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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

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Heft 13 (1. Aprilheft 1898)
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Bartels, Adolf: Literarische Afterkunst?
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Hart, Julius: Berliner Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0017

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ausgebildet und ist frivol und frcch mit Bewußtsein. Da wir Heine gehabt
habcn, so brauchen wir Wedckind nicht mehr. — Ganz kurze Erwähnung mutz
noch finden A. I. Meier-Gräfes „Fürst Lichtcnarm", der erste Noman
einer die »Die Keuschen" betitelten Serie über das Liebesleben des neunzehnten
Jahrhunderts (Schuster L Loeffler, Bcrlin). Trotzdem das Buch nur von
scxuellcn Dingen handelt, kann cs wcnig schadcn, da es ganz talentlos ist.
Nicht einmal der Unterschied von Relation und Darstellung schcint seinem Ver-
fasser bisher aufgegangen zu sein. Adolf Bartels.

E

Werliiler 'Tdeuter.

Wenn man heute die Geschichte des Kampfes zwischcn den „Alten und
Jungen" überblickt, so könnte man wohl zu Stunden melancholisch werden.
Ach', sür die Meisten, für die weitaus Meisten war dieser Kamps keine wahr-
hafte, großc inncre Erneuerung, sondern nur eine andere Mode stieg sür sie
hcrauf. Für dicse Masse hat man nur Personen totschlagen können, aber die
Sachc lebt weiter, sie lebt in ihren Herzen, in ihrer ganzen Gesinnung, die nie
unterschciden kann zwischcn dem Echten und Falschen, der Kunst dor Persön-
lichen und der dcr Mitläufer, der An- und Nachcmpfinder- Unser ganzes
Berliner Theatcr ist wieder ein toter Sumpf. Auf dem Wagen der Modernen
sitzt jetzt die ganze große Schar der Lindau, Lubliner und Marlitt roäivlvi und
der allerkleinsten PublikumShanswürste, und der Einsichtigcre bcgreift gar nicht
die Leute, die Dahn oder Ebers enthaupteten und Sudermann auf den Schild
heben. Auf unseren Bühnen triumphiert ewig das alte brave hausbackene
Familiendrama, das sich bald mit klassischem, bald mit romantischcm, bald
mit naturalistischem Aufputz behängt, das Drama der Rührsoligkeiten nnd dcr
Possenscherze, dessen Wesen durch Namen wie Kotzcbue, Clauren, Raupach, Birch-
Pfeiffer, Marlitt, Lindau u. s. w. u. s. w. gekennzeichnct wird. Jn den letzten
Wochen habcn solche pseudomodernen Kotzebueiaden nnd Birch-Pfeifferiaden den
Theatcrbedars gedeckt und den rechten Erfolg, wie cr ihnen gebührt, erstritten:
„Das grobe Hemd" von Carlweiß (Lessingtheater), der sür Wien und die
augcnblickliche Gegenwart ungefähr die Rolle spielt, die L'Arronge für Berlin
und in dcn siebzigcr Jahren inne hatte, — Heinrich Lees „Hanswurst in
Berlin", eine moralische Theatcrgcschichtsanekdote, für den ehrbaren deutschen
Mittelstand, für die VolkSkrcise des „Schillcrtheaters" crzählt. Max Burck-
hard erschicn zu gleicher Zeit mit eincm „Katherl" auf der Bühne des „Bcr-
liner Theaters", welches seit den Tagen Barnays die literarisch unzurechnungs-
fähige Familiendramatik pflegt, und mit einer Komödie „Bürgermeisterwahl"
in den Mittagsaufführungen der „Dramatischen Gesellschaft", welche das Werk
der alten „Freien Bühne" fortsetzen möchte. Das kennzeichnet deutlich die
Verflachung der Lileratur der Jungen und die Verguickung des Naturalismus
mit der Wassersuppenkunst der Alltüglichkeit; es kcnnzcichnet dic Urteilslosig-
kcit, welche nur Aeußerlichkeiten des Stils und der Manieren sieht, abcr nicht
in das Jnnere des Werkes blickt. Natürlich bositzt Burckhard nicht die Spur
von einer künstlerischen Pcrsönlichkeit. Die Kompositionslosigkeit Hauptmanns
erwächst aus dessen ganzem Wesen; Hauptmann kann dic Dingc nicht zusam-
menhaltcn, auch wenn er es müchte. Burckhard könnte cs wohl, aber er ahmt
»ur sinn- und zwecklos nach, was er bci seinem Vorbild gesehen. Weil sein
Meister hinkt, sieht er in diesem Hinken dessen Größe und Eigenart. Ueber
 
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