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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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6. Heft
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Forrer, Robert: Neues Studienmaterial zur mittelalterlichen Bewaffnung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0182

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162

R. FORRER, NEUES STUDIENMATERIAL ZUR MITTELALTERLICHEN BEWAFFNUNG V. BAND

gleichaltriges Dokument vor uns haben, keine
Zweifel bestehen können.
Damit ist uns ein interessantes Bild von der
Kriegsausrüstung eines oberitalienischen Reisigen
aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts ge-
geben.
Wie bei der Dame de Lalata ruhen auch
ihres Herrn Haupt und Füsse auf je einem Kissen,
nur ist ersteres netzartig und mit angelegten
Sternrosetten gemustert. Uns interessiert aber
hier besonders der Helm in Gestalt einer in einen
schwachen Grat auslaufenden Kesselhaube von
unheimlichem Stirnumfang. Würde man diese
Haube irgendwo als Fragment ausgraben, so
würde gar mancher angehende Waffenkenner den
Helmcharakter des Objektes vor einem Areopag
gleich wenig vorgeschrittener Waffenfreunde mit
Erfolg bestreiten können, und es läge dann nahe,
den Helm rettungslos als Wasserkessel erklärt
zu sehen, besonders wenn der Rand beschnitten
oder sonstwie sehr defekt wäre. Der ganz „un-
menschliche“ Durchmesser des Helmes erklärt
sich aber sehr einfach aus der dicken Unter-
lage, dem Kopfpolster, welches man bei diesen
Helmen unterlegte, um den Druck des Helmes
auf den Kopf zu mildern, ein Druck, der ganz
besonders fühlbar werden mufste, wenn der
Gegner seine Schwerthiebe auf den Helm nieder-
sausen liefs. Dazu kommt noch, dafs auch die
vom Helm nicht unmittelbar geschützten Teile
des Kopfes, wie Nacken, Ohren, Wangen und Kinn,
einen Schutz verlangten, der seine Befestigung
nur am Helm bezw. an der unter demselben
sitzenden gepolsterten Lederkappe finden konnte.
Dieser Schutz bestand bald nur aus Leder, bald
aber auch aus Ringpanzergeflecht und oft aus
beidem. Das letztere war nach innen mit Leder
oder Stoff ausgefüttert, um den Schweifs vom Eisen
fern zu halten, so dessen Rosten zu verhindern und
die Haut des Trägers zu schonen, nach aufsen
mit Leder bedeckt, um das Panzergeflecht gegen
Regen und Rost zu schützen. Bei unserm Ritter
Lalata sitzt dieser Hals-, Wangen- und Kinn-
schutz am Helme selbst, woran jener mit Nieten
befestigt worden zu sein scheint. Der Rand
dieser Kapuze oder Gugel dürfte bis ans
Schlüsselbein gereicht haben. Zum weiteren
Schutze des Halses diente ein offen getragener
Kragen aus Ringpanzergeflecht, aufserdem
aber trug der Ritter unter dem ersichtlich le-
dernen, unten ornamental ausgezackten Lentner
ein eigentliches Panzerhemd, dessen kurzeÄrmel
und unterer Rand sichtbar sind. Unter diesem
Panzerhemd trug der Ritter den Plattenhar-
nisch. Sichtbar sind allerdings nur die Arm-
röhren mit den Gelenkkacheln, sowie die Bein-

schienen mit ihrer schon mehrfach geschobenen
Gliederung, und es bleibt fraglich, ob der Ritter
auf Brust und Rücken mit entsprechendem Plat-
tenpanzer gerüstet, oder ob einfach über das
Panzerhemd und unter dem Lentner eine eiserne
Platte festgeschnürt war. Fast möchte man das
letztere vermuten, wenn man die starke Aus-
bauchung des Lentners betrachtet. Dergleichen
„Brust-“ oder „Magenplatten“ kommen ja auch
später noch als Vorschnallstücke vor und ich be-
sitze ein solches aus dem Aostatale, das nur
wenige Jahrzehnte später entstanden sein dürfte.
Die Handschuhe bestehen ersichtlich ebenfalls
aus Eisen, sind mit Lederunterlage und mit
ledernen, eisenbelegten Fingern versehen zu
denken.
Unter den Beinschienen kommt Ringpanzer-
geflecht zum Vorschein, das in Schuhe aus
Eisenschienen endet. Allem Anschein nach
ist die Ringgeflechteinlage einer vollen Schienen-
panzerung zugunsten besserer Beweglichkeit des
Fufsgelenkes vorgezogen worden. Die Schuh-
spitzen sind der Zeit entsprechend noch nicht über-
trieben spitz. Die Sporen zeigen grofse, an
mittellangen Stangen sitzende, siebenzackige Stern-
räder. Die Bewaffnung besteht in Schwert und
Dolch, denen ein mit Metallrosetten beschlagener
Ledergürtel alsTräger dient. Dolch und Schwert
zeigen den Griff anscheinend mit Lederstreifen
umwickelt; beide tragen starke Knäufe, das
Schwert speziell gerippten Birnknauf, und die
durchgehende Griffangel scheint mit einer Zier-
rosette verdeckt zu sein. Die mit metallenem
Mundstück und Stiefel versehene Lederscheide
verhüllt eine kurze breite Klinge, wie solche ge-
rade in Italien lange üblich waren. Die Parier-
stange trägt das Schutzleder und erscheint links
etwas nach der Spitze des Schwertes zu gebogen,
ein interessanter Versuch, den W^ert der Parier-
stange als Hiebauffänger zu erhöhen.
Das ganze Bild zeigt uns einen echten
Kriegsmann, ganz nur fürs ernste Kriegs-
handwerk ausgerüstet, keinen Stutzer in Zier-
rüstung, wie es deren ja auch damals gab — ein
seltenes italienisches Pendant zu den schönen
deutschen Grabdenkmälern mit verwandten Dar-
stellungen von Schwergewappneten.
„Doppelhaken mit eysen schwentzen.“
In dem interessanten Aufsatze von Otto
Mörtzsch, „Kursächsische Artillerie und Heer-
geräte zur Zeit Kurfürst Augusts und unter dessen
Nachfolgern“ in Nr. 1 des V. Bandes dieser Zeit-
schrift zitiert Mörtzsch aus dem von ihm publi-
zierten „Inventarium über des Churfürsten zu
 
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