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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1898)
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Schultze-Strelitz, Ludwig: Bühnensänger als Gesanglehrer
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Bischoff, Anton: Berliner Musikleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0249

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dann, fallS fic noch jung und frisch waren, ein Engagemcnt gefundcn init eo
(!) bis 125 Mk. monatlich. Die Kostüme mußtcn sie sich in den meisten Fällen
sclbst nähen und kamen dann hohlwangig und übernächtig in die Probe. Da
diese nie „ging", so Lrängtc sich ihnen dcr oder cin Kapellmeister als Korrepe-
titor auf, teils um selbst dic Particen genauer kennen zu lcrncn, teils um seine
Gage, und wenn er „Volontär" war, scin Taschengeld zu erhöhcn. Das Schlimmste
dabei war nun, datz sich dcr Kapellmeister erdreistete, den armen, stets sowohl
lciblich wie geistig — hungrigen, cingeschüchterten Kunstnovizen Ratschläge in
Bezug nuf ihre Stimmbildung zu geben. Hierübcr lietzen sich ganze Bände
Humoristika schreiben. Aber die Wirkung ist leider höchst tragisch . . . Was
Jugend und ctwaiges Talcnt an Stimme und deren Verwertung noch übrig
lietz, das geht nun unter dem Drill des gefürchteten — er gibt ja bei der Aus-
führung die Einsätze an! — Kapellmeisters vollständig verloren- Also noch
ein, zwei Jahre, vielleicht noch ein Sommerengagement in Kötzschenbroda, und
aus war's. Was blieb? Putzmachcrin, Telcgraphistin oder — Gesanglehrerin?
Zum Putzmachen schlte der Geschmack odcr es hinderte der Dünkcl, zum Tele-
graphiercn oder Telcphonieren fehltcn dic Ncrocn, also ward man Gesang-
lehrerin. Dazu war ja alles da: Kenntnis der Noten sowie der Tasten am
Klavicr und — was die Hauptsachc — die Thorhcit des Publikums.

Es soll nicht in Abrcdc gestcllt werden, datz es verkrachte Opcrnsänger
und Opernfängcrinnen gibt, dic nach jahrelangen, heftigsten körperlichen und
seclischen Kämpfen, immer das Jdeal vor dcn Augen, eine mühelose, für die
Kunst verwendbare Tongebung erreicht haben und dadurch zum Unterricht-
gcben geeignet sind, wie kaum jemand besser. Aber das sind die scltenen
Ausnahmen, Ausnahmen wirklich einmal, welche die Negel bestätigen. Der
grotze Rest gibt den an sich erlebten Fluch der bösen That an andcre weiter.

Berlin. Schultze-Strelitz.

O

Kerlmer /Ivusiklebeu.

Bei einer Besprcchung der Berliner Musikverhältnisse kann es sclbstver-
ständlich nur darauf ankommcn, diejcnigen musikalischen Veranstaltungen in
dcn Kreis der Betrachtung zu ziehen, welche gerade für Bcrlin charakteristisch
sind; ausgeschlossen sind daher sämtliche sogenannten „Künstlerkonzerte". Denn
d'Albert, Petschnikoff, Wüllner, die Carreüo, Sembrich und Landi drückcn dem
Musikleben einer Stadt nicht den Stempel auf; man kann sie gerade sogut in
Drcsdcn und Wien wie hicr in Bcrlin hören und anstaunen. DaS Geprägo
vcrlcihcn dcm musikalischen Lebcn einer Stadt jene Veranstaltungcn, die an-
derswo dem Publikum nicht geboten wcrden. Das sind sür Bcrlin die
Opernhaus-Konzerte unter Weingartner, die philharmonischen Konzerte unter
Nikisch, das Joachim-Quartett, das Böhmischc Quartett und lost not least die
Darbietungen der Kgl. Oper. Hierzu kommcn noch für die verflossene Saison
die fünf Konzerte, die Kapellmeister Steinbach mit der Meininger Kapelle ver-
anstaltet hat.

Steinbachs Absicht scheint gcwesen zu scin, dem Berlincr Publikuni das
„Brahms-Werk" — so lautet ja ein modcrncr Ausdruck — vorzuführen, denn
die Konzerte bestanden fast ausschließlich aus Werken von Brahms. Eine be-
sondere Notwendigkeit lag hierzu kaum vor, da die einheimischen Dirigenten
Brahms vollauf berücksichtigen; datz die Opernhauskapelle und die philharmo-
nische weit besser ist, als die Meininger, steht wohl autzer Zweiscl, und datz
 
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