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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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6. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0212

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6. HEFT

FACHNOTIZEN

189

hatte als englischer Reiteroberst das Kasket ge-
tragen, — in erster Linie war es aber jedenfalls
das antikisierende Gepräge dieses Typs, einer
Nachbildung des römischen Velitenhelms, womit
er den klassizistischen Regungen des Zeitgeschmak-
kes am besten entgegen zu kommen glaubte. In
der Kasketbildung seines Modells mit seiner ovalen
Scheitelwölbung gegenüber dem flachdeckligen
Kübel- oder Topftyp, der in dem Tschako seinen
hervorragendsten Vertreter hat, liegt neben der
Verdrängung des Huts der Schwerpunkt der
Rumfordschen Neuerung. Die Kasketform in der
militärischen Kopfbedeckung ist es, der man in
Bayern bis heutigen Tags (den Jägertschako aus-
genommen) treu geblieben ist. Das schmückende
Beiwerk, die Krönung der Scheitellinie, sei es
als Kamm mit fliegendem Schweif, als Wollkamm
oder als orientalische Spitze, ist nur von neben-
sächlicher Bedeutung; sie finden wir denn auch
einem dreimaligen Wechsel der Mode unterworfen.
Aber auch das Kasket als solches hatte nach
seiner ersten Einführung noch zweimal um seine
Existenz zu ringen gehabt. So liefs der neue
Kurfürst Maximilian IV. Joseph, kaum dafs er 1799
die Regierung angetreten hatte, auch sofort das
ihm unsympathische Rumfordkasket verschwinden
und setzte den Leuten wieder die alten Hüte auf.
Ein Jahr später hielt das Kasket allerdings wieder
seinen Einzug in die Armee, aber bereits im zweiten
Jahrzehnt seiner Tragzeit steigt eine neue Ge-
fährdung herauf. Die Enthusiasten für den mit
napoleonischem Nimbus umstrahlten Tschako sind
nahe daran, den Sieg davon zu tragen. Alle mobilen
Feldformationen des Jahres 1813 werden mit ihm
ausgestattet, die Landwehren, Gendarmen, später
auch die Jäger prangen mit der Modekopfbe-
deckung. Bei der Linie sind es letzten Ends einzig
finanzielle Erwägungen, die eine Abschaffung des
Kaskets verhindern und seine allmählig-e dauernde
Einbürgerung herbeiführten. Nicht aufrecht zu
erhalten ist es nach dem Gesagten, wenn, wie es
auf Seite 135 geschieht, eine Entwicklung des
Kaskets zum Helm konstruiert wird. Casque,
Kasket, Helm sind lediglich verschiedene Bezeich-
nungen für die gleiche Grundform. Die sich regel-
mäfsig dem Trachtenbild der Zeit anschmiegenden
Dimensionen, die Himmelstürmer der Napoleoni-
schen Epoche, die niederen Formate der sechziger
Jahre, da auch derDandy seinHütchen nicht zierlich
genug tragen konnte, haben mit der Bezeichnung
Kasket oder Helm nichts zu tun. In Bayern er-
giebt sich der Unterschied formell aus einer Ver-
fügung König Ludwigs I. vom Jahre 1845, wonach
die bereits bei den metallenen Kopfbedeckungen
der schweren Reiterei übliche Bezeichnung Helm
auch für die Lederkaskete einzutreten hatte. Nicht

uninteressant dürfte es sein, noch etwas nach den
Schicksalen der Scheitelkrönung des bayerischen
Kaskets im Wandel der Zeiten Ausschau zu halten.
Wenn Rumford geglaubt hatte, mit seinem fliegen-
denHaarschweife, wie ihn heute noch diefranzösische
Casque zeigt, beim Publikum Eindruck zu machen,
so hat er hierbei eine grofse Täuschung einzu-
heimsen gehabt. Wo ein pfalzbayerischer Mars-
sohn im Anzuge seiner Schöpfung sich zeigte,
verfolgte ihn Hohn und Spott über seine Helden-
koiffüre. Freundlicher stand man sodann dem auf
dem Kasket von 1800 in Nachahmung der französi-
schen Casque ä chenille sich über die Scheitel-
wölbung lagernden Wollkamm, bei den Offiziers-
kasketen ein Bärenschweif, gegenüber, der Raupe,
wie sie sich in wörtlicher Übersetzung des französi-
schen Ausdrucks im Volksmunde einführte. Für
Kurfürst Max bildete sie eine hübsche Erinnerung
an seine vergnügte Strafsburger französische
Militärdienstzeit und er blieb ihr dauernd ge-
wogen. Im Volke und in der Armee erstand ihr
nach der Rückkehr aus den Freiheitskriegen eine
nicht unbeträchtliche Gegnerschaft. Die Deutsch-
tümler wiesen darauf hin, dafs die Raupe das
Wahrzeichen der Rheinbundtruppen gewesen sei
und die Militärs betonten auf Grund der Feldzugs-
erfahrungen ihre geringe Widerstandsfähigkeit
gegen die Einflüsse von Sonne und Regen. Unter
denverschiedenenProjekten zumErsatze der Raupe
ging Ende der zwanziger Jahre unter anderem
auch ein Vorschlag dahin, statt des Wollkammes
ein Messingbeschläge auf den Scheitelpunkt des
Kasketkastens zu setzen und dieses Beschläge in
eine zur Aufnahme eines Haarschweifes oder einer
Spitze dienenden Hülse auslaufen zu lassen. Und
was besonders merkwürdig ist, man glaubte für die-
sen neuen Kaskettyp am besten das gute alte Wort
„Pickelhaube“ vorschlagen zu sollen, eben die
Benennung, die man in den alten Zeughausbüchern
des 17. Jahrhunderts für die Kopfbedeckung des
Fufs volles gegenüber dem ausschliefslich der Reite-
rei zukommenden Eisenblechkasket vorgetragen
fand. Der preufsischen Militärverwaltung gebührt
sodann das Verdienst, die Annahme der guten alten
historischen Pickelhaube mit der Spitze als Zierat
des Scheitels an Stelle des kübelartigen, fremd-
ländischen Tschakos zur Tatsache gemacht zu
haben; der Anspruch auf Erstlingsoriginalität kann
ihr mit Rücksicht auf das bayerische Vorprojekt
jedoch nicht zugestanden werden. Sofort schlug
auch die Spitze als Rivale der Raupe nach Bayern
herüber. Die Bürgerwehr, die Gendarmerie, sogar
die konservativen Hartschiere setzten sich den Spitz-
helm auf, bei der Linie behauptete der Wollkamm
zwar noch das Feld, (ohne das Jahr 66 wäre mög-
licherweise die Spitze schon auf dem Helmmuster
 
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