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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 12
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Vom Zeitalter deutscher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0189

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Uöer alle Detnete des Ocöenen.

12. Ltück.

Lrscbctnt

Derrwsgeber:

zferdinand Nnenarius.

Kesrellpreis:
vierteljährlich 21/2 Mark.

3. Zabrg.

Dom ^eitalter deutscker Ikunst.

>s ist ein Leid, zu leben" — der pessimis-
!inus klagt es wieder laut durch die N)elt.
WIHm zeigt sich eiue gewaltige Rultur an-
^gefressen und angefault — es ist ihm, als
härt' er init dem inneren Sinne den Sturm in den
cüften, der am morsch Gewordenen rüttelt: was soll
werden, wenn es in sich zusammenstürzt? „Frülsiing
soll werden," antworten ihin andere, „deNn was ihr
hört, ist der dNärzsturm einer kommenden Zeit".
Und sie weisen auf Reime hin, die noch so unschein-
bar im Moder stecken, daß sie der Rurzsichtige gar
selber für Moder und welke Blätter hält. Und sie
jubeln: „es ist eine Lust, zu leben!"

Zu den ksoffenden gehört der Verfasser des Buches,
vou dem schon mehrmals nn „Uunstwart" die Nede
gewesen, ohne daß wir von seinem wichtigsten, von
seinem allgemeinen Znhalte den Lesern schon des
Nähern gesprochen hätten, der Verfasser von „Nem-
brandt als Lrzieher". Das Buch selber und viel
mehr noch das bei einem N)erke dieser Art ganz un-
gewöhnliche Aufsehen, das es in den fünf U)ochen
seit seinem Grscheinen erregte, sind von svmptomatischer
Bedeutung für unsere Zeit.

„Nembrandt als Lrzieher" bietet seinen §esern
in den Hauptsachen nicht gar viele Gedanken von
unerhörter Neuheit. Nicht nur bei Nietzsche oder
auch bei paul de Lagarde, nein, zwischen den
werken vieler zeitgenössischer Rritiker (das wort
Rritiker im hohen Sinne genommen) sinden sich zahl-
reiche Gedanken des werks schon vorgedacht, und
der „Runstwart" selbst dürfte mit gutem Gewissen
auf seine Aufsätze „Bildung", „Unser literarisches
publikum", „Neligiöse Runst", „Berliner Literatur
oder deutsche Literatur?", „Dichter und j)harisäer"
und noch manche andere zum Beweise dafür hinzeigen,
wie nahe gerade seinem Streben die Nichtung liegt,

in der sich der Ungenannte bewegt. Die kfauptbe-
deutung dieses Buches liegt darin, daß der verfasser
das so überaus Niannichfaltige, das er vorbringt,
in seiner Aeele zusamniengefaßt hat zu einer einheit-
lichen weltanschauung, die, so jung wie sie ist, sofort
als typisch für die weltanschauung von ksunderten
und Tausenden unter uns Deutschen dasteht. In
diesem chinne ist „Nembrandt als Lrzieher" recht
eigentlich ein „erlösendes wort".

Danüt ist nicht etwa gesagt, daß die Ulehrzahl
seiner schon jetzt so zahlreichen Leser auch nur den
meisten Gedanken des Verfassers zustimmen dürfte.
Das ist ganz sicherlich nicht der Fall. Die rückhalts-
lose Rritik, die das Buch an zahlreichen Dingen übt,
die gerade für den in jetziger iweise gebildeten Denken-
den mit Autorität umkleidet sind, sein Standpunkt
außerhalb jeder partei, seine Ablehnung aller Zuge-
ständnisse, seine Benutzung leicht mißverständlicher Be-
griffe werden sehr viele verletzen. Sehen wir ab
von Ansichten, die eben „Ansichtssache" sind: das Buch
hat auch wirkliche Uiängel. vor allen eiue Grdnungs-
losigkeit, die das klare Durchdenkeu sehr beträchtlich
erschwert: nicht auf gradem wege, sondern mit hundert
Rreuz- und (Juer-, Vor- und Nückwärts-, beschleunigten
und verlangsamten Uiärschen strebt der Derfasser zu
seinem Ziel. Dazu häufig ein Achillern der Besprechung
zwischen eigentlichem und übertragenem wortsinn hiu
und her, die Verwendung einer vorstellung bald in
diesem, bald in anderem Änne, bald als Dergleich,
überhauxt ein ost gefährliches Spiel mit Aietaphern
und worten. fferner: vielen wichtigen Lragen gegen-
über eine unbestreitbare Linseitigkeit, kühle Zurück-
haltung z. B. gegen das oberdeutsche, unbegrenzte
Dorliebe für das niederdeutsche wesen, Bevorzung der
bildenden Runst vor der Dichtung, in welcher dann
wieder Uiänner wie Zola einseitig auch im Linzelnen


Der Nachdruck von lüngeren wie kürzeren Beiträgen des „Aunstwarts" ist vom verlage nur unter deutlicher (Vuellenangab!; gestattet.
 
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