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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 5
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Misch, Robert; Herrig, Hans: Das Wormser Spielhaus und die Volksbühne
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0077

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über alle Deö»ete°öeK.Sc6önen.

5. Stück.

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im ersten und dritten viertel

Iberausgeber:

zferdtnand Nvenartns.

Wesrellprcls:

vlerteljShrlich 21/2 Mark. 3. Hgf) VN.
Anzeigen: 3 gesp. Nonp.-Zeile j)f. -—-

Das Mornlser Lpielbaus und die Volksbübne?

der alten Neichsstadt tVorms ist am
20. November eine Bühne eröffnct worden,
«^^MMdie sich schon in ihrem Namen, noch mebr
in ihrer äußeren Ausgestaltung und
in den Grundsätzen, auf denen sie beruht, wesentlich
von den gewohnten Theatern unterscheidet. Fried-

rich Schön, ein reicher Runstfreund zu worms, einer
der wärmsten Anhänger Bayreuths, hat sie materiell
mit bsilfe seiner opferwilligen Mitbürger begründet
und ist auch der Begründer ihrer ausgexrägten
Ligenart. <Ls sind wagnersche Ideen, die ihn zuerst
über eine veränderung der Grundsätze nachsinnen
ließen, nach denen ein Theater geleitet werden müsse,
das nicht wie die meisten mittleren und kleinen
provinzbühnen der geschäftlichen Ausbeutung, der
finanziellen Bedrängnis, dem künstlerischen Schlendrian
und dem seichtesten vergnügungsbedürfnis anheimfallen
solle. In seiner Schrift über eine Neugestaltung der
Züricher Bühne (l85l) hatte Richard wagner darauf
hingewiesen. wagner wünschte vor Allem einen
neuen, deutschen Stil auch für das rezitirende Drama,
angemessen den Bedingungen und Bedürfnissen unserer

* Es ist iin „Kunstwart" über die grundsatzliche Be>
deutung „theatralischer ffestspiele" so viel gesprochen worden
— wir erinnern besonders an die Beiträge von Bulthaupt
und kserrig (Kw. I, 8, l» und ll). daß wir Manches nicht
zu wiederholen brauchen: unsere neuerliche Behandlung der
volksbuhnenfrage dars in vielem den Lharakter einer Er-
gänzung tragen. Da unserer Meinung nach bei der Lrörternng
von Ncuerungen die „väter der Gedanken", d. h. die An-
reger dieser Neuerungen stets das Recht derAussprachegenießen
sollten, dainit Mißverständnisse über das, was sie erstrebcn,
niit Sicherheit ausgeschlosscn bleiben, so geben wir unmittel-
bar > ach unsenn Berichterfiatter kserrn ksanskserrig selbcrdas
lvort. Die Kürze der Zeit machte leider unmöglich, ihm
Mischs Aufsatz vor der Niederschrift sciner Bemerknngen zu
unterbreiten — vielleicht hätte er sonst noch diesen oder jenen
anderen Punkt berührt. Sollte er das nachholen wollen, so
stehen ihm selbstverständlich unsere Spaltcn offen. A.-L.

Theater und ihres publikums. was die Darstellung
betrifft, so erhoffte er, daß die Berufsschausxieler all-
mählich durch Nlitwirkende aus dem volke, durch
eine künstlerische Genossenschaft der Bürger, wie bei
den mittelalterlich-kirchlichen Nkysteriensxielen verdrängt
werden würden. Auch die Szene selbst verlangte er
für das Drama anders, als sie ist. Unsere tiefe
Guckkastenbühne hätte sich als Lrbteil der Nenaissance-
kunstbühne nur nach den Bedürfnissen der Dper ge<
staltet. Auf ihr wirkte alles stächenartig, bildmäßig,
wie es nur für die Idealwelt des wusikdramas
xasse. Die ursxrüngliche germanische Bühne, die in
der Szene Shakesxeares ihre höchste Ausgestaltung fand,
auf der die Vorgänge, wie es für die reale welt
des rezitirenden Dramas nötig, plastisch wirkten,
sei durch jene verdrängt worden.

Man sieht also, daß es rein wagnersche Zdeen
sind, die kserrig in seiner volkstümlichen Bühnenreform
aufgriff. wir haben hier schon dereu drei haupt-
sächliche Tlemente: den neuen, deutschen und volks-
tümlichen Stil, die Niitwirkung des Volkes und die
Szene Shakespeares. In seinem Lutherfestspiel ver-
körxerte kserrig zum ersten Mal diese Ideen nach
einer Anregung Schöns. Zur -oo jährigen Geburts-
tagsfeier des Reformators wurde es zuerst in worms,
wo Luther so Großes vollbracht, in der dortigen
protestantischen Rirche aufgeführt. Dies regte zurück-
wirkend Schön wiederum an, an eine reale Gestaltung
seiner durch wagner entfachten Ideen zu denken, und
so verknüpften sich seine Pläne, die er den Riitbürgern
in einer Broschüre vorlegte, mit denen kherrigs. Be-
trachten wir erst die Herrigsche „Reform", ehe wir
die auf Schöns eigenste Znitiative zurückzuführenden
Besonderheiten des wormser Spiel- und Lesthauses
erörtern.

was ist an jener Reform berechtigt, was ist an

ss —
 
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