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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 11.1895-1896

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Schultze-Naumburg, Paul: Die Internationale Ausstellung 1896 der Secession in München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12003#0389

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Die Internationale Ausstellung ^8gö der Secession in München.

Freilicht, hat er dann eine zeitlang in tiefen Tönen geschwelgt, um uns heute als Bekenner der unverhohlensten
Farbenfreudigkeit entgegenzutreten. Uhdes zahlreiche Gegner, die sich bekanntlich an seiner rein menschlichen
Auffassung der christlichen Mythe stoßen, werden ihm doch, so weit sie überhaupt fähig sind mitzureden,
eines unumwunden zugestehcn müssen: daß er ein Meister des Pinsels, wie wir sie jetzt wenige gehabt haben.
Man braucht sich nur Uhdes Lebenswerk zu vergegenwärtigen, um über seine ungeheuere Vielseitigkeit, seine
Unermüdlichkeit im Bestreben, die malerische Darstellungsfähigkeit zu erweitern und zu vertiefen, zu erstaunen.
Eines hat Uhde nie gethcm, was so vielen passiert: daß, nachdem sie auf einem Gebiet großen Erfolg gehabt,
dieses in der gefundenen Ausdrucksweise ausnutzten, um dann allmählich darin festzurosten. Wie viele
hätten fortgefahren nnn einfach in derselben Weise die Bibel weiter zu illustrieren; Uhde aber blieb Maler, er
stellte sich in fast jedem neuen Werk ein neues malerisches Problem, das er daun sofort verließ, wenn er es
gelöst — das Ausbeuten überließ er anderen. Zuerst studierte er das grelle Sonnenlicht, um dann die
Wirkung dieses Lichtes in Jnnenräumen zu beobachten und anzuwenden. Dann zieht die Dämmerung herein,
Mitternacht und Laternenschein. Bald jedoch geht er wieder hinaus ins freie Licht, läßt den Hirten in
verschleierter Mondnacht die Geburt des Heilandes verkünden. Nach einer tiefen Abenddämmerung im Freien
(Koli me tariere) erschien er einmal als Verehrer tiefer altmeisterlicher Töne, um auf seinem diesjährigen Werk
die Schar seiner Andächtigen in den goldenen Schein des Abendlichtes zu stellen, während sich blaue
Dämmerung über dem See lagert. Das ist sein Werk als Maler, bei dem der Stoff nie das malerische
Problem in Schatten gerückt hat: der Prüfstein für eine echte Künstlernatur.

Gegenüber hängt Bolz' Bild, auch ein Vorwurf aus der heiligen Geschichte: die Grablegung.
Aber von ganz anderen Gesichtspunkten. Zwar ist auch Bolz in erster Linie Maler, aber während Uhde uns
die Stoffe menschlich nahe rücken will, zeigt sie uns Volz verklärt in Märchenstimmnng. Uhde läßt uns
mitfühlen, Stuck würde uns erschüttern; Volz läßt uns den Vorgang im Traume sehen und gibt mit diesem
Bilde vielleicht seine abgeschlossenste Leistung: ein Meisterwerk.

Noch ein Bild aus Christi Leidensgeschichte ist da: Exters große Kreuzigung. Zieht man das Bild
rein als Beweis eines bedeutenden malerischen Gefühls in Betracht, so ist es gewiß eine große Leistung;
zieht man aber in Erwägung, daß es in der Secession hängt und von Exter stammt, dann sagt man sich,
daß er darin das nicht hält, was er im Vorjahre versprochen. Das Programm der Modernen lautet: schärfstes
Ausprägen des individuellen, Vermeiden jeden Eklekticismus. Was aber aus Exters Bilde spricht, ist vor
allem eines: das Bestreben um jeden Preis mit allen Mitteln alles zu überbieten. Es gab eine Zeit, in der

die Künstler glaubten, durch Übertreibungen größer zu
werden, als sie waren; ihre Werke nennt man heut
zopfig. Die Größe liegt nicht in dem Anhäufen lauter
Superlative. Nicht durch die schwellendsten Muskeln
wird der Eindruck der Kraft hervorgebracht, sondern durch
den kraftvollen Strich, mit dem sie eingesetzt sind. Stucks
Kreuzigung wirkte monumental und gewaltig, was die
Exters, gerade weil man die Anstrengungen sieht, um so
zu wirken, nicht thut. Es handelt sich hier wohl um
ein Verkennen der Grenzen des eigenen Talentes. Und
das ist sehr schade; das kleine Bild Exters „Adam und
Eva" wirkt viel harmonischer. Da ist die golddurch-
flutete Abendstimmung von so fesselnder Schönheit, daß
es unrecht wäre, sich an gewisse zeichnerische Mängel zn
hängen, anstatt sich der Poesie des ganzen zu erfreuen.
Stuck überrascht jedesmal. Man braucht keine schlechte
Meinung von ihm zu haben und im Stillen doch er-
warten, daß nach einem bedeutenden Wurf einmal eine
Zeit des Ausruhens käme. Das kennt Stuck scheinbar
nicht. Ein Abwägen zwischen einzelnen Bildern wäre
Unsinn und ich will nicht objektiv zu entscheiden ver-
suchen, ob sein „Böses Gewissen", das er Heuer bringt,
besser als sein „Krieg" oder der besser als die „Sphinx",
wenn mein Privatgeschmack die letztere vielleicht auch am
meisten bewundert. Jedenfalls ist auch sein diesjähriges
Bild ein gewaltiges Werk, in dem sich die malerische
Kraft der Darstellung und die hinreißende Wucht der
Empfindung die Hand reichen. Ein Künstler, der seine

Beim Holxaufladrn. von H. I. van der weele.

Intern. Kunstausstellung s896 des Vereins bildender Künstler (Secession)
zu München.
 
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