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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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4. Heft
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Forrer, Robert: Über kombinierte Waffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0118

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98

R. FORRER, ÜBER KOMBINIERTE WAFFEN

V. BAND

Stellung Vorkommen, oder dafs die Waffe
sonstwie mit einem Geräte anderer Zweck-
bestimmung verbunden sei.
Im letzteren, gemilderten Sinne ist der Stock-
degen eine kombinierte Waffe: Spazier- oder
Wanderstock, verbunden mit einem Stofsdegen
(siehe Forrer, Waffensammlung Richard Zschille
Fig. 275). Der ungarische Fokosch ist ein Spa-

schwert, also als eigentliche Waffe diente, als
Nebenzweck aber infolge der über dem Griff-
knauf angebrachten Eisengabelung auch als Ge-
wehrgabel Verwendung finden konnte. Oder ich
erinnere an die fränkischen Knebelspiefse, die
neben ihrem Hauptzwecke als Spiefs infolge des
eisernen Querknebels auch noch als Tragstock für
Waffen und Gepäck gebraucht werden konnten3 4).


Gotischer vierläufiger Schiefsstreitkolben aus der Wende des 14. und 15. Jahrhunderts
(Sammlung Forrer — j/b der Naturgröfse)

zierstock, verschwistert mit einem als Griff an-
gebrachten Streitbeil. Der spanische Pilger-
stab ist ein Wanderstab mit im Innern verborge-
ner, bei Druck hervorschnellender Stofsklinge
(s. Forrer, Zschille Fig. 280). Der Luntenstock
mit Spiefs spitze hält als eiserne Bekrönung
zwar die Lunte, läuft aber in eine Spitze aus
oder trägt im Innern eine Springklinge (s. Forrer,
Zschille Fig. 285), damit der Träger sich des
Luntenstockes im Notfälle auch als Spiefs bedie-
nen könne. Die Gewehrgabel mit Spiefsspitze
dient dem Büchsenschützen als Gewehrgabel, ist
nebenbei zur Not aber auch als Spiefs verwend-
bar1). Das Zirkelstilet ist ein den alten Ge-
schützmeistern dienender Eisenzirkel, innen mit
Kalibermafsen versehen, dessen Oberteil als Dolch-
griff mit Parierstange gebildet ist, so dafs der
Zirkel geschlossen als Stil et dienen konnte2).

Weiter erinnere ich an die schweizerischen
Seitengewehre mit Säge, wo das Seitenge-
wehr in erster Linie als Kurzsäbel und Bajonett
dient, in zweiter Linie infolge der zur Säge aus-
gearbeiteten einen Klingenseite auch als Holzsäge
Verwendung finden kann.
Stärker betont ist der Doppelwaffencharakter
in der Kombination, wie sie viele Linkehand-
dolche bieten. Der Dolch ist hier nicht nur Stofs-
waffe,- sondern auch gewissermafsen Schild, indem
er infolge der angebrachten Fangarme oder der
tiefen Zähnung der einen Seite die feindliche Klinge
aufzuhalten, aufzufangen, womöglich abzubrechen
sucht1). Noch mehr in den italienischen Rund-
schilden mit Stofsklingen, wie Boeheim einen
unter Fig. 201 a und b seiner Waffenkunde ab-
bildet: ein runder Eisenschild des 16. Jahrhunderts
mit Laterne zu Überfällen bei Nacht, mit Degen-


Gotische Schiefsstreitaxt aus der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts
(Schweizer Landesmuseum Zürich — l/o der Naturgröfse)

In den eben genannten Beispielen ist die
Waffe Nebenzweck, mehr nur für den Notfall
am Gerät angebracht.
Es gibt aber auch Fälle mit umgekehrtem
Verhältnis. Ich erinnere an den bei Demmin,
„Kriegswaffen“, S. 958 unter Fig. 42 abgebildeten
Musketengabeldegen vom Anfänge des 17.
Jahrhunderts in der Sammlung des Prinzen Carl
von Preufsen, welcher in erster Linie als Degen-
!) Vgl. die Glockendonsche Handzeichnung, abgebildet
bei Demmin, Kriegswaffen 1891, S. 953, Fig. 29, dazu S. 952.
2) Vgl. Forrer, Waffensammlung Zschille Fig. 433,
Artilleriezirkel aus der zweiten Hälfte des. 16. Jahrhunderts.

brecher, Klingenfängerring und Stofsklinge, um
dergestalt auch die Linke nicht nur zur Abwehr,
sondern auch zum Angriff verwenden zu können.
In die gleiche Kategorie, wenn auch einfacher
in der Nebenausstattung, gehört der hier in Abb. 1
abgebildete italienische Schwertschild des 16.
Jahrhunderts im Dresdner Histor. Museum, dessen
Ende in eine 50 cm lange Schwertklinge ausläuft.
3) Vgl. F orrer, Waffensammlung Richard Zschille Fig.
761 u. 771; Gimbel, Taf. z. G. d. S. u. T. W. Fig. 40 u. 41,
Taf. I; Boeheim, Waffenkunde Fig. 357 bis 359 u. 362.
4) Vgl. Demmin a. a. O. S. 766, Fig. 28 u. S. 768,
Fig. 29 bis 36; Boeheim, Fig.347; Gimbel, Taf.VII, Fig.28.
 
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