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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Pecht, Friedrich: Franz Simm
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0330

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vom Herausgeber.

259

das jetzt die Weimarer Galerie zierende „Konzert", ein Juwel von feiner Charakteristik, an dem man
sich nie satt sehen kann. Ihm gehen aber noch eine Menge kleinerer zur Seite, so der „Besuch" und
der „Einzug" der Sieger, dem ein verwundeter französischer Offizier mit beiwohnen muß (beide Gemälde
als Bilderbeilagen dieses Heftes reproduziert). Von ihnen hat ja die „Kunst für Alle" schon mehrere
gebracht,*) während das neueste „Fatale Situation" (Abb. s. Bilderbeil. d. H.), das den Unfall einer mit schönen
Damen gefüllten Equipage während eines Gewitters darstellt, noch kürzlich die Ausstellung des Münchener
Kunstvereins zierte. Die Geschichte ist nicht eben tragisch, aber ganz geeignet, uns die jetzt leider so selten
gewordene Vereinigung von seiner Zeichnung und Modellierung mit ebenso wahrem als zartem Kolorit zu
zeigen, welche neben der scharfen Naturbeobachtung und der vollendeten Freiheit der Darstellung den Hanptreiz
der Bilder unseres Malers ausmacht. Bei
ihm hat man niemals das Gefühl, daß es
doch recht schwer sein müsse, die Dinge so
schön zu machen, sondern immer das jener
erquicklichen Freiheit und Leichtigkeit, die
uns glauben läßt, das wir das auch könnten,
wenn wir nur wollten! Die letzten dieser
kleineren Bilder, wie der „Dilettant" (Abb.
a. S. 258), die „Spinnen am Morgen" (Abb.
a.S.263)und „UntermLindenbanm" (Abb.
a. S. 259), verdankt er der Erwerbung eines
reizenden Landhauses am Ritten über Bozen,
wo er jetzt alljährlich den Sommer in luf-
tiger Höhe mit seiner Familie zubringt.

Ganz charakteristisch ist es nun für das
reiche Talent des Künstlers, daß es von
Zeit zu Zeit immer neue Wege einschlügt
und uns bald durch riesige Altarfresken,
bald durch Watteausche Eleganz in kleinen
Kabinettsstücken überrascht. So hat er eben
jetzt eine vielleicht noch größere Freiheit
und Unmittelbarkeit der Darstellung mit nicht
geringerem malerischen Reiz vereinigt in dem
der allermodernsten Zeit entnommenen Bild-
chen erreicht, wo ein jubelnder Junge mit
der Schwester hinter sich auf dem Bycicle
direkt auf den Beschauer lossährt (Abb. a.

S. 257). Das von Lust glühende Gesicht
des Knaben wie das feinere der etwas ängst-
lichen Schwester ist von solch sprühender
Lebendigkeit, wie man sie nur bei Dingen
erreicht, die man unmittelbar so in der Natur
beobachtet hat, was eben nur bei der Gegen-
wart entnommenen Stoffen möglich ist,
während man bei jeder Scene aus der Ver-
gangenheit immer aufs „Komponieren" an-
gewiesen bleibt. Auch kennt hier der Künstler
das Kostüm so genau, daß er cs breit und
meisterhaft hinskizzieren und durch diesen

Gegensatz die Feinheit der Köpfe und Hände noch mehr zur Geltung bringen kann. Das ist denn auch offenbar
der Grund, weshalb die Alten immer nur ihre Gegenwart schildern, ja selbst die biblischen Scenen in dieselbe
verlegen und sie dadurch erst recht glaubwürdig erscheinen lassen, wie das ja auch z. B. Uhde in neuerer Zeit
mit unbestreitbarem Erfolg gethan hat.

Unterm Lindenbanm. von Franz Simm.

--) „Johannestrieb" III. I. S. 214; „Scharf beobachtet" IV. I. S. 369; „Fächer" VI. I. S. 179; „Im Mai" VI. I.
H. 13; „Das widerspenstige Modell" VI. I. H. 2; „Phantasien" VII. I. S. 105; „Herbststimmung" VII. I. S. I; „Tändelei"
IX. I. S. 129; „Posltag" IX. I. H. 6; „Interessante Aussicht" IX. I. H. 24; „Traumverloren" X. I. H. 4; „Vor der Zahn-
operation" XI. I. H. 1; „Neujahrskarte" XI. I. S. 116.

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