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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Hann, Pauline: Frühjahr-Ausstellungen in New York
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Neue und alte Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0334

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262

Frühjahr-Ausstellungen in New Nork. Non P. Nann. — Neue und alte Kunst.

eines Staates". Auf unübersehbarer Prairiehält ein Plan-
wagen, dem ein junges Ansiedlerpaar entstiegen ist. Die
vollständige Einsamkeit, ein Schweigen, das seit Erschaffung
der Welt nie gebrochen worden zu sein scheint, umgibt sie.
Der junge Bauer ergreift mit entschlossener Gebärde Besitz
von dem jungfräulichen Boden, das Weib, fast zu zart für
das Leben, das sie erwartet, sieht zuversichtlich in die
Ferne hinaus. Schade um den Mann! nach dem letzten
Werke zu urteilen, hätte er noch Bedeutendes geleistet.
Ein ehemaliger Schüler der Münchener Akademie, George
Cohen, ist mit einem fein empfundenen und trefflich ge-
malten Frauenbildnis, mehr Studie als Porträt, vertreten,
Carrel Beckwith mit einem sehr effektvollen Damen-
porträt. Eine überraschend wirkungsvolle Landschaft
ist die Urwaldscene von Edward Woran; treffliche Land-
schaften bringen die Akademiker Hart, Bolton-Jones,
Addison Richards. Hermann Füchse! erscheint mit einer

Neue und

or kurzem brachte die „Kunst für Alle" einen Auf-
satz über „Pietät in der Kunst", worin viel außer-
ordentlich Zutreffendes gesagt ist, vieles, das Schreiber
dieses selbst einmal zu sagen beabsichtigte. Wenn ich
nun doch dasselbe Thema noch einmal aufgreife, so ge-

Akkfludie. Federzeichnung von Franz ^imin.

glänzenden Ansicht aus den Uocüv lAountains, Picknell mit
dem von Sonnenschein erfüllten „Morgen an der Loiny".
Eine Perle der Ausstellung ist „Eine Heimstätte am
Flußufer in Neuengland" von Henry P. Smith, viel-
leicht dem einzigen New Parker Künstler, der den Früh-
ling zu malen versteht, wie es Daubigny verstand, und
der es unbegreiflicherweise noch nicht einmal zum
„Associate", der Vorstufe zum Akademiker gebracht hat.
Stiefmütterlich wie gewöhnlich ist die Bildhauerkunst
vertreten. Aber die ».-Irtists« haben doch wenigstens drei
gute Arbeiten aufzuweisen. Eine Brunnenfigur aus
Bronce „Knabe mit Schwänen", vom Wiener Bildhauer
Karl Biller für den Landsitz Georg Vanderbilts, eine
Bronzegruppe von Macmonnies „Venus und Adonis"
und eine Shakespeare-Statuette von demselben Künstler.
Vielversprechend sind zwei Entwürfe in Gips von dem
jungen Cubaneo Lopez: „Das Alter" und „Vision".

Nachdruck verboten.

schielst es nur, um die Sache, die mir höchst wichtig er-
scheint, noch von einer anderen Seite zu beleuchten.

Eine Stelle aus dem vorgenannten Aufsatz reizt
mich zu Erörterungen: „es wäre thöricht zu behaupten,
daß unsere Kunst bestimmten Perioden der alten Kunst
auch nur annähernd gleichkäme —". Das klingt
hart — verhält sich das denn wirklich so? Die Zeit
hat die Bilder der alten Meister zwar vielfach gebräunt,
verdunkelt, andere haben durch Sprünge gelitten, aber
sie hat ihnen auch einen unschätzbaren Dienst erwiesen,
sie hat die größte Masse der schlechten alten Bilder
vernichtet —, mit unglaublicher Schnelligkeit sind sie
verschwunden, was zurückblieb ist das Gute, das schon
zur Zeit seiner Entstehung geschätzt und sorgfältig vor Be-
schädigung geschützt wurde. Wir sprechen von dem Quattro-
und Cinquecento, den Deutschen des 16. Jahrhunderts,
von den Holländern des 17. Jahrhunderts, und es
stehen uns die herrlichen Werke der großen Meister
jener Epochen vor Augen, nur der großen Meister,
denn die kleinen Künstler, deren Namen wir höchstens
in alten Stadtregistern noch aufstöbern, kennen wir nicht
mehr, ihre Werke sind verschwunden. Wandern wir
durch die berühmten Sammlungen des Louvre, der Ere-
mitage, der Uffizien, des Prado, durch die Galerien von
München, Dresden, Wien, Kassel u. s. w., so sind wir
überwältigt von der Schönheit und Größe der alten
Kunst, die wir dort in ihren köstlichsten Perlen bewun-
dern. Wo ist aber eine Sammlung, welche die Meister-
werke der vielen verschiedenen Strömungen des 19. Jahr-
hunderts enthält? Es giebt keine. Ich meine, es hieße
die alten Meister schlecht verstehen, wenn wir uns durch
sie die Freude und das Interesse an einer neuen, jungen,
sich entwickelnden Kunst verderben ließen. Wir ver-
ehren und lieben die alten Meister, wollen sie nicht
übertrumpfen, sondern nur auch da sein. Seien wir
doch einmal ehrlich, recht pietätvoll gegen unsere eigene
Zeit! Gerade unser Jahrhundert hat in der Malerei
soviel Neues, wirklich Neues gebracht, die Künstler haben
so ehrlich gearbeitet und für ihre Anschauungen gekämpft
und gelitten, daß ihre Werke für spätere Zeiten wohl
höchst interessant und wertvoll bleiben, sie wer-
den dann sicher eine gerechtere Würdigung finden als
nun vor den Zeitgenossen, die auch so viel Schlechtes,
 
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