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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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7. Heft
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Gohlke, Wilhelm: Das Geschützwesen des Altertums und des Mittelalters, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0218

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7. HEFT W. GOHLKE, DAS GESCHÜTZWESEN DES ALTERTUMS UND DES MITTELALTERS

195

Meter, der Durchmesser der Spannerven die Stärke
von 15 bis 20 cm.
Im Mittelfach des Rahmens war ein Balken,
die Geschofsbahn, eingelassen; sie nahm am hinteren
Ende die Vorrichtung zum Aufziehen (Spannen)
der Bogensehne auf. Bei kleineren Geschützen
und in frühesten Zeiten war dies eine Haspel, die
durch Handspeichen bewegt wurde, in späterer
Zeit waren es bei den schweren Geschützen
Flaschenzüge*).
Das Tau der Flaspel griff mit seinem Haken
nicht unmittelbar in die Bogensehne, sondern in
eine Öse am hinteren Beschläge des sogenannten
Läufers.
Dieser Läufer aus Holz von schmälerem
Querschnitt als die Geschofsbahn lief mit einem
schwalbenschwanzförmigen Vorsprung an seiner
Unterseite in einer ebenso geformten Nute der
Geschofsbahn und konnte darin leicht vor- und
zurückgeschoben werden.
In der oberen Fläche des Läufers war eine
Rinne für den Pfeil angebracht. Der Beschlag
am hinteren, vollen Holz des Läufers hatte vorn
einen Winkelhebel, dessen Klaue über die Bogen-
sehne griff. Das hintere Ende des Hebels wurde
durch einen wagerecht unter demselben liegenden
Drehhebel (Abzug) emporgehoben, wodurch die
Klaue beim Spannen fest auf die Sehne drückte
(Fig- 3)-


Damit man die Bogensehne nicht stets bis zur
gröfstmöglichen Spannung zurückziehen mufste,
sondern sie je nach der verlangten Schufsweite
schon bei geringerer Spannung festhalten konnte,
waren rechts und links auf den Aufsenseiten der
Geschofsbahn Zahnstangen angebracht, in welche
Sperrhaken griffen, die seitwärts am Ösenbeschlage
des Läufers safsen und beim Spannen ohne Wider-
stand über die Schrägflächen der Zahnstange hin-
weg glitten.
Beim Laden wird zunächst der Pfeil in die
Pfeilrinne gelegt, hierauf der Läufer so weit vor-
geschoben, dafs die Klaue über die Sehne greifen
konnte, durch Wirken an der Haspel der Läufer
und gleichzeitig mit ihr die Sehne zurückgezogen.
Es wirkt hierbei nicht die Elastizität der Arme,

*) Schon in Herons Belopoeica (etwa 200 v. Chr.) werden
Flaschenzüge am Torsionsgeschütz erwähnt.

die völlig starr sind, sondern nur die Schnellkraft,
die in den durch die Drehung der Arme über-
spannten Nervenbündeln liegt. Nach Aushängen
des Tauhakens wird durch Zurückziehen des Ab-
zugs die Klaue und dadurch die Sehne freigegeben,
die nun das Geschofs mit grofser Kraft fortschnellt.
Die Geschofsbahn mit den davorliegenden
Spannervenkammern ruht in einem Lager, in dem
sie um einen Bolzen gehoben oder gesenkt werden
kann; aufserdem kann das Lager um einen Dreh-
zapfen, der sich auf dem Ständer des Untergestells
befindet, nach rechts und links gedreht werden.
Das Untergestell besteht aus einer in Fufsrippen
verzapften und nach drei Seiten verstrebten Säule
und einer Hinterstrebe für die Läuferstütze.
Diese ist gelenkartig entweder am Läufer
oder an der Hinterstrebe angebracht.
Ein Ring an dieser umfafst den Kopf des
Gestells, so dafs auch die Hinterstrebe gedreht
werden kann. Als Geschofs des Flachbahn-
geschützes diente der Pfeil. Die gebräuchlichsten
Pfeillängen waren 66 cm bis 1,77 m (3 Spitami
[ä 22 cm] bis viereilige [ä 44,25 cm]) bei einer Stärke
von 2 bis 4 cm und einem Gewicht von x bis 4 kg.
Unterschieden wurden die Euthytona nach den
Pfeillängen: dreispitamige usw.
Über die Wirksamkeit derselben weifs man
wenig. Als etwas Aufserordentliches wird von
dem kleinsten der Kaliber angeführt, dafs sie
3x/2 Stadien (oder = 650 m)2) weit schossen. Ein
vom Oberst Schramm in Metz 1903 rekonstruiertes
Euthytonon (vierspitamig) erreichte die gröfste
Schufsweite mit 3 69,5 m und dürfte den Schufsweiten
des Altertums gleichkommen. Der Pfeil durchschlug
einen eisenbeschlagenen 3 cm starken Schild so,
dafs er denselben mit halber Länge (44 cm)
durchdrang. Das Gesamtgewicht des Euthytonon
der gebräuchlichsten Arten lag zwischen 42 bis
300 kg; zur Aufstellung brauchten, sie einen Raum
von 13 Kalibern in der Breite, 18 in der Höhe
und 20 in der Tiefe, das vierspitamige also rund
(1,18 x 1,76 x 1,86 m), da das Kaliber der Spann-
nerven Y9 Pfeillänge betrug. An Bedienung er-
forderten sie 2 bis 5 Mann.
Die Euthytona beschossen sowohl in der Feld-
schlacht als auch beim Angriff und der V erteidigung
und auf Schiffen in erster Linie lebende Ziele.
Die Euthytona konnten auch Steine fortschleu-
dern. Die Bogensehne wurde in diesem Falle gurt-
artig gestaltet, um den Stein besser zu umfassen.
Diese Flachbahn-Steinschleuder nannte man
im Gegensatz zur Flachbahn-Pfeilschleuder: Li-
thoboi.

-) Nach Athenoios und Agesistratos; ist aber zu be-
zweifeln.
 
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