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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,2.1898

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1898)
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Melodramatisches, [1]
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Schumann, Paul: Zur deutschen Volkskunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7956#0151

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rvehmd, wallende Vorhang! Endlich der feierlich beginnende Chor der
Jnstrumente: „Merkt auf!'' dazwischen Gänge festlicher Heiterkeit, wie-
derum überwogt oon den Dräuungen tragischen Rachegerichts. Jn der
That hat sich Benda in diesem Melodrama als gewaltiger Tönemeister
bewiesen . . . Freudig hörte ich nun den festlichen Hochzeitsmarsch heran-
klingen und sahe den kriegerischen Festzug über die Bühne dahinwallen.
Diese Klünge gehören noch immer zu dem Prachtvollsten, welches die
Musik mir je geboten hat. Eine Zeitlang war die Melodie aus meinem
Gedächtnis teilweis entschwunden und öfters empfand ich eine wahre
Sehnsucht darnach. Große Freude, als ich nun endlich in Dresden das
Melodrama wieder aufführen sah, schon dem Halbjahrhundert meiner
Erdenbahn nahend, zum erstenmal seit jener Knabenentzückung und —
Gott sei Lob dafür — noch eben so entzückt wie damals." Ausführ-
licher noch verweilt Fouguö in seinen „Reise-Erinnerungen" (j823) bei
dem Dresdner Erlebnis, dabei wiederum an jenes in seinen Knaben-
jahren anknüpfend. „Und nun die herrliche Musik, deren Klavierauszug
ich bald nachher geschenkt bekam und nun nicht ablieh, bis ich mich selbst
begleiten konnte in meiner wütenden Deklamation der Medea. Was mir
leider nie recht gelingen wollte, waren die Stellen, wo die Musik nicht
die Pausen der Deklamation süllt, sondern die Nede begleitct, namentlich
die Worte: „O meine Kinder!" . . . folgt eine begeisterte Schilderung
der Schrödcr in der Rolle der Medea. Zum Schlusse heißt es: „dem
Zarten, lebenssrohen Dichter Gotter mag es wohl eine tüchtige Anstren-
gung gekostet haben, sich hineinzuringen in diese unheimlichen Schlünde
des Verbrechens und der Rache. Aber er hat seine Höllenfahrt sieghast
vollvracht. Deshalb konnte auch Benda den kühnen Wanderer mit so
herrlichen, man dürfte wohl sagen orpheischen Klängen begleiten, die
Müchte der Unterwelt bündigend und seinem Freund die finstre Bahn
vollenden helsend wie dem Dante Virgilius."

Es ist wertvoll, sich solche Berichte gelegentlich wieder einmal vor-
zuführen. Mag uns dcr alte Benda — nebenbei bemerkt der Erfinder
des Leitmotivs ^— heut auch mitunter „vorsintflutlich" erscheinen: zu
seinen Tagen war er ein bedeutender Künstler, der noch über seinen Tod
hinaus ehrliche Begeisterung wachzurufen vermochte und neben den Besten
seines Zeitalters stand. Auch sür ihn darf das Wort nicht vergebens
gesprochen scin: „Verachtct mir die Meister nicht und ehrt mir ihre
Kunst."

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Lur deutscven Volkskunde.

Uebcrall regt sich jetzt erfreulicher Weise daS Verständnis für die Volls-
kundc. Freilich ist cs auch die höchste Zeit dazu, denn je niehr sich das inter-
nationale Wesen ausbreitet, je mehr die modernen Verkehrsmittel und die
großartigcn Erfindungen und Entdeckungcn vordringen und unser gesamtes
Leben umgestalten, um so mehr weichen die volkstümlichen Ueberlieferungen
und Gebräuche zurück, um schließlich gänzlich zu verschwinden. Jedcr, dem der
internationale Mischmasch und die üde Modewirtschaft ein Greuel ist, wird
diesen Vorgang in vicler Beziehung innig bedauern, ohne ihn doch aufhalten
zu können. Nicht alles Alte ist ja der Erhaltung würdig. Es gibt z. B. Volks-
trachten, die so häßlich und so unpraktisch sind, datz sie gctrost vcrschwinden
 
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