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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 6
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Sprechsaal: nochmals in Sachen: "Goethe und noch immer kein Ende"
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0102

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„Goethe hatte die gewaltige Lrneuerungszeit in Italien,
wo er seine Wiedergeburt erlebtc, hinter sich, als er seinen
„Bürgergeneral" rc. schrieb — kleine, kleinliche Machwerke,
die aus neuen Irrtümern, neuen Mmmernissen und ver-
kümmerungen hervorgegangen,"

ls. Lonradi: Lieder eines SLnders. S. IX.

„Das ewig Männliche zieht uns hinan".

A. Bleibtreu: Schlechte Gesellschaft, Schluß.

(Dieses ursprüngliche Feldgeschrei der „ naturalistischen
Schule" berveist zur Genüge, daß sie vom direkten
Gegensatz zu Goethe ausging.)

„Immer mehr erweist sich dieser seltsame Iüngling (Lenz)
als ebenbürtiger Rivale des jungen Goethe .... Linzig und
allein Goethe zu Liebc hielt Tieck die Schmerzenskinder Lcnz-
scher Nusenbegattung im Dunkeln zurück. Goethe mußte
nach seiner Anschauung der Märchenprinz bleiben, — dem es
allein vergönnt gewesen war, mit keusch - genialischem Rnß
das holde Dornröschen der deutschen Poefie aus Iahrhunderte
langem Schlaf zu erwecken .... Lenz sehlte nur zu sohr der
„Egoismus des Genies", den Goethe in so hohem Grade be-
saß . . . . lveiter sehlte Lenz der göttliche Leichtsinn, die naiv-
tierische Sinnlichkeit des jungen Goethe."

w. Arent; Reinhold Lenz v. A. Ludwig, S. VII,
55, 6t und 62.

Auf Grund dieser und zahlreicher ähnlicher Aus-
sprüche wäre also das volksheft sogar zu schärfere»
Angriffen auf die „Naturalisten" berechtigt gewesen.
Lin an sich erfreulicher wunsch des bssrrn Alberti
ist zum Vater des Gedankens geworden, wenn er in
Selbsttäuschung behauptet, sein und seiner Freunde
„Naturalismus" sei nicht von Zola, sondern von
Goethe ausgegangen. Selbst seine neue Schrift „der
moderne Realismus" faßt Goethe in der alten <Lin-
seitigkeit der „naturalistischen Schule" auf. Zm Stil
von Zolas naturalistischer Scholastik eifert Lserr
Alberti gegen die poetische verwendung von Gngeln,
Teufeln und Geistern (S. is), - als ob Goethe
keinen Mephisto geschaffen. Zm Stil von Zola steht

ihm als dichterischer Stoff (S. 18) „der Tod des
größten Lsslden nicht höher als die Geburtswehen
einer Ruh" (!) —, als ob nicht Goethe-Schillers
ZLenien in die Fragen austänten:

„Aber ich bitte dich, Freund, was kann denn dieser

Misere

Großes begegnen, was kann Großes denn durch sie

geschehn? ....

woher nehmt ihr denn aber das große gigantische

Schicksal,

welches den wlenschen erhebt, wenn es den Menschen

zermalmt? . ..

Also eure Natur, die erbärmliche, trifft man auf

euren

Bühnen, die große nur nicht, nicht die unendliche an?"

Zn Übereinstimmung mit Zolas „clocumsnts
bumaius" fordert kserr Alberti, daß der Dichter
nichts darstslle, „als was ihm durch Lrfahrung oder
aktenmäßig (!) beglaubigt ist" (S. 2ö) und nennt
den modernen Realismus „dsn jüngern Bruder der
modernen Naturwisssnschaft", dsr also diessr, dem
älteren Bruder, nacheisern soll; selbst Zola — („uu
oeuvre cl'urt est uu coiu cle lu crsatiou vu ü truvsrs
uu tsmpsramsut") überzolairend lautet bs. Albertis
Dogma: „Der Rünstler soll die Stimmung der Natur
erforschen und wiedergeben, nismals aber seine eigene
in dieselbe hineintragen" (S. 19), — als ob nicht
Goethe von „Natur und Geist" spricht, als ob er
nicht mit voller Absicht in „ksans Sachsens poetische
Sendung", „Rünstlers Lrdenwallen" nnd „Äünstlers
Apothese" dis Muss einführt, die da spricht:

„Lin heilig Feuer, das in dir ruht,

Schlag aus in hohe lichte Glut!"

Der Herausgeber der „N. Lit. Volkshefts "

Rus der WücdereL.

Mllctb»»cbtssckLU. MUr musstcn tür dle drci Mtcibnucbtsbcttc des „tkunstwurts" dtc Nbtctlunu „Nus dcc Lücbcrei" der Nnzcige
vsn Mcrkcn vorbebultcn, dtc in bcsondercm twusse uls zu Festgcscbenkcn geeignet gclten mollcn.

Ä-r ffm Docbgebirge. Manderungen von vr. Lmil
Zsigmondz». Illit Abbildnngen von E. T. Lompton.
Herausgegeben von A. Schulz. (Leipzig, Duncker 6: bsnm-
blot; NI. 25, Prachtausg. IN. 56.) — Frennd des Bergfexen-
tums bin ich nicht, und handelte sich's im vorliegenden Merk
um nichts weiter, als nm die Schilderung von Renommir-
Kraxeleien, ich hätte gewiß keine Freude daran. Der als
Bergsteiger berühmte Lmil Zsigmondy (der schließlich dnrch
einen Sturz von der wand sein Leben verlor) betrieb aber
augenscheinlich seine Lsochtourcn voll von höheren Gefühlen,
als denen des jdrahlertums — es bedarf der Dersicherung nicht,
die uns sein mehrmaliger lvandergenoß, der treffiiche Iseraus-
geber des Iverkes, giebt: wenn wir es auch nicht von Zsig-
mondys persönlicher Bekanntschaft her wissen, wir lesen es
aus den Schilderungen sclber, die bescheiden, rnhig und sachlich
nie die person des verfassers wirknngsvoll zu beleuchten
streben. IVer, ohne selbst ksochgebirgstouren zu nnternehmen,
eine gute vorstellung von der herrlichen Gotteswelt droben
und von der Art ihres Bereisens erlangen will, der hat keine
so reiche Literatur zn seinem Rnterricht zur verfügung, wie
INancher wohl glauben mag: die Gabe klarer Schilderung ist
unter den lvenigen, die hier überhaupt schildern können, nicht
gar so häufig vertreten: ein gewisses schönrednerisches Schwär-
men verdeckt oft den lNangel an Körperlichkeit der Erzähl-
ungen. Isigmondy wußte gut zu beschreiben, manches hat
wohl auch der kserausgcber, prof. Schulz, noch geklürt. lvo
aber Unklarheit bleiben konnte, da war der Stift Lomptons
(ebenfalls eines Bergsteigers von Rus und Sachkenntnis) schars
erläuterud zur Stelle, er, der andererseits sür dann und wann
geradezu bedeutende künstlerische und doch wiedcr „alpenklubistisch
zuverlässige" Blätter (sie sind in vorzüglichen Photogravüren
wiedergegeben) größere Bilder aus der herrlichen lvelt von

Fels und Schnee heransnahm. Ich kenne kein zweites deutsche^
lverk, das in der vereinigung von Bild nnd lvort ernsteren
Ansprüchen an eine Darstellnng der lsochgebirgswanderungen
annähernd so genügte, wie dieses, obgleich ich von der Ieit
eigener Bergreisen her nicht ganz unbekannt in dieser Literatur
bin. Und serner: Ich kenne auch nur ganz wenige lverke in
der deutschen Literatur überhaupt, dic in so musterhast vor-
nehmer, so in sich fertiger Ausstattnng vor den Leserkreis
getreten sind. —i—

D. Ilr. Moseggers rrusgewäblte Mlerkie, mit 6oo
Illustrationen von A. Greil und A. Schmidhammer
(lvien, lsartleben , 75 Lief. zu je Ni. 0,50) liegen nun also
sertig vor — oder auch nicht fertig, denn einer neuen An-
kündigung nach sollen den vier Bänden noch zwei weitere
solgen, enthaltend „Iakob der Letzte", „lllartin der lUann",
„Allerhand Leute", „Dorfsünden", „Feierabende", „Sonntags-
ruhe". Die Illustratoren haben wacker gehalten, was sie ver
sprochen: sie keimen Land, volk und — Roscggers lverke,
und sind bemüht gewcsen, nicht vordrängendes, ondern be-
scheiden sich Unterordnendes zu bieten, wie man's von ihnen
verlangen durfte. lllöchte der Roseggersche jdoesiebrunnen
unter recht viele lveihnachtsbäume rieselnl

Ä-r A. M. Dackländers bumoristiscbe Scbritten.
lUit 236 Illustrationen von ls. Schlittgen, A. Langhammer,
R. lsaug, ls. Albrecht, F. Bergen, E. Alein. (Stuttgart,
Larl ltrabbc; lU. ;8, geb. lU. 20.) — Ein mächtiger Band
in Lsxikon-Mktav. Daß wir über lsackländers vielleicht mehr
als nötig bekannte Schriften etwas sagen sollten, verlangt
man heute gewiß nicht von uns: wir haben uns nur mit der
vorliegendm Ausgabe zu befassen. Unter den Ieichnern
spielt Schlittgen die erste Rolle. Seinc Fähigkeit, nicht nur
zu charakterisiren, sondern auch zu glossiren, nicht gemütvoll,

- so —
 
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