Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

DOI issue:
6. Heft
DOI article:
Kretschmar, Hans Alfred: Der Tunierteppich im Museum zu Valenciennes
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0187

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6. HEFT

VON KRETSCHMAR, DER TURNIERTEPPICH IM MUSEUM ZU VALENCIENNES

167

zu slahen, solang bis die Grisswärtel die Stangen
unterworfen — allweg zween miteinander“2).
Diese Übereinstimmung der geschichtlichen
Angabe mit der Darstellung auf dem Teppich,
die nachweisliche Anwesenheit des Kurfürsten
Friedrich bei diesen Turnieren, die Möglichkeit,
einzelne der Zuschauer auf der Tribüne z. B.
Philipp den Schönen u. a. nach bekannten und
beglaubigten Bildnissen mit Bestimmtheit fest-
stellen zu können und andere Erwägungen ver-
leihen dem Teppich die Kraft einer geschicht-
lichen Urkunde, die wir an dieser Stelle benutzen
wollen, um die turnierenden Ritter vom waffen-
geschichtlichen Standpunkte aus näher zu be-
trachten.


Abb. i.
Turin, Armeria

Nach den erwähnten Umständen ist anzu-
nehmen, dafs die Darstellung ein Ereignis aus
dem Jahre 1494 betrifft. Dieser Zeit entsprechen
auch die Waffen der Ritter. Es mufs hierzu
darauf hingewiesen werden, dafs gerade in dem
letzten Dezenium des 15. Jahrhunderts die ein-
zelnen Teile der ritterlichen Bekleidung besonders
genau zu bestimmen sind, weil in dieser Zeit
durch den Einflufs des Kaisers Maximilian — des
letzten Ritters — die gesamte ritterliche Tracht
vielfache Änderungen erfährt. Einzelne Waffen-
formen verschwinden, andere treten eben auf, so
dafs das eine oder das andere Stück oft mit
grofser Genauigkeit zeitlich bestimmt werden kann.

2) Georg Spalatins historischer Nachlafs usw.
Herausgegeben von Neudecker u. Preller. Bd. 1. Friedrich
des Weisen Leben usw. Anhang S. 230.

Das soll nun an den einzelnen Stücken nach-
gewiesen werden.
Die Helme sind von der geschlossenen Form,
die sich nach der Mitte des 15. Jahrhunderts ent-
wickelt (vgl. Abb. 1, 2, 3, 4). Sie haben eine
glockenförmige Kappe mit flachem Kamme und
eingezogenem Nackenstück, das bis zum Halse
reicht, zwei seitlich an Riemen oder in Schar-
nieren bewegliche Backenstücke, die beim Auf-
setzen des Helmes geöffnet und sodann vorn am
Kinn geschlossen werden und ein sogenanntes
zweiteiliges Kinnreff bilden. Am unteren Rand
der Backenstücke ist in einer Reihe von Löchern
ein Stück Maschenpanzer befestigt, das die ge-
wohnte Halsbrünne ersetzen sollte. Mit dem


Abb. 2.

reale. B. 19.
Auftreten des Harnischkragens am Beginne des
16. Jahrhunderts verliert sich dieser Maschen-
panzer. Die Helme haben ein quergekehltes, stark
vorspringendes, aufschlächtiges aber absteckbares
Visier, das mit einem beweglichen Stirnstulp an
einer Welle läuft, d. h. sich um denselben Bolzen
dreht. Der Stirnstulp dient zur Verstärkung des
Scheitelstückes und zum Schliefsen des nach oben
offnen Visiers. Der Kamm hat oben Löcher zum
Befestigen des LIelmschmuckes, wie hier an allen
Helmen zu sehen ist. Der Bart ist zum An-
schnallen eingerichtet: das zeigen am deutlichsten
die abgestofsenen Bärte, die am Boden liegen,
mit ihren Riemen und Schnallen.
Um 1500 verschwindet diese Anordnung. Der
geschlossene Helm wird in seiner Zusammen-
setzung wesentlich vereinfacht, der Bart und die
Backenstücke vereinigen sich zum geschlossenen
 
Annotationen