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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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2. Heft
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Feldhaus, Franz Maria: Griechisch-römische Geschütze
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0075

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2. HEFT

FRANZ M. FELDHAUS, GRIECHISCH-RÖMISCHE GESCHÜTZE

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sind verweht, und wir können nunmehr vorwärts-
schreiten auf festem und ebenem Boden. Bei
den Schiefsproben vor dem Statthalter von Elsafs-
Lothringen (7. Mai 1904) und dann vor dem
Kaiser (am 16. Juni) erzielte das Flachbahn - Ge-
schütz (Abb. 2, Euthytonon) 369,5 m; die verwen-
deten 88 cm langen Pfeile durchschlugen einen
eisenbeschlagenen 30 mm starken Schild so, dafs
der Pfeil auf seine halbe Länge (44 cm) den
Schild durchdrang, also den Schildträger aufser
Gefecht gesetzt haben würde. — Das Steilbahn-
Geschütz (Abb. 1, Palintonon) warf eine zwei-
pfündige Steinkugel auf 184 m, und eine ein-
pfündige Bleikugel auf 300 m.
Als Professor Chr. Hülsen in Rom im
Herbste 1904 die Abbildungen der Schrammschen
Rekonstruktionen sah, besann er sich sofort auf ein
Relief auf dem Grabstein eines römischen Soldaten,
das bisher wenig beachtet worden war, weil man
es nicht zu deuten wufste (Abb. 3). Man hatte
es meistens für ein Türschlofs, zuletzt für ein
Nivellierinstrument gehalten, ohne etwas rechtes
damit anfangen zu können. Es ist aber, wie jetzt
ganz klar wurde, ein antikes Geschütz, und das
pafst auch ausgezeichnet auf den Grabstein des
Verstorbenen, der von der Pike auf dienend es
zuletzt bis zum „Zeughauptmann“ (architectus
armamentarii) in der kaiserlichen Artilleriewerk-
statt, dem noch erhaltenen Prätorium vor der
Porta Pia in Rom, gebracht hatte. Die Inschrift
auf der Vorderseite des Grabdenkmales, das im
Jahre 1826 auf der GräberstrafsederViaNomentana
ausgegraben wurde und jetzt im Vatikanischen
Museum aufgestellt ist, lautet: „C. Vedennius
Moderatus, Sohn des Gajus, von der Tribus Quirina,
aus Antium gebürtig, diente 10 Jahre in der
.16. gallischen Legion, wurde dann in die 9. Prä-
torianerkohorte versetzt und nach achtjähriger
Dienstzeit ehrenvoll entlassen; danach wurde er
Militärbeamter und Architekt im kaiserlichen


Abb. 5. Luft- oder Erzspanner.
Zeughaus und mit militärischen Auszeichnungen
von den Kaisern Vespasian und Domitian be-
dacht“ —- der Schlufs der Inschrift fehlt2). Auf
der rechten Nebenseite ist ein einfaches Winkel-

*) W. Amelung, Skulpturen des Vatikanischen Museums,
Rom (Gail. Lapid. 128) 1903, I, 257.

mafs dargestellt, auf der linken aber das erwähnte
Geschütz. Dieser Fund ist darum von besonderer
Wichtigkeit, weil die genauere Untersuchung
ergeben hat, dafs die Zeichnung mit zuverlässiger
Treue ein Abbild des wirklichen Geschützes
wiedergibt, das die gleichartigen Darstellungen


auf dem pergamenischen Relief von Pergamon
(jetzt in Berlin) und auf der Trajanssäule an Ge-
nauigkeit weit übertrifft. Und das ist sehr natür-
lich, weil offenbar der Verstorbene selbst, der
mit Zirkel und Lineal wohl umzugehen verstand,
die Zeichnung für sein Denkmal angefertigt hat;
wie es ja bei den Römern Brauch war, bei Leb-
zeiten für die würdige Ausschmückung des eigenen
Grabes Sorge zu tragen. Wir besitzen nun also
seit der Wiederentdeckung des Grabsteines des
Vedennius ein getreues Abbild eines römischen
Geschützes aus dem Jahre 100 n. Chr.; und wenn
das Relief auch in der langen Zeit etwas beschädigt
und die genau gezeichnete Vorlage von dem un-
geschickten Steinmetzen nicht mit der gehörigen
Sorgfalt wiedergegeben ist, so sind doch die
dadurch entstandenen Fehler und Lücken leicht
zu erkennen und leicht zu verbessern. In einem
Aufsatz „Geschütze auf antiken Reliefs“, der in
die Römischen Mitteilungen des deutschen archäo-
logischen Instituts (1905, S. 166) aufgenommen
ist, hat Schneider nachgewiesen, dafs dieses Relief
wahrscheinlich ein schweres Geschütz (Palintonon)
darstellt. Jedoch ist diese Deutung unsicher;
wir müssen auf die bestimmte Entscheidung ver-
zichten, bis das ganze Material aus den Reliefs,
den handschriftlichen Bildern und den Texten
zusammengebracht und gesichtet ist.
Weiter ist auf dem griechischen Relief von
Pergamon8) aus dem zweiten Jahrhunderte
v. Chr., das sich jetzt in Berlin befindet, ein
leichteres Geschütz (Euthytonon) mit Hilfe der
Beschreibung eines fast gleichzeitigen Technikers
erkannt (Abb. 4). Ganz apderer Art sind die Feld-

3) Altertümer von Pergamon, Berlin 1885, II (Tafeln)
45,1; II(Text)95—127; Mitteil. d. Kaiserl. Deutsch. Archäolog,
Instituts, Rom 1905, XX, 173.
 
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