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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Oettingen, Wolfgang von: Altes und Neues aus Düsseldorf
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Ausstellungen und Sammlungen - Personal- u. Atelier-Nachrichten - Denkmäler - Vermischte Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0261

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204

Altes uud Neues aus Düsseldorf, von Wolfgang von Dettingen. — Ausstellungen und Sammlungen.

Vorwärts, Mann und Roß in der höchsten Anspannung und
Erregung. Der Wucht dieses Motivs entspricht die Behand-
lung: breit, flott, keck und sicher sind die Farben aufgesetzt,
und obgleich manche Stellungen gewagt wurden, die der Maler
nicht beobachtet, sondern nur aus Momentphotographien
gewonnen haben kann — ein Verfahren, das dem Effekt-
haschen bedenklich nahe kommt — so überwiegt doch die
Freude an der künstlerischen Leidenschaft, am Tempera-
ment, das hier unbefangen und selbstgewiß sich äußert.

Kaum läßt sich ein größerer Gegensatz denken als
zwischen dieser aufregenden Malerei und dem ruhigen,
bedachtsamen und liebevoll ins einzelne gehenden Vor-
trage des Gebhardt-Schülers Peter Philipp i. Er
kultiviert das Porträt, das Genrebild und die humoristische
Zeichnung und erfüllt alle seine Figuren mit einem
eigentümlich selbständigen Leben und Wesen. Nicht als
ob er sich von der bekannten Art seines Meisters ent-
fernte; aber er wendet sie, bei seinen profanen Gegen-
ständen, wie ein von Schulden befreites Besitztum an.
Das heißt, er schaltet mit der erlernten Sorgfalt in
Modellierung und Malweise zu Gunsten still ersonnener,
ganz ans sich selbst hervorgesponnener Träumereien und
Einfälle. So vertieft er sich in eine märchenhafte Tier-
welt, so läßt er „Am Philosophenweg" zwei unschätz-
bare alte Basen ihre sittliche Entrüstung auskramen, so
macht er aus einer „Maria Ambach" ein herbes Jung-
fräulein im Rosenkränzchen, das in wer weiß welchem
Jahrhundert und also über seine reale Existenz hinaus
lebt. — Auch ein zweiter Schüler Gebhardts, der sich
nicht wie die meisten übrigen der religiösen Malerei zu-
gewendet hat, August Zinkeisen, beweist in einem
anspruchslosen Märchenbilde „Hänsel und Gretel", daß
er mit Vorteil lernte, sich feinfühlig und hingebend in
seinen Gegenstand zu versenken.

Zu den jungen Künstlern, die der heurigen Aus-
stellung vorzüglich den Stempel des Frischen aufdrücken,
gehören noch Alfred Sohn-Rethel, der eine kleine,
koloristisch sehr glückliche Studie aus S. Marco und ein
ebenfalls koloristisch behandeltes Kirchhofsbild ausgestellt
hat, ferner Max Stern mit einigen halb impressionistisch
angelegten venezianischen Motiven, und Ludwig Keller,
der in einer Anzahl von Bildnissen die Absicht kund-
zuthun scheint, von seiner bisherigen etwas lärmenden
und üppigen Manier (die den zarteren unter seinen
Objekten nicht immer gerecht wurde), zu einer maß-
volleren überzugehen. Aber wie um diesen Übergang zu
verhüllen und zu beteuern, daß er deswegen doch immer
der frühere Farbenschwelger bleibe, beeilte er sich, eine
„Studie in Rot" hinzuzufügen, auf der man die lebens-
großen Figuren zweier im Scheine einer Lampe mit
modischem, blutrotem Lichtschirme sitzender Personen und
dazu den Arm einer dritten erblickt. Wer vor dieser
auffallenden Leinwand verweilt, mag beobachien, wie
manche Künstler die künstlerische Gesamtwirkung der
äußerst flotten Arbeit loben, während einige andere und
mit ihnen die meisten Laien sich offenbar in ihr nicht
zurechtfinden können: sie empfinden wohl als gar zu un-
erquicklich die Applikation eines lediglich auf das Kolo-
ristische hinauslaufenden Versuchs auf einen Gegenstand,
der doch an sich — eine Dame liest eifrig in einem
Buche, während ein Herr, vermutlich ihre Gatte, be-
haglich zuhört — den Anspruch erheben darf, mit einiger
Rücksicht und nicht nur als Farbenträger behandelt zu

werden. Eine solche Forderung wird man heute aller-
dings noch nicht ausdrücklich aufzustellen wagen; vielleicht
geschieht es einmal in einer Zeit, die bei dem Worte
„Geschmack" an bestimmte und anerkannte Gesetze denken
kann. Eine solche Zeit allgemeiner Geschmackbildung
läßt sich aber nur herbeiführen, wenn, wie in diesen
Zeilen erwähnt wurde, Künstler und Publikum einander
wirklich verstehen lernen. Ein alter Wunsch, der auch
gegenüber den Neuen gilt!

k. kl. München. Ausstellung des Vereins für
Original-Radierung. Diese, wenn wir nicht irren, nun schon
zum drittenmal stattsindende Schwarz- und Weiß-Ausstellung giebt
einem regelmäßig das schwer zu lösende Rätsel auf, weshalb sie wohl
so viel talentvoller aussieht, als wenn dieselben Herren ihre Oel-
gemälde dem Publikum darbieten? Es führt das offenbar aus
das Sprichwort zurück: „In der Beschränkung zeigt sich erst der
Meister", — hier wird eben jeder schon durch die Uebersetzung der
Farbe in Schwarz und Weiß zu einer Art von höchst wohl-
thätiger Stilisierung der Natur gezwungen. Bei diesem Prozeß
kommt regelmäßig aber auch noch die Individualität der ein-
zelnen Künstler viel deutlicher zu Tage und giebt ihren Blättern
einen eigenartigen Reiz, der viel tiefer fesselt, als dies bei un-
mittelbarer Naturnachahmung durch die Farbe der Fall wäre,
die gar oft bloß verdummt, während der Künstler hier fortwährend
erfinden muß. So kommt es denn, daß wir da fast nichts Lebloses
oder Gedankenloses sehen, dagegen eine Anzahl Blätter, wo die
schaffende Kraft der Künstler mit merkwürdiger Unmittelbarkeit
hervortritt. Natürlich ist das auch mehr oder weniger bei den vielen
Handzeichnungen der Fall, wo z- B. die Akte Greiners eine
ganz verblüffende Meisterschaft offenbaren, ein Formverständnis,
wie man ihm nur in den seltensten Fällen begegnet. In der
Landschaft bringt es dagegen Ludwig Willroider zu gleicher
Trefflichkeit und dabei auch zu hochpoetischer Erfindung, durch
die auch K. A. Baur und Urban fesseln. W. Bolz bringt
drei schöne Kopfstudien, Bertha Bag ge reizend stilisierte roman-
tische Kompositionen. Unter den vielen Radierungen fesseln die
von Wenban, Meyer-Basel und Ubbelohde, während die
von Meyer-Cassel durch merkwürdige Eigenart überraschen.
Dies thun auch die prächtigen Architekturen P. Halms wie
seine Waldbilder, Porträts u. a. m. Interessant sind auch die
Kompositionen Sophie Pühns und ganz eigenartige Litho-
graphien vonTouiStadler. Unter den humoristischen Bildern sind
besonders die Zeichnungen Eug. Kirchners für die „Fliegenden"
ob ihrer Originalität zu rühmen, anderes von Pan kok u. s. f.,
wie es denn schwer ist, diesen hocherfreulichen Reichtum nur zu
übersehen. — Wir können daher Krügers schöne Landschaft-
zeichnungen, L- v. Nagels Stallbilder, E. Guras durch das
reizendste Detail fesselnde Landschaften, Kühls meisterhafte Vieh-
zeichnungen, wie die Keitels, ganz besonders aber Gamperts
in einer merkwürdigen Art von Schabkunst die verblüffendsten
Wirkungen erzielenden Blätter nur eben noch anführen, obwohl
kein Zweifel besteht, daß diese hochinteressanten Schöpfungen voll
überraschender Eigenart unserer Schule die größte Ehre machen,
ja einen viel besseren Begriff von ihrer Leistungsfähigkeit geben
als ihre meisten Oelbilder. l6Mi

O. Berlin. Am 2. Februar wurde in den Räumen der
Kunstakademie die 15. Ausstellung des Vereins der Künstle-
rinnen und Kunstfreundinnen eröffnet. Beschickt ist sie von
172 Teilnehmerinnen mit 350 Werken, unter denen die Zeich-
nungen, Radierungen und Studien von Cornelia Paczka-
Wagner, sowie eine Madonna von Dora Hitz um Hauptes-
länge hervorragen. Sehr bemerkenswerte Beiträge sind ferner
ein „Jugendliches weibliches Porträt" von Paula Kohlschütter,
eine Studie „Unschuld" von Clotilde Schilling, „Landschaften"
von Frau Begas-Parmentier, sowie eine große, mehrteilige
vorwiegend landschaftliche Komposition von Anna Gerresheim,
die in der Behandlung des gestellten Themas „Schöpfung" beweist,
daß der Symbolismus auch in die Kreise der Künstlerinnen dringt.

— Paris. Der Kunsthändler Bing hat seinen der
„neuen Kunst" gewidmeten „Salon" unter lebhafter Teilnahme
eröffnet. An der künstlerischen Ausstattung desselben haben
Lefebvre und Brangwyn, von denen die Sonnenblumen-
 
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