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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0022

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mir will scheinen, als sei nicht das Lntscheidende fiir das
deutsche volk, daß Kaiser Wilhelm ein Brandenburger war,
sondern, daß er der Wiederhersteller des deutschen Reiches ist.
Waren Berlin, Brandenburg, jdrcußen dic Errichter des Denk-
mals, so wäre jener Mrt der richtige; Deutschland steht aber
als Oorgänger des Kaisers Milhelin nicht Albrecht Achilles und
Aurfiirst Friedrich lvilhelin I. an, sondern Aarl den Großen,
Friedrich Barbarossa, Rudolf von Lsabsburg. Mir will daher
grade das Gegenteil das Richtige scheinen, nämlich, daß man
das Denkmal an das andere Lnde der Linden rücken müsse.
Denn das 5chloß ist die kseimstätte der ksohenzollern, von hier
geht ihr N)eg aus: am Zeughause vorüber, wclches der Bau
des crsten Wnigs ist, zur Bper nnd Universität, der Schöxfung
Friedrichs des Großen, der dort sein Denkmal hat, zum Pariser
Platz, der seinen Namen den Freiheitskriegen verdankt, und
zum Brandenburgerthor, welches abermals durch seine M»a-
driga mit den Freiheitskriegen eng verbunden ist. lhier habcn
wir also auf jener Straße, welche der große Aurfürst anlegte,
das geschichtliche Bild des Siegeszuges der ksohenzollern. Das
Beste, ksöchsterrungene, das Aaisertum liegt demnach jenseit
der Freiheitskriege, ist örtlich in den Tiergarten zu verlegen.
— Ls war die künstlerisch größte That des großen Uurfllrsten,
daß er eine Straße von den mächtigen verhältnissen der Linden
von dem damals noch so kleinen Berlin aus in den märkischen
Sand hinanslegte; zu solchem Uuternehmen gehörte das ganze
vertrauen des großen Uionarchen in die Araft des von ihm
in die rechten Bahnen geführten kleinon Staates. Diese vor-
aussicht künftiger Größe hat Berlin zu dem gemacht, was es
ist. Die solgenden Geschlechter waren des vorfahren wiirdig.
Ls war eine That, das Brandenbnrger Thor, diesen einfach
mächtigen Bau, am äußersten Ende der Stadt zu einer Zeit
zu errichten, als die Linden noch kauin ganz ausgebaut waren.
Mieder offenbartc stch die Auversicht, daß die kfauptstadt
jdreußens den weitern Rahmen ausfüllen werde, welchen man
ihr gab, wieder zeigte sich jene höhere Auffassung dessen, was
»praktisch« ist, nämlich das kfinausgehen über das augenblick-
liche Bedürfnis. Sollen wir nun kleiner soin, als die frllhcre
Zeit? Da lese ich in vielen Lrläuterungsberichten, man dürfe
das Aaiser-Denkmal nicht »vor das Thor« setzen, dem Aaiser
nicht anßerhalb Berlins ein Denkmal errichten. Als ob nicht
schon jetzt halb Berlin »vor dem Thore« liege, als ob es nicht
nur eine Frage der Ieit sei, daß Lharlottenburg mit Berlin
vereint werde, daß der Ring von bebautcn Straßen sich iim
den Tiergarten lege und dioser die »Lunge Berlins« werde,
wie der ksydepark die Lunge Londons ist. Und die Lunge
liegt dem kserzen so nahe l — Schinkel wollte den Dom auf
dem Potsdamer platze bauen — man lachte ihn aus. lver
soll denn, hieß es, so weit zur Stadt hinauslausen? Das ist
etwa ein halbes Iahrhundert her. kseute ist jener Platz einer
der Uiittelxunkte des großstädtischen Lebens. lver denkt daran,
daß er »vor dem Thore« liegtl lver aber beklagt es nicht zu-
gleich, daß jenem Stadteil jeder Ulonumeutalbau fehlt? Das
Brandenburger Thor hat eben längst aufgehört, das Lnde
der Stadt zu bedenten, es ist zum Ausgang in ihren großen
Garten geworden, ein Siegesthor, welches die große in die
innere Stadt einführende Straße überbrückt. In jenem Garten
steht das Reichstagsgebäude, steht die Siegessäule, stehen der
Aönig und die Aönigin der Frciheitskriege, mehr und mehr
gestaltet sich der Tiergarten zu einem Lhrenhain, zu einem
Parke Berlins, und wohl nur die Spießbürgerei des kleinsten
Airchturmgeistes kann glauben, daß man Berlin verläßt, wenn
man an der lvache am pariser Platze vorbeigegangen ist."

Lin nLchstes Ukal denken wir von dem im engeren Sinne
künstlerischen Lrgebnis der lvettbewerbes zu sxrcchen.

» Als Schluß unserer bisherigen lparlser Ilrunstbrlefe
wcrden die Leser eine Besprechung der deutschen Aunstwerke
auf der wcltausstellung vermißt haben. ksermann Bahr
schreibt nns darüber: „Die österreichische und deutsche rlbteilung
sind einander darin gleich, daß man sie wohl genießen kann,
doch nicht, ohne sich zur nämlichen Zeit auch gründlich zu
ärgern. Sie schaffen Genuß, weil von Ulunkacsy, Lharlemont,
Brozik, Thoren, Ulatejko, ksynais und Payer, von Leibl, Uhde,
Liebermann, Aühl, Llans Meyer und dem großen Stecher
Aöpxing erfreuliche Stücke von Talent und Fleiß sich finden.
Sie schaffen Aerger: die österreichische, weil sie, ohne Plan an-
gelegt, durchaus kein Bild der gegenwärtigen österreichischen
Aunst ist, von der sie weder alle Berühmtheiten noch die be-
merkenswerte Iugend euthält, ein wüstes, vom Znfall be-
herrschtes Durcheinander; die deutsche, weil sie ernseitig die
junge Lsellmalerci darstellt, welche weder die herrschende Schule
noch die für deutsches lvesen charaktcristische ist. Ich habe
darüber an einem anderen Grtc, in der lviencr »Deutschen
Zeitung« mein Urteil ansführlich begründet, da im »Aunst-
wart« dazu der s?latz gesehlt hätte, und darf vielleicht diejenigen,
welche sich des Näheren gerade fllr diese Frage interessiren,
auf jenes Feuilleton verweisen."

Der kserausgeber d. Bl., welcher mit ks. Bahr in paris
über die Sache sprach, gelangte angesichts der wenigen und
teilweis schon bei anderer Gelegcnheit im »Aunstwart« er-
wähnten deutschen Bilder, die sich dort fanden, in vollem Lin-
verständnis mit unserem Berichterstatter zu der Ansichk, daß
deren Besxrechung für den Iweck der „Pariser Aunstbriefe"
entbehrlich sei. Line Besprechung aber, wclche vornehmlich einem
anderen Zwecke dient — dem, das verhältnis der franzö-
sischen Aunst zur deutschen zu beleuchten, — werden wir unseren
Lesern demnächst unterbreiten. Ihr vcrfasser ist „S. S.", dem
wir den Aufsatz „Iusti's velazquez als Aompendium
praktischer Ästhetik" verdankten.

Über den Linfluß des rauchlosen Pnlvers auf die
Schlachtenmalerei bringt ksevesi im „Pester L." eine Plauderei.
In einer malerischen Zeit, „der die Augen geöffnet sind sür
Farbenstimmungen, lhelldunkel, Ton, und wie alle die un-
saßbaren Feinheiten des modernen Malwerks heißen", sei
cbcn der jdulverdampf etwas künstlerisch höchst Mchtiges.
In einer unmalerischen Zeit, wie der des ersten Aaiserreichs,
sei er's ja sreilich nicht gewesen. Selbst ein Goethe hatte kein
Auge dafür; tcotz seiner überaus scharfen und sorgfältigen
Bcobachtungen erwähnt er z. B. in der „Aamxagne in Frank-
reich" und der „Belagerung von Mainz" nicht ein Mal anch
nur andeutungsweise die malerische lvirkung des Pulver-
damxfes. „Ls war eben damals die antikisironde Anschauung
die herrschende, das Auge empfand kein Bedürfnis für Farben-
nnd Lichtkontraste". Die Italiener hätten anch keinen „Geschmack
am Pnlverdampf" gehabt; in Salvator Rosas Gefechtsbildern
z. B. sxiele er keiuc Rolle. Die Freude an Rauch und Dampf
kam vielmehr von den ksolländern hec in die Malerei. „Als
die van Goyen und de vlieger dem Grau.in-Grau ihrer
nebligen Atmosphäre seine eigenartig feinen Reize abgelauscht
hatten, war es nicht zu verwundern, daß auch Phillipus
wouverman das Seinige beitrug, indem er den wolken der
Lnft die wolken des Schießxulvers zugesellte". kfeute geben
Dampf und Rauch dem Schlachtenmaler die natürliche weiße
wand ab, um die Silhouetten kräftig geltend zu machen; sie
sind auch sonst koloristisch höchst wertvoll, aber nicht nur kolo-
ristisch, sondern auch um die Lage der Dinge klar zu bezeichnen.
„Man stelle sich etwa eine Schlacht vor, wie das Aesseltreiben
bei Sedan. Die eine Partei ist umzingelt, die andere hält
die ksöhen ringsum mit Artillerie besetzt, deren Feuer sich

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