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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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12. Heft
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Gohlke, Wilhelm: Das Geschützwesen des Altertums und des Mittelalters, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0415

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386

W. GOHLKE, DAS GESCHÜTZWESEN DES ALTERTUMS UND DES MITTELALTERS V. BAND

Diese Reichweiten sind achtungswerte Leist-
ungen, die auch von den Pulvergeschützen im
ersten Jahrhundert ihrer Anwendung nicht über-
troffen wurden.


Abb. 42. Nach R. Schneider

Im Übrigen lassen sich die Wirkungen
dieser Wurfzeuge nur aus Versuchen und aus
Berechnungen erkennen.
Napoleon III. liefs im Jahre 1850, damals
noch Präsident der Republik, durch Kapitän
Fave ein Wurfzeug von grofsen Abmessungen
konstruieren, das etwa der hier unter Fig. 37
gegebenen Einrichtung entsprach. Die ganze
Rute war 10,30 m lang, der kurze Arm bis zum
Bolzenloch für das Gegengewicht 0,30 m (Arm-
längen 1 : 34,3). Das Gegengewicht bestand aus
einem durch Bänder fest mit dem kurzen Arm
verbundenen Gewicht von Blei von 1500 kg
Schwere und einem an dem Bolzen hängenden
Kasten mit einer Beschwerung von 3000 kg.
Die Schleuderseile bis zur Tasche, worin der
Stein ruhte, waren 5 m lang. Die Maschine


warf eine Eisenkugel von 11,75 kg Gewicht
175 m weit, 27- und 32-cm mit Sand gefüllte
Bomben (etwa 30 bz. 84 kg- schwer) 120 m weit.
Man hatte ursprünglich ein 8000 kg schweres
Gegengewicht anzubringen beabsichtigt, doch
mufste davon abgesehen werden, da die Ständerung

des Hebels sich für dieses Gewicht zu schwach
erwies. Die Seitenabweichungen der Geschosse
waren sehr gering, sie betrugen nie mehr als 3 m.
Fave schliefst aus angestellten Berechnungen,
dafs ein Gewerf mit einer Länge der Arme von
3,30: 16,50 m und einem Gegengewicht von
16400 kg einen Stein von 1400 kg ebenfalls 75 m
weit zu werfen imstande sei und glaubt, dafs
Maschinen mit solcher Einrichtung bestanden
hätten. Vor Faves Versuchen hatte der
schweizerische OberstDufour mit kleinen Modellen
Versuche angestellt- und berechnete auf Grund
dieser, dafs ein Gewerf mit Armlängen von 2 bz.
6 m und einem Gegengewicht von 3000 kg ein
Geschofs von 100 kg 76 m weit schleudern könne.
Auch Payne-Gallwey hat in neuerer Zeit der-
artige Versuche mit Maschinen von „ziemlicher


Grölse“ gemacht und glaubt annehmen zu dürfen,
dafs ein Gewerf von 15 m Armlänge3) mit einem
Gegengewicht von 9070 kg ein Geschofs von
90 bis 125 kg 275 m weit werfen könne.
Die vorkommenden Benennungen für die ver-
schiedenen Arten Hebelgeschütze führen ebenso
zur Verwirrung wie die Benennungen der Torsions-
geschütze. Die Ergebnisse aus den Bemühungen
Köhlers, System in diese Bezeichungen zu
bringen, erscheinen vielfach gewagt und daher
nicht einwandfrei. Die Benennungen des Ägidius
kommen in mittelalterlichen Werken selten, einige
gar nicht vor. Im Deutschen erscheinen die
Namen Mange, Tribock, Blide oder Bleide, bei
den romanischen Völkern der Tribuchet, ein
Name, der in Frankreich und England von den
neueren Schriftstellern allen Hebelgeschützen

s) Die Länge des kurzen Arms wird in den Be-
schreibungen häufig nicht erwähnt; es scheint, dafs seine
Länge oft mehr von der Kastenlage und der Ständerung
abhängig gemacht, als nach den Gesetzen der Mechanik
bestimmt wurde.
 
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