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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 9
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Einsam, Uwe; Ehrhardt, Adolf: Sprechsaal: in Sachen: Malerei und Dichtung
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0150

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immer eme andre Seite der Natnr für die zur Aus-
drucksweise geeiguetste gehalten. Ls mehrt sich dadurch
der Schah der Ausdrucksmittel, die dauu ja auch
immer im eugeu Zusammeuhaug mit den jeweiligen
Anschauuugeu der Zeit stebeu. Natürlicher Weise
spricht dabei die größere oder geriugere Ruustfertig-
keit und Ausbildung der Techuik weseutlich mit.

Die wesentlichsteu Uuterschiede aber der Dar-
stellungsweise erzeugen sich dadurch, daß entweder
vorzüglich durch die Formgebung wahrheit uud
Natürlichkeit erstrebt wird, oder durch die malerische
vollendung, die je nach ihrer vollkommeuheit auch
immer ein vollkommueres Spiegelbild der Natur dar-
bieten wird. Die eine und die andre Nichtuug wird
ja auch stets von Liufluß auf wahl und Auffassuug
des Dargestellteu, des Znhalts sein. Aber aus der
wahl des dargestellteu Gegenstaudes ergiebt sich durch-
aus noch uicht und wie vou selbst zugleich die Nichtung
auf die wahrheit uud Natürlichkeit der Darstellung.

weuu der iu der ersten Hälfte dieses Zahrhuuderts
herrschendeu, der sogenanuteu romantischeu Nuust-
richtung der vorwurs gemacht wird, daß sie sich vou
der Natur abgeweudet habe, daß ihr nicht aus der
Natur die belebeudeu Antriebe gekommeu seieu, so ist
dies wenigsteus bei deu augeführten Nüustleruameu
eiues Lornelius, Schwind, Richter usw. nicht zutreffend.
Sondern richtig ist uur, daß diese Mnstler vorzugs-
weise in der Formeugebuug, also überhaupt durch die
Form das beste Ausdrucksmittel für ihre küustlerische
Lmpfiuduug zu fiuden geglaubt habeu.

N)enu Gegenstände aus der Geschichto, aus der
Sage, aus der Bibel dargestellt werdeu, so schweben
doch immer dem Rüustler Lrlebuisse, Anschauuugeu
vou Begebeuheiteu uud persoueu, die er selbst gesehen
hat, vor, die entweder dem Darzustellenden verwandt
siud oder sich iu das Darzustellende einfügen. Und
anders ist es doch uicht mit deu Darstelluugeu, die
unmittelbar dem jetzigeu Lebeu eutuommeu siud, —
es sei deuu, daß geradezu eine persou oder irgeud
etwas Lrlebtes dargestellt wird. Die übrige Meuge
uud gerade die bedeuteuden Darstelluugen aus uuserer
Zeit entspringen ebeuso der phantasie des Nünstlers,
die durch Gehörtes oder ähulich Lrschautes augeregt
ist, und der sich uun irgeudwo Geseheues und Lr-
lebtes zu Dieusten stellt.

Die werke der vorher geuaunten Äüustler, die
weseutlich ihre Gegeustäude aus der Sage, der Ge-
schichte, der Bibel uud auch aus dem gegenwärtigen
Lebeu genommeu habeu, bestätigen das oollkommeu.
Das Titelblatt der Nibelungen vou Toruelius ist eiu
eignes selbstäudiges küustlerisches Gedicht. Die auf

ihm dargestellten Gegenstäude siud eigne freie Schöpf-
ungen, und die ergreifende wahrheit derselben ist nicht
der Abglauz einer fremden dichterischen Lrhebung,
soudern eigne tiefempfundene verklärte Naturwahrheit.
Der übrigeu großeu werke dieses Nleisters, deren
Gegenstände aus der Sage und Bibel genommen sind,
bedarf es keiuer Lrwähnung. Und nun chchwiuds
Siebeu Naben, seine Nkelusine, ja alle seine werke
— wer könute in ihnen das eigne, lebendig pnlsirende
Lebeu verkennen? Die Bilder in der Schackschen
Sammlung bezeugen, mit wie aufmerksamem scharfem
Blick und feinem Verständnis er die einfachsten Be-
gebenheiten des Lebens beobachtet und ihren wert
künstlerisch und poetisch empfunden hat. Ls wird
nicht notwendig sein, über Ludwig Richters Schaffen
eine weitere Bemerkung zu machen. cheine werke,
allen verständlich, sind doch gewiß mitten aus der
Fülls der Lrscheinungen des Lebens gegriffen. Aber
freilich, die Formengebung ist das Nkittel ihrer Aus-
drucksweise gewesen. Zm Rontur, in der ausgeführten
Zeichnung, im kolorirten Bilds. Nicht die volle,
malerische Lrscheinung des Lebens. Nach dem wort-
laut ästhetischer Gesetzgebung gewiß ein Nlangel, aber
für den Genuß und die lebendige Freude an der
Uunst reichlich ersetzt durch die Darstellung der Größe
und Schönheit wirklichen Lebens, welches heiterste
Freude und tiefste Lrschütterung zu erregen im
Ltande ist.

wenn behauptet wird, diese romantische ideale
Nichtung habe das Feuer ihrer Begeisterung an be-
reits flammendem fremdem Dichterfeuer entzündet, so
könnten außer dem vorher gesagten auch noch
die in jener Zeit entstandenen Landschaften herange-
zogen werden, die ja doch keinesfalls Gedichten ihre
wirkliche Lntstehung verdanken, um darzuthun, daß
jene Behauptung unrichtig sei. Ls ist wünschenswert,
daß man sich bewußt bleibe, daß die mannigfaltigsten
Ausdrucksmittel der Runst den Lchein des Lebens
hervorzaubern können, die Ausdrucks- und Runstmittel,
nicht der Ltoff des Dargestellten. Lchon die einfache
Linie, der Rontur, vermag dies. Ze ähnlicher dem
wirklichen Leben und seiner Lrscheinung das Runst-
werk sich darstellt, um so vollkommner ist es, um so
leichter wird es sich den Augang zu den ljerzen der
Menschen gewinnen. Aber es ist doch der Geist
allein, der lebendig macht, und somit auch die Art
der künstlerischen Darstellung. Die Neihe aber dieser
seiner Lrscheinungssormen, in denen er sich kund
giebt, ist noch lange nicht zu Lnde, ja, sein ganzes
wesen wird auch erst mit dem Lnde der Dinge voll-
ständig zur Lrscheinung gekommen sei. A. Lhrhardt.

Aus der WücbereL.

Äk IKembrandt als tLrzieber. von einem Deutschen.
(Lcipzig, ksirschfeld, M. 2.) — Das ist ein so merkwürdiges
Buch, daß wir uns auch eingehender mit ihm beschäftigen
müssen, als es an dieser Stelle möglich ist — aber an dieser
Stelle und schon heut seien die Leser auf die eben erschienene
Schrift hingewiesen. „Große geschichtliche Persönlichkeiten
üben noch lange nach ihrem Tode einen volkserzieherischen Lin-
fluß aus. Für die Dentschen wird hier Rembranöt, der in
besonders deutlicher lVeise die wesentliche Ligenschaft ihres
volkscharakters, den Drang nach sreier Ligenarr, darstellt, als
einschneidendes Beispiel vorgesührt. In diesem Sinnc wendet
sich das Buch als ein kseroldsruf an die jetzige junge aus-

strebende deutsche Generation, welche die Zukunft darstellt.
Nach den verschiedensten Richtungen hin wird hier das viel-
seitige und so überaus individuelle Lharakterbild Rembrandts
als ein Gradmesser für das heutige deutsche Geistesleben be-
nutzt und als das historische Ideal sür eine nuumehr zu er-
wartende, vorwiegend künstlerisch gestaltete Rulturexoche des
deutschen volkes hingestellt." Brauchen wir mehr abzudrucken,
als diese lvorte aus dem jdrospekt, um zu beweisen, wie nahe
dies Buch gerade alle die angeht, die auch am „Runstwart"
und seinem lvollen Freude zu emxstnden vermögen? lveileres
also demnächstl

Livv Lur Ikrtlik der flidodernc. Gesammelte Aufsätze



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