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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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6. Heft
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0213

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190

FACHNOTIZEN

V. BAND

68 erschienen), eine wirklich zähe, fanatische
Anhängerschaft, die ihren höchsten Trumpf aus-
spielte, indem sie die Raupe zum bayerischen Na-
tionalabzeichen erhob, bildete sich merkwürdiger-
weise aber erst nach dem grofsen Kriege von
1870/71. Die Rücksichten auf sie hatten tatsäch-
lich zur Folge, dafs es nach der Neubekleidung der
Armee im Jahre 1873 noch dreizehn Jahre dauerte,
bis der Helmzierat der Spitze auf die bayerischen
Helmkästen wanderte. Heute ist die Raupe ziemlich
in Vergessenheit geraten, nur bei Festzügen wird
sie noch mit Vorliebe hervorgeholt.
Für die Behauptung auf Seite 137, dafs die
bayerischen Garde du Korps-Helme in Paris
gefertigt worden seien, liegt kein aktenmäfsiger
Anhaltspunkt vor. So sehr lag schliefslich in
München das Gürtlergewerbe auch nicht darnieder,
dafs man nach Paris hätte gehen müssen, um Form
und Stanzen für ein im ganzen genommenes doch
ziemlich einfaches ITelmmodell zu erhalten. Auf
Seite 138 wird das Aufkommen der Bärenmütze
in Bayern in das Jahr 1814 verlegt. Die Bären-
mütze war aber bei den bayerischen Grenadieren
schon seit den Tagen Max Emanuels bekannt;
sämtliche Exemplare der in der Sammlung Braun
befindlichen bayerischen Bärenmützen sind durch-
gängig Reliquien der Grenadiere der 1868 ent-
schlafenen Bürgerwehr und höchstens 50 Jahre
alt. Von einem französischen Muster kann nur
insofern gesprochen werden, als ihre Kalpakform
auch bei französischen Truppenteilen heimisch war;
ebensogut könnte man aber auch in der in einigen
bayerischen Landstrichen zu früheren Zeiten von
den Bauernfrauen getragenen Pelzhaubenform
ihr Vorbild suchen. Dem Ausspruche auf Seite 140,

dafs Reiterstiefel und Glefe der bayerischen
Hartschiere nicht zu vereinigen seien, ist entgegen
zu halten, dafs die Hartschiere bis in den Anfang des
19. Jahrhunderts hinein eine berittene Truppe waren,
und sich seit Ende des 16. Jahrhunderts mit der
heute noch von ihnen geführten Parade - Stangen-
waffe, der Cuise, wie sie dienstlich heifst, ausge-
rüstet finden. Die Zusammenstellung beruht somit
auf historischer Grundlage. Im übrigen wird zur
Cuise nicht der moderne Kappenröhrenstiefel,
sondern die weiche über das Knie gezogene Stiefel-
art des 17. Jahrhunderts getragen.
Auf Seite 140 ist gesagt, dafs der bayerische
Chevauleger das getreue Abbild der Napoleonischen
Chevaulegers wäre. Pliebei kann lediglich die das
Jägermäfsige hervorhebende grüne Grundfarbe in
der Bekleidung der beiden Reitertruppen in Be-
tracht kommen; nicht einmal der Name Chevauleger
ist von Frankreich übernommen, da es zu der Zeit,
als Rumford 1788 in der pfalzbayerischen Armee
die leichte Reiterei einführte, in Frankreich gar
keine Chevaulegers gab. Dort kannte man nur
Chasseurs ä cheval, während der Chevauleger aus
Österreich geholt wurde. Das den napoleonischen
Chevaulegers eigene karmoisinfarbene Auszeich-
nungstuch wurde bei dem bayerischen 1. und 2.
Chevaulegersregiment erst 1826 eingeführt, der
ulankaartige Waffenrock kam erst 1854 auf. Bis
dahin gefielen sich die Chevaulegers so ziemlich
als die letzte europäische Reitertruppe in dem
kurzschössigen Kolett. Der Brotbeutel endlich, der
dem Chevauleger auf Seite 140 heute noch an die
Seite gehängt wird, ist schon seit mehr als zwanzig
Jahren verschwunden.

Plans Fahrmbacher.
 
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