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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 21
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Rundschau
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Biese, Alfred: Sprechsaal: in Sachen: "Antik und modern"
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0344

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Ss



Ä

Dadiirch wurdcn die Bilder wieder geschmeidig nnd tratzten
den schädlichen «Linfliissein

T>en Lrfolg haben wir also handgreiflich an ihrcn Bildern,
aber ini Mittel fclbst ist noch ein etwas bedenklicher Bestand-
tcil — das Leinöl. Dieses ist jetzt kaum noch auf natnrlichem
Wege, sondern fast nnr durch Lalzsäure gebleicht zu haben
und hinterläßt außerdem beim Lintrocknen noch zu viel
Substauz. Ls würde sich dnrch öftercs Auftrageu eine Schicht
getrocknetes Leinöl ansammeln, die, durch das Vergilben, wieder
keiuen Vorteil bieten iviirdc. lvir habcn nun aber jetzt
ein Gl, das nicht uur diese Nachtcile nicht besitzt, sondern in
Verbiuduug mit Äther nur soviel Snbstanz zurückläßt, wie
gerade uötig ist, um das Bild glänzend, dic Farbe geschmeidig
zu erhalten. Führt man in jeucs Aiittel das Vaselinöl statt
des Leinöls ein, so wird nach einer hundcrtjährigen Behand-
lung keine Ändcrung zn finden sein, falls nicht die Farben
außergewöhnlich nachdnnkeln.

Da nämlich die durch Temperatur und Feuchtigkeit be-
diugte Beweguug eine schr minimale ist, so genügt anch eine
geringe tlZuantität ätherischcr Vaseline, um die Farbschicht im
Gleichgewicht dehnbar zu erhalten. Tine Abreibung durch
ein wollcnes Läppchen, das man mit dieser Vascline getränkt,
würde viellcicht alle fünf Iahre stattfindeu dürfen — vorans-
gcsetzt, daß das Bild noch intakt ist. Meder Terxeutin noch
Vaseline lassen eine Spur zurück, sie dringen in die ^arbschicht
ein und gehen derart in ihr auf, daß jene dnrch sie nichts
als Geschmeidigkeit erhält, der Äther aber wird der Farbe
stets die alte Leuchtkraft des Aolorits bewahren. Ts wird

dnrch dieses Akittel dem Bilde äußerlich wie iunerlich das
Leben uud die Araft zum Leben erhalten bleiben, das frische
Aussehen und die Haltbarkeit werden wie bei den Nieder-
ländern stets gleich vorzüglich sein.

Noch einen Bcweis sür die uur guten Ligenschaften der
ätherischen vaseline liefert die lvirkung, die es felbst auf
zersprungene und durch Alter beschädigte Bilder ausübt. Die
Eifahrung lehrt, daß Risse und Sxrünge, ksöcker nnd sonstige
durch die Ieit eutstaudene Ubel bei mehrmaliger Anwendung
mit etwas reichlicheren Linreibungen in den meisten Fällen
verschwinden — ein Erfolg, der dem fdettenkoferschen ver-
fahren mit Spiritusdämpfen gleichkommt, der aber das
Zurückfallen in den alten Iustand, wie es bei jenem oft der
Fall ist, ausschließt. Selbst bei den alten Bildern, die noch
den alten Firnis tragen, tritt Vaseline gegen diesen auf und neu-
tralisirt seinen schädlichen Einfluß, dabei ist diese Art Be-
handlnng von jedem Laien auszuführen nnd bedarf nicht einer
des Restaurirens kundigen ksand.

Allerdings würden die Museumsdirektoren mehr zu thun
haben, wenn sie die Bilder in der angedeuteten Art be-
handelten, aber das Aussehen der Säle würde auch ein
anderes sein, und der Beschauer würde sämtliche Bilder in
ihrer vollen Frische, in der einst von den Uleistern selbst
durchdachten Wirkung ganz genießen können. Statt dessen
überzieht jetzt so oft eine vergilbte, bläulich dünstige Rauch-
schicht ton- nnd tiefenlose Bilder, aus denen selten einmal
frisch und restaurirt eines wie ein Stern hervorleuchtet, um
die audern noch mehr zu verdunkeln.

TiL-N Büttner Pfänner zu Thal.

recksaal.

Lp

Zn Sacheni „Antik und rnodern".

Ls giebt vornrteile in der wissenschaft, welche,
von großen Namen getragen, so fest gewurzelt er-
scheinen, daß sie fnr unausrottbar gelten ninssen. Zu
diesen gehört der Wahn, dem chchiller zuerst beredte
Ivorte lieh, es habe den Alten sene Znnigkeit, mit
der wir Neueren an der Natur bangen, gemangelt.
Schiller kannte das Griechentum wesentlich aus Liomer,
und für jene Zeit überhauxt war ein solcher Zrrtum
uicht nnr begreiflich, sondern auch verzeihlich. Aber
heutigeu Tages sollte er endlich abgethan sein.* Daß
auch ^omer, wenn auch iu uaiver, nicht in moderner
seutimcntalischer Tveise die Natur anschaut und ein
lebendiges Zuteresse für sie bekundet, das beweisen
seine Beiwörter, die er den Naturerscheinungen bei-
legt, seine Gleichnisse, seiue Brtsschilderungen. Aber
das Griechentum wurde kosmopolitisch im Lselleiiismns.
Zn diesem erblüht eine moderne Auffassungs - und
Denkart, die von der unsrigen nur noch graduell ver-
schiedeu ist.

In dem t S. Stück des diesjährigen „Aunstwarts"
ist ein Aufsatz von A. bferzog „ Antik undmodern "
aus der „Nation" herangezogen und — mit Vorbehalt
teilweise wiedergegeben, welcher mit warmer Be-
geistcrung, die ich vollkominen teile, die erzicherische
Araft preist, die den Denkmälern griechischen Geistes-
lebens auf allen Gebieten der Aunst inne wohnt;
aber jener kvahn von dem Mangel individuellen
Naturgcfühls bei den Griechen spukt auch in ihm.
Da heißt es: „S>o unendlich wertvoll für die Schöpf-

* Vgl. meiiic „Liitwickelimg bes Natnrgcfühls bei den
Gricchen imd Römern".

ungen der plastik die griechischen Götter gewesen, so
stellten sie sich doch zwischen das Zndividuum und
die Natur und hinderten es daran, dem, was rings
herum lebte und webte, den Stempel eigenster seelischer
«Lmpfindung inimer von Neuem aufzudrüeken . . . lvo
wären bei den Alten solche individuellen Naturbeseel-
ungen möglich gewesen, wodurch uns bfeine, besonders
aber Lenau so oft zu unserem Lntzücken überrascht?"
So gewiß eine Stimmung, wie die des Goetheschen
Nionologs an den Lrdgeist (Lrhabner Geist u. s. f.)
im Altertum uumöglich war, so ist es doch verkehrt,
zu behaupten, der Gott, „der die Landschaft aufsog",
habe es zu einer individuellen Naturbeseelung nicht
kommen lassen. Gewiß hält sich ferner der antike
Geist in maßvollen Schranken, die ihn von solchen
nach Lffekt haschenden Sprüngen der Phantasie, wie
wir sie z. T. bei bfeine und Lenau finden, in der
besten Zeit eutfernt hielt, aber stufenweise nähert er
sich der NToderne. Nur wenige Beispiele!** Zm
Homerischen khymnus „lacht" der weite ksimmel uud
die gauze Lrde und die graue Nteerfkut; bei dem
Lyriker Alkman liegen „schluinmernd" die Gipfel
der Berge und die Schluchten; und Simonides läßt
die auf dem Nteere ausgesetzts Danae klagen: „Schlafe,
mein Rind, o schlafs, du See, schlafe, meiu unermeß-
liches kveh!" Bei Aeschylos schildert Aphrodite ihre
Liebesmacht: „Ls sehnt der keusche bsimmsl sich, zu
umfahn die Lrd, Sehnsucht ergreift die Lrde, sich
zu vermählen ihm". . . . Zm Agamemnon heißt es

** Eingeheiidcr habe ich hierüber gehandelt in der „Ztschr.
f. vergl. Literaturgesch.", Bd. I, S. ;Z6 ch und in dem neuesten
Band der „Ztfchr. f. völkerxsychologie", kseft z.




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