Rente. Slber in welcher Höhe? Sie
reicht nicht aus, um muh nur einige Brote im Mo-
nat kaufen zu können. Diese armen Teufel, welche
in ihrem Leben nichts kannten, als für dm Staat zu
arbeiten, sie sollen entweder der Armenbehärde oder
den, Hungertod pretsgegeven werden.
Gewiß, die Reichsbahn ist auch von den wirt-
schaftlichen Fieberschauern erfaßt worden Die Al-
ten, die Verdientesten, die Unschuldigsten an dieser
Wirtschaftskatastrophe, die solle» nun zur Sanionung
das Opfer bringen.
Sllle sozialdenkenden Menschen, hoffen wir dies
auch van dm Reichs- und Ländcrb «Hörden, werden
ein solches Vorgehen nicht nur nicht verstehen, son-
dern aus deren Aenderung hlnarvoiten. Alle müssen
ihre Stimmen zum flammenden Protest gegen die
Entlassungen dieser Männer erheben.
Daß dieser gedachte „Vaterla-ndsdank" nicht ge-
geben Wird, die allen Arbeiter nicht die Opfer der
Finanzkatastrophe darstellen müssen, so lange sie ar-
beitsfähig sind, nicht unter das große „Reinemachen"
fallen, das soll der Zweck dies«« Zeilen fein.
Ehret die Arbeit und das Alter. Sch.
Vom Kohlenbergbau.
Wiederaufnahme der Arbeit. — Der Hrrrrn-
standpunlt.
Am Donnerstag fanden Verhandlungen zwischen
Vertretern des Handelsmimstertrmrs, der Gaub-en-
vcrwaltungm und der Betriebsräte der staatlich«»
Zechen statt, die zu der Vereinbarung führten, daß
an, Montag, dein« 10. Dezember die Arbeit aus den
staatlichen Gruben im Ruhrgebiet im vollen Umfang
Wieder ausgenommen wird. Entlassungen sollen
nicht erfolgen! Die Arbeiter werden wieder einge-
stellt, bis auf einen geringen Teil der Koksarbeiter,
Vic vorläufig noch der Erwerbsloseufürsorige über-
lassen bleibe» müssen, weil die Koksöfen noch nicht
im Betrieb sind. Die Vereinbarungen stehen im er-
freulichen Gegensatz zu denk Bestreben der preußischen
Zochenbesitzer, bei der Arbeitsaufnahme einen sehr
orhoblichen Teil der Arbeiter auszuschalten.
Mm Mittwoch und Donnerstag fanden aus Ein-
ladung des Reichsarbettsniintsteriums Verhaudlun-
gm zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern des
Bergbaues statt, um über tariflich geregelte Uebcr-
mbett in da» unbesetzten Steiukohlmgebietm zu be-
raten. Di« Arbeitnehmer find bekanntlich gnund-
Wtzlich bereit, solche Ncber-arbeit zu leisten, wenn sie
wirtschaftlich notwendig ist und die notwendigen
Vorbedingungen erfüllt sind. In den letzten Tagen
haben aber die BergbannMcrnchmer di« bostehcnden
Mantel- und Lohntarife für den gesamten: deutschen
Bergbau gekündigt. Sie Haven damit eine Lage ge-
schaffen, die es den Gewerkschaften unmöglich macht,
übe« die Arbettszeitfrage allein zu verhandeln. Die

Unternehmer erklärten sich zwar bereit, di« Künd!
guiig der Verträge für den Angenblick zurüctzuueh
men, behielten sich aber vor, sie jederzeit auch wäh-
rend der Geltung eines Ueberarb-ei-t-sabko-mmens wie
der neu auszusprechen. Außerdem wurde!» von der
Unternehmern drei weitere Forderungen, die ein,
Wesentliche Verschlechterung des bisherigen tariist
liehen Zustandes bedeuten würden, gestellt. Unteij
diesen Umständen mußten die Gewerkschaften di«
Verhandlungen über die Arbeitszeitverlängerung
ablehnen. Dte Unternehmer erklärten, datz sie nun
auch nicht in Verhandlungen Mer dte Lohnregelrmg
für diese Woche eintreten könnten. Die Vertret«« von
Sachsen und Schlesien erklärten außerdem, daß sie
auch die tn der vorigen Woche vereinbarten Löhne
nicht in der vorgesehenen Höhe zahlen würden. Das
Verhalten der Arbeitgeber und das sehr eigentüm-
liche Verhalte» des ReichsarbeUsministeriums liegt
sicher nicht im wohlverstandenen Interesse unserer
Wirtschaft. Diese Haltung muß zu Konflikten füh-
ren, die das Wirtschaftsleben aufs schwerste bedro-
hen.
Die Arbeitszeit der Beamten.
Berlin, 10. Dez. Im Reichsmiuistertum des
Inner» werden heute die Besprechungen mit den
Bcamteuorgauifationen über die -geplante Verlänge-
rung der Arbeitszeit sortgeführt. Den Wünschen der
Beamten füa die Durchführung der Bestimmungen
will die Regierung anscheinend einiges Entgegen-
kommen zeigen; an der Heraufsetzung der Arbeits-
zeit selbst hält sie jedoch unbedingt fest. Di« neuen
Bestimmungen sollen zunächst auf die Dauer von
drei Jahr«» in Geltung bleiben und später nötigen-
falls verlängert werden.
Bei den letzten Beratungen hat die Regierung d«u
Beamtenvertredern das Zugeständnis gemacht, »,«
Berlin und Hamburg neunstündig« Arbeitszeit e«i-u-
z»führen. Im übrigen Reich soll die Arbeitszeit ge-
teilt werden, wobei im allgemeinen vormittags fünf
und nachmittags vier Stunden Dienst zu leisten
wären. Gegen diese Arbeitsteilung wenden sich die
Beamten besonders wegen ihrer dwnstverläugerMen
Wirkung. Slber auch sonst st«hen die Organisationen
der Arbeitszeit ablehnend gegenüber, weil die durch-
aus unbefriedigende Gchaltsregelung eine Mehr-
arbeit in keiner Weise abgelte. Sollte eine Verein-
barung nicht auf gütlichem Wege mögt ich sein, jo ist
di« Regierung entschlossen, die neue Arbettszcittege-
lung tm Verorduungswcge durchzuführen.
Verordnungen auf wirtschaftlichem
und finanziellem Gebiet.
Berlin, 10. Dez. Mit einer Reihe von Ver-
ordnungen auf wirtschaftlichem und Man-zielkem Ge-
biet, die auf Grund des neu«« Ermächtigungsgesetzes
tn aller Kürze erlassen werden sollen, wird sich heute
nachmittag «tue Kabtnettssttznng befassen. Auch die
Fragen, die sich aus den Neuregelung der
Beamtenbesoldung und aus der bevorstehen-
den Regelung der A rb e t 1 s z «tt für die Beamten
ergeben, dürften in den Kreis der Erörterungen gr-
zogen werden Ob über das Projekt der Mietzis s^
steuer imten Abänderung »es beftehenben Reickw
mietongesetzes schon tn den nächsten Tagen Beschluß
gefaßt werden kau«, ist noch UNG Witz.
Die 3. Rate der Rhein-Ruhrabgabe.
Berlin, 10. Dez. Durch Verordnung des
Reichspräsidenten vom 7. Dezember 1923 ist bestimmt
worden, daß der dritte Teilbetrag dem Rhein-Ruhr,
Abgabe, der an sich erst am 5. Januar 1924 fällig
gewesen wäre, vereAS am 18. Dezember 1923 zu ent-
richten tft.
Die Umsatzsteuer Wird durch di« gleiche Verord-
mmg mit rückwirkende Kraft vom 1. Nove,Mer 1923
ab mrf Goldman «mgeftellt.
Post- und Telegraphenstreu in
Oesterreich.
Wi«n, 10. Dez. Heute morgen hat in ganz
Oesterreich ein Streik der Post, Telegraphie und des
Aollbetriebs eingesetzt. Der Kern der Streitfrage ist,
ob dis Besoldung der Bnvdesbeamtem wie di« Re-
gierun-g verlangt, durch NationwlratSbeschluß oder
durch Verhandlungen der Regierung mit den Be-
cmvte »-Organisationen zu löse» sei. Die finanzielle
Differenz tritt demgegenüber tn den Hintergrund.

n

Wie erstaunte das Fräulein-, als ihr aus dem
Kästchen ei» Paar goldene, reich mit Juwelen be-
setzte Armbänder und eben ein solcher Halsschmuck
aMgegensunkelten. Sie nahm das Geschmeide her-
aus, -und indem sie die wundervolle Arbeit des
Halsschmucks lobte, beäugeltc die Martiniere die
reiclnn Armbänder und rief ein Mal Mer bas an-
dere, daß ja selbst di« eitle Mon-iesp-an nicht solchen

ivonl großer Verfolgung errettet. Als Beweis un-! entgegen, die, ganz außer sich selbst, kaum imstande,
feier Dankbarkeit nehmet gütig diesen Schmuck an. flch ausrechtzuerhalten, nur schnell den Lehnsessel zu
Es ist das Kostbarste, was wir fett langer Zeit ha-Erreichen suchte, -den ihr die Marquise hinschob,
ben auftretven können, wiewohl Euch, würdige Endlich des Wortes wieder mäattig, erzählte das
Daune! viel schöneres Geschmeide zieren sollte, als j Fräulein, Welche tiefe, nicht zu verschmerzende
dieses nun oben ist. Wir bitten, daß Ihr uns Eure Kränkung ihr jener unbedachtsame Scherz, mit denk
Freundschaft und Euer huldvolles Andenken nicht! sie die Snpvlik der gefährdeten Liebhaber beant-
entziehen möget. Wörter, zug-ezogen habe. Die Marauise, nachdem
Die Unsichtbaren." sie alles von Moment zu Moment erfahren, urteilte,
„Ist es möglich", ries die Scuderi,'als sie sich daß die Scudcri sich das sonderbare Ereignis viel
einigermaßen erholt hatte, „ist «s möglich, daß man
die schamlose Frechheit, dem verruchten Hohn so wett
treibe» kann?" — Die Sonne schien hell durch die

zu sehr zu Herzen nehme, daß der Hob» verruchten
Gesindels nie ein frommes edles Gemüt treffen
__ ... ...könne, und verlangte zuletzt den Schmuck zu sehen.
Fcnstcrgardinen von hochroter Seide, und so Vamj Die Scuderi gab ihr das geöffnete Kästchen,
es, hass die Brillanten, welche auf dem Tische neben'und die Marquise konnte sich, als sie das köstliche
»»«ch-" »-2"- -**«ch-— ""f-! Geschmeide erblickte, des laute» Ausrufs der Ber-
blitzten. Hinblicken» verhüllte die Sc-udcri voll wunderung «nicht erwehren. Sie nahm den Hals-
-Entsetzen das Gefickt und befahl der MEiMre, - schmuck, die Armbänder heraus und trat «damit au
das fürchterliche Geschmeide, an dem das Blut der das. Fenster, wo sie bald die Juwelen an der Sonne
-Ermordeten klebe, augenblicklich sortzuschafsen. Die
: Martiniere, nachdem sie Halsschmuck und Armbän-
der sogleich in das Kästchen verschlossen, meinte, das;
es wohl am geratensten sein würde, die Juwelen
dem Polizeiminister zu übergeben und ihm zu ver-
trauen, wie sich alles mit der beängstigenden Er-
scheinung des jungen Meuschau und der Einhändi-
gung -des Kästchens zugetragen.
Die Scuderi stand auf und schritt schweigend
langsam Im Zirntner aus und nieder, als sinne sie
erst nach, was nun zu tun sei. Dann befahl sie dem
Baptist«, einen Tragsefsel zu holen, der Marti-nihre
aber, sie anzuikleidm, weil sie auf der Stelle hin
wolle zur Marquise Mainteno.
Sie ließ sich hintragen zur Marauise gerade zu
der Stunde, wenn diese, wie die Scuderi wußte, sich
allein in Ären Zimmern befand. Das Kästchen
Mit den Juwelen nahm sie mit sich.
Wohl «nutzte die Marquise sich hoch verwundern,
als sie-das Fräulein, sonst die Würde, ja trotz ihrer
hohen Jahre Vie Liebenswürdigkeit, die Anmut
selbst, eintretcu sah, blaß, entstellt, mit wankenden .
Schritten „Was nm alle» HeMgen Wille» ist Eucl, Tücke nnd Bosheit bringen können. Q .
Widerfahren?"- rief sie der armen, veänasteten Dame Cardillac war in s-ciner Kunst der Geschickteste nicht

spielen ließ, bald die zierliche Goldarbeit ganz nahe
vor die Augen hielt, um nur recht zu «erschauen, mit
'welcher wundervollen Kunst jedes kleine Häkchen
der verschlungenen Kelten gearbeitet war.
Auf «-inmnl wandte sich -die Marauise rasch um
nach dun Fräulein, daß dies« Armbänder, diesen
Halsschmuck r--ig'«namd gearbeitet haben 'kann als
Reich E-ard-illVe?" — Rerch Lavdillac war damals
der geschickteste Goldarbeiter in Paris, einer der
!kunstreinsten und zugleich sonderbarsten Menschen
!seiner Zett. Eher klein a-ls groß, aber breitschultrig
^nnd Von starkem, mnsknlöstm Körperbau, hatte
Cardillac, hoch in die fünfziger Jahre vorgerückt-
noch die Kraft, di« Beweglichkeit des Jünglings.
Von dieser Kraft, die ungewöhnlich zu nennen,
zeugte auch das dicke, krause- rötliche Hanptliaar
mrd das gedrungene gleißende Antlitz. Wäre Car-
!dillac nicht in ganz Paris als der rechtlichste Ehren-
mann, -uneigennützig, offen, ohne Hintervalt, stet?
!zu helfen bereit, bekannt gewesen, sein ganz beson-
derer Blick «aus kleinen, tiefliegenden, grün funkeln-
den Augen hätte ihn in den Verdacht heimliche^
Wie gesagt.

von Kindheit an-, darf dann mich das Verbrechen
Les teuflischen Bündnisses.zeihen?"
Das Fräulein hielt das Schnupftuch vor di«
Augen und weinte »nd schluchzte heftig, -so daß die
MartiUitzra und Baptiste ganz verwirrt und beklom-
men nicht wußten, wie ihrer guten Herrschaft bei-
stchen in ihrem großen Schmerz.
Die Martiniere hatte den vechäMittSvollen Zet-
tel von der Erde aufgehoben. Auf demselben
stand:
„Un Miaut qui cralnt les voleurs
n'sst Point Ligne d'amour."
Eeuer scharfsinniger Geist, hochgeehrte Dame,
Knie, al? das Fräulein nun an einen hervor-mm- hat uns, «die wir an der Schwäche -und Feigheit das
jun stählernen Knopf drückte und der Decke! des Recht des Stärkern üben und »ns Schätze zuetgneit,
Kästchens mit GeräyW «Mvrana, -die auf unwürdige Weise vergeudet werden sollten,

Erzirhiukn au t«m Zeitalter Ludwig XIV.
Lo» E. T. A. Hoffman n.
(4 Fort), tzgng.) -
re - e . Greuel Nr Zeit schilderte nun die Mar- >vere, oay ia iei«o>n v«e.em« Mouresp-an n«yr Wichen
. w. ->«,!cn- Farven, als sie am an- Schmuck besitze.
. n ihrem Jräuiei» erzählte, was sich in z „Aber was soll das, was hat das zu bedeuten?"
.. .t zngrtragen, und übergab ihr zitternd>sprach die Scuderi. In dem Augenblick gewahrte
- a. ,cin.n!2dotlc Kästchen. Sowohl!sie auf dem» Boden des Kästchens einen kleinen zu-
i >c, L..! ganz verblaßt in der Ecke stand jfainmeugefalteten Zettel. Mit Recht hoffte sie den
gst v- Beklommenheit die Nachtmütze-Ausschluß des Gc-heim-msses darin zu finden. Der
c-n knetend kW» sprechen konn-le, baten Zettel, kaum hatte sie, was er «enthielt, gelesen, ent«. . _ .
r auf das wchinütigste um all-er Hoil-tgcn! fiel Shve-n zitternden HLMe»». Sie w-arf einen fpre-dem Kästchen lagen, in rötlichem Schimmer auf-
tmr mit möglichster Behutsamkeit das lchenden Blick zum Himmel nnd sank dann wie halb
öfsnr». Tie Sender», das verschlossene-chmnächiig in den Lehnstuhl zurück. Erschrocken
n der Hand wiegend und prüfend, sprach sprang die Martiniere, sprang Baptist« ihr bei. „O",
hr seht beide Gespenster! — Daß ich'rief sie nun mit von Tränen halb erstickter Sti-m-
...gt reich bin, daß bei mir kein« -Schätze, eines«me, „o der Kränkung, o der tiefen Beschämung!
Mordes wert, zu holen sind, das wissen die der-1Muß mir das noch geschehen tm hghen Alter! Hab
ruchien Meuchelmörder da -draußen, hie, wie Ihr ich denn im törichten Leichtsinn gefrevelt wie ein
selbst sagt, das Innerste der Häuser er-spä'hc-n, w-chl junges, unbesonnenes Ding? — O Gott, sind Worte,
ebensogut als ich und Ihr. Ans m-e-in Leben soll es!halb im Schmerz hingeworfen, solcher gräßlichen
abgesehen sei»? Wem kann was an dem Tobe!Deutung fähig! — Darf dann mich, die ich der
liege» einer Person von dreiuNdsidhzig Jahren, die-Tugend getreu und der Frömmigkeit tadellos blieb
niemals andere Verfolgte als die Bösewichter- nnd''— .----- -----
Friedensstörer in den Romanen, die sic selbst schuf,
hie mittelmäßige Verse macht, welche niemandes
Neid erregen können, die nichts hinterlassen wird
als den Staat des alten Fräuleins, das bisweilen
am den Hof ging, und ein paar Dutzend gut ein-
gebundene Bücher mit vergoldetem Schnitt! Und du,
M-artinitzre! du magst die Erscheinung des fremden
Menschen so schreckhaft beschreiben, wie du willst,
poch kann ich nicht glauben, datz er Böses im Sinne
gerrazcn Alio! —"
Die MartiEre prallt« drei Schritte zurück,
Bapliste sank «mit einem dmrvpfen Ach! halb in die
 
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