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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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5. Heft
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Gohlke, Wilhelm: Nichtmetallische Geschützrohre
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0167

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5. HEFT

W. GOHLKE, NICHTMETALLISCHE GESCHÜTZROHRE

147

Hamburg gekommen sind, von wo das zweite
Stück im Jahre 1897 gegen Tausch in das Zeug-
haus zu Berlin gelangte.
In einem 1675 erschienenen Buche wird be-
zeugt, dafs sie vor diesem Jahre bereits in Ham-
burg waren, und dafs man damals von ihnen
berichtete, ein Kaufmann habe sie dem Senat
verpfändet, die Zinsen der durch das Pfand sicher
gestellten Summe seien aber so hoch gewesen, dafs
die Wiedereinlösung fraglich erscheine. Hiernach
müfsten sie also schon längere Zeit als Pfand
gestanden haben. Ein Reisender berichtet etwa
aus dem Jahre 1660, dafs er in Hamburg schöne
und künstlich ausgearbeitete Kursächsische
Kanonen, welche versetzt wären, gesehen habe,
während er einige Jahre später erzählt, im Bau-
hofsgebäude wären zwei rare und an keinem
Ort von der Welt befindliche lange Falkonette,
von denen jeder gestehen müsse, dafs er der-
gleichen zwo Falkonette niemals wird gesehen
haben.
Ähnlicher Art, abgesehen von der künstleri-
schen Ausführung, die nicht erwähnt wird, waren
wohl die beiden Kanonen aus Kupferblech und
PIolz, von denen Hauptmann M. Meyer in der
Geschichte der Feuerwaffentechnik berichtet, dafs
man sie im Jahre 1746 in Antwerpen gesehen
habe.
Im Arsenal zu Genua befinden sich ebenfalls
kleine Kanonen, die aus hölzernen dicken Dauben
zusammengesetzt und mit Leder überzogen sind.
Über Papiergeschütze berichtet M. Meyer:
1760 erfand ein Mainzer Bürger ein leichtes Ge-
schütz aus Papier; dasselbe schofs Kugeln einer
eigenen Masse auf nahe Entfernungen und hielt
ohne Reinigung bis 100 Schufs aus.
1771 wurden in Douai Geschütze aus Stein-
pappe versucht.
Über Geschütze, die aus Eisblöcken her-
gestellt waren, schreibt derselbe Verfasser:
1740 machte man“) sechspfündige Geschütze
aus Eis; sie hielten einige Schüsse mit 1j4-kugel-
schwerer Ladung Pulver aus, die Kugel zerschlug
auf 48 m Entfernung ein 5,2 cm starkes Brett.
Sehr anspruchslos in Bezug auf Material
sind die sogenannten Erdmörser oder Erd-
würfe, wo die Kammer für die Ladung und
das Gefäfs für die Geschosse in Erde oder in
Fels gesenkt wurden. Von ihrer Verwendung
berichten folgende geschichtliche Daten :
1633 beschiefsen die Schweden Kostnitz aus
einem in Erde gebildeten Geschütz, woraus sie
Steine werfen.

1659 wendet Oberst Gentkant vor Thorn
zwei Erdmörser an und schiefst einen 375 kg
schweren Stein; als Kammer diente eine Petarde.
1669 wirft der Braunschweigische Artillerie-
leutnant Braun vor dem Senat zu Venedig auf
der Insel Diu aus zwei Erdmörsern 19 Granaten
und Steine.
Der Bericht Ernest Brauns in seinem Werke
Novissimum Fundamentum et Praxis Artilleriae,
Dantzig 1687 S. 116 lautet wörtlich: Dergleichen
Erd Mortier als einen mit 20 Granaten so zu-
sammen 19V2 Zentner gewogen und einen mit
Steinen fast eben der Schwere habe ich zuVenedig
auf der Insul Lio (sic!) Anno 1669 den ~ Februar,
auff Befehl Ihrer Hochgräffl: Excellenz des Herrn
General und Graffen Josias von Waldeck Sehl,
zur Probe verfertigen müssen. Nachdem der
gantze Senat von Venedig damahlen auff der
Insul Lio mit mehr als 100 Gundeln unter Be-
gleitung etzlicher 1000 Menschen erscheinen und
drey Regimenter zu Fufs (so von Ihrer Hoch-
fürstlichen Durchl. Durchl. als Hertzog Georg
Wilhelm und Hertzog Ernst Augusten7), der
durchlauchtigten Republik von Venedig zuHülffe
wider den Türken nacher Candia geschicket
worden) besehen hatten und mit einer stattlichen
Salve von den 3 Regimentern begrüfset waren,
mufste ich die beyden Erd-Mortier, welche nach
einem alten Thurm auff 1000 Schritt gerichtet


waren (Fig. 8), abfeuern lassen, welches glücklich
und wohl abging, die Granaten wie auch die

’) In Petersburg.

7) von Braunschweig.
 
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