der 5chönheit befleißigt und er nur dann, wenn die
natürlichen Linpfindungen des dargestellten Lbarakters
ihn dazu drängen, zum Akzent der Leidenschaft greist
—- welche niederschmetternde wirkung er dann aus-
zuüben vermag! Sein Gesang wird treffen wie der
einschlagende Blitz, man wird zittern bei seiner Rraft,
man wird ergriffen sein und staunen! Ist dies der
Fall, wenn wir uns an die Araft gewöhnt habe»,
wenn wir sie als Haussreund in unsern Vpernhäusern
dulden? Der chvldat schläft bekanntlich auch beim
Ranonendonner, mancher Mensch schläft niemals fester,
als wenn chturm und Gewitter die Nachr durchtoben!"
Vom Schluß der Aufsatzreihe — dem in gewissem
chinne positiven Teile der Arbeit — das nächste Mal.
6XW
Vom
* von Stephan Milow liegen unter dem Namen
„Aus dem Süden" neue Gedichte vor (Stnttgart, Bonz).
Der Schreiber d. Z. hat der Eigenart des Dichters srüher
cinmal an anderer Stellc gerecht zu werden versucht. „Ilnter
den begabten deutschen Dichtern pflegt kaum ein zweiter so
selten wio dieser ein «Sprechen dnrch Gcstalten», wie über>
haupt in einer ungewöhnlich reichen Thätigkoit der Phantasie
sein großer vorzug nicht besteht. Sondern in einer überans
entwickelten Reizbarkeit des Lmxfiudens. Sie ist es, die ihn
zu Tiefen leitct, in welche der Durchschnittsmensch ungeführt
nie nicdertancht, und deren Beobachtung nun, dnrch ein stilles
Sinnen verarbeitet und in lvorte gefaßt, dem Zuhörer ent-
hüllt wird. Durch diese durch und durch snbjektive Lyrik geht
ein elegischer Iug und eine vornehme Lntsagung, die in der
Kraft, sich selber genng zu scin, das Glück sucht. Vb Milow
vom weben der Natur spricht oder von Liebe, von den großen
Idealen der inueren und äußeren Freiheit oder den stillen
Reizen eines im Derborgenen blühenden Schönen: aus einem
klar als den gleichen erkenntlichen Boden wachsen seine
helleren wie trüberen Stimmungen hervor, und deshalb ge-
winnen wir den Lindruck einer durchaus fertigen und in sich
geschlossenen Dichterpersönlichkeit." Im Wesentlichen könnte
ich diese Sätzc auch dem neucn Buche gegenüber nnterschreiben.
Nur, so schcint es mir, ist Milows Lyrik in gewissem Sinne
bewegter geworden — von leichten, wenig anspruchsvollen
lyrischen Plauderversen bis zu wuchtig hinschreitenden ksymnen-
gesängen entfaltet sie jetzt ein mehrseitiges Leben. Nach wie
vor aber liegt ihr ksauptwert in der Poesie des Lmpfindens
nnd Sinnens, nicht in der des inneren Schauens.
Das Borliner „Deutsche Theater" drachte lvilbrandts
„Markgrasen waldcmar" auf die Bretter. „lvie der Dichter
die lsandlnngsweise, das lvollen und Strebon seines falschcn
waldemar begründet", schreibt I. ksart in der „T. R.", „das
zeugt von cigenartiger feiner Auffassung, und er wirft da
ein seelisches Problcm auf, das durchzuführen höchste Rraft
verlangt, aber auch den Bosten zu reizen vermag. Als
Anapxe zog unser lseld einst mit seinem kserrn, dem echten
waldemar von Brandenburg, krenzfahrend nach Icrnsalem,
mit ihm fiel er in die Gefangenschaft und schmachtcte an
seiner Seite länger denn cin vierteljahrhundcrt lang in den
Aerkern der Sarazenen. Da fielen dic Schranken, die Beide
bisher trcnnten, das ilnglück nnd Leid zerstörtc don iinter-
schied zwischen kserr und Rnecht, und sie wnrdcn wie zwei
Brüder, und der Unecht wuchs in die Seele des kserrn hinein;
was dieser dachto und empfand, wic cr es dachte und em-
pfand, das wurde auch sein Ligenstes, sein Tiefgefühltes,
Beider wollen ging in einander über, nnd der Diener hat
nunmehr das Recht zu sagen: »Ich bin lNarkgraf lvaldemar
selber, ich bin der Geist lvaldemars.« Anch in ihren Rerker
hinein dringt Unnde von der Not und dem Iammer, der
nach dem weggang des Fürsten über Brandenburg hereingo-
brochen, und Iorn, wilder Schmerz erfaßt den lllarkgrasen,
sehnsnchtsvolles verlangen, noch einmal in sein Länd heim>
zukehren, ihm ein Retter und Befreier zu werden. Der Tod
Tage.
reißt ihn hinweg, aber der Rnappc gewinnt seine Freiheit
wieder und weiß und denkt nichts Anderes mehr, als wie er
den letzten lvillen seines lserrn ersüllen kann, daß er in
seinem Sinn und Geist lebe, die lllark von ihrer Not erlöse.
»Nichts sür mich, Alles sür Brandenburg!« ist das große
lvort, daß seiuem Thun voranlenchtet. Diese Grund-
auffassung scheint mir eigentlich noch größer und bedeut-
samer, als die, welche im Schillerschen Demetrius zur Durch-
sührung gelangt." Abcr das Stück bleibt nicht auf solcher
ksöhe; „die Fortsetzung steht zu dem ersten Aufzuge iu keinem
günstigeron Verhältnis, als der flache Laubesche Demetrius
zu dem Schillerschen Bruchstück. Der Dichter wirft die Flintc
ins Korn und sich selber an die Brust des Raupachtums und
der herkömmlichen Theaterschreibcrei", und die Tragödie „ver-
wirrt sich in allerhand doch wirklich törichten romanhaften
Trivialitäten und in lllaskenspielereien, welche auch keine
rechte Freude mehr aufkommeu lassen an tüchtigen und feinen
Linzelschönheiten, die noch hier und da, durch die Trümmer
verstreut, ausleuchten."
» Die „Brigitta" von Richard voß, eines der früheren
lverke des Dichters, der jetzt in einer kseilanstalt Genesunq
von schweren Nervcnleiden sucht, kam im Berliner Schauspiel-
hause zur Lrftaufführung. Im lNittelxunkt des lverkes, das
diesmal im vierzehnten Iahrhundert spiclt und die Uämpfc
Däncmarks mit lvisby und dcn sreien Bauern Gothlands
zum ksintergrnnde hat, steht wieder ein „rätselhaftes lveib":
Brigitta, die, im Iwiesxalt zwischen ihrer Neigung zum
Rönige von Dänemark und ihrer Liebe zu dem durch sie gleichsam
verratenen vaterlande, sich in der Brautnacht tötet. lllan
kann anch diesem Drama gegenüber, sagt Frenzel in der
„Nat.-Z.", nur wiederholen, was über voß' srühere Schau-
spiele nahezu einstimmig gesagt worden. „wurzel hat keines
gefaßt, nicht sassen können, weil ihnen allcn trotz eincr Fülle
theatralisch wirksamer vorgänge und Auftritte der eigentlich
dramatische Rern, die klare, übersichtliche, folgerichtige
ksandlung fehlt. In allen wnchert die Lpisode und dic
Arabeske, es sind dramatische Novellen, auch darin, daß in
allen das Wichtigste hinter der Szene nnd in den Iwischen-
akten vorgeht."
Gleichfalls auf dem „Deutschen Theater" lernten die
Berliner auch ein neues Stück von Paul Lindau kennen,
das Schauspiel, richtiger Traucrspiel „Der Schatten". Die
Beurteiler erscheinen als oinig darüber, daß Lindau diesmal
eine ernst zu nehmende Arbeit geboten hat. Inhalt: Regier-
ungsrat Baron von Brück heiratet die Vpcrettensängerin
Ldith Mühlberg trotz deren anfänglicher weigerung, trotz
ihres Geständnisses, daß ein „Schatten" auf ihrer Iugend
hafte. Aber nach der verheiratung ist der kseld zu schwach,
die Folgen der „Mesalliance" zn ertragen. Auch jener srüher
gekannte „Andere" tritt in den Areis, er verstärkt den
„Schatten" zu voller Dunkelheit. „ksier und dort rückt die
ksandlung freilich nur durch Lrzählungen sort," schreibt Frenzel,
„dennoch gehört ste zu den dramatisch stärksten, die Paux
Lindau noch erfunden. Alles Beiwerk, jede Arabeske hat er
— 24 —
natürlichen Linpfindungen des dargestellten Lbarakters
ihn dazu drängen, zum Akzent der Leidenschaft greist
—- welche niederschmetternde wirkung er dann aus-
zuüben vermag! Sein Gesang wird treffen wie der
einschlagende Blitz, man wird zittern bei seiner Rraft,
man wird ergriffen sein und staunen! Ist dies der
Fall, wenn wir uns an die Araft gewöhnt habe»,
wenn wir sie als Haussreund in unsern Vpernhäusern
dulden? Der chvldat schläft bekanntlich auch beim
Ranonendonner, mancher Mensch schläft niemals fester,
als wenn chturm und Gewitter die Nachr durchtoben!"
Vom Schluß der Aufsatzreihe — dem in gewissem
chinne positiven Teile der Arbeit — das nächste Mal.
6XW
Vom
* von Stephan Milow liegen unter dem Namen
„Aus dem Süden" neue Gedichte vor (Stnttgart, Bonz).
Der Schreiber d. Z. hat der Eigenart des Dichters srüher
cinmal an anderer Stellc gerecht zu werden versucht. „Ilnter
den begabten deutschen Dichtern pflegt kaum ein zweiter so
selten wio dieser ein «Sprechen dnrch Gcstalten», wie über>
haupt in einer ungewöhnlich reichen Thätigkoit der Phantasie
sein großer vorzug nicht besteht. Sondern in einer überans
entwickelten Reizbarkeit des Lmxfiudens. Sie ist es, die ihn
zu Tiefen leitct, in welche der Durchschnittsmensch ungeführt
nie nicdertancht, und deren Beobachtung nun, dnrch ein stilles
Sinnen verarbeitet und in lvorte gefaßt, dem Zuhörer ent-
hüllt wird. Durch diese durch und durch snbjektive Lyrik geht
ein elegischer Iug und eine vornehme Lntsagung, die in der
Kraft, sich selber genng zu scin, das Glück sucht. Vb Milow
vom weben der Natur spricht oder von Liebe, von den großen
Idealen der inueren und äußeren Freiheit oder den stillen
Reizen eines im Derborgenen blühenden Schönen: aus einem
klar als den gleichen erkenntlichen Boden wachsen seine
helleren wie trüberen Stimmungen hervor, und deshalb ge-
winnen wir den Lindruck einer durchaus fertigen und in sich
geschlossenen Dichterpersönlichkeit." Im Wesentlichen könnte
ich diese Sätzc auch dem neucn Buche gegenüber nnterschreiben.
Nur, so schcint es mir, ist Milows Lyrik in gewissem Sinne
bewegter geworden — von leichten, wenig anspruchsvollen
lyrischen Plauderversen bis zu wuchtig hinschreitenden ksymnen-
gesängen entfaltet sie jetzt ein mehrseitiges Leben. Nach wie
vor aber liegt ihr ksauptwert in der Poesie des Lmpfindens
nnd Sinnens, nicht in der des inneren Schauens.
Das Borliner „Deutsche Theater" drachte lvilbrandts
„Markgrasen waldcmar" auf die Bretter. „lvie der Dichter
die lsandlnngsweise, das lvollen und Strebon seines falschcn
waldemar begründet", schreibt I. ksart in der „T. R.", „das
zeugt von cigenartiger feiner Auffassung, und er wirft da
ein seelisches Problcm auf, das durchzuführen höchste Rraft
verlangt, aber auch den Bosten zu reizen vermag. Als
Anapxe zog unser lseld einst mit seinem kserrn, dem echten
waldemar von Brandenburg, krenzfahrend nach Icrnsalem,
mit ihm fiel er in die Gefangenschaft und schmachtcte an
seiner Seite länger denn cin vierteljahrhundcrt lang in den
Aerkern der Sarazenen. Da fielen dic Schranken, die Beide
bisher trcnnten, das ilnglück nnd Leid zerstörtc don iinter-
schied zwischen kserr und Rnecht, und sie wnrdcn wie zwei
Brüder, und der Unecht wuchs in die Seele des kserrn hinein;
was dieser dachto und empfand, wic cr es dachte und em-
pfand, das wurde auch sein Ligenstes, sein Tiefgefühltes,
Beider wollen ging in einander über, nnd der Diener hat
nunmehr das Recht zu sagen: »Ich bin lNarkgraf lvaldemar
selber, ich bin der Geist lvaldemars.« Anch in ihren Rerker
hinein dringt Unnde von der Not und dem Iammer, der
nach dem weggang des Fürsten über Brandenburg hereingo-
brochen, und Iorn, wilder Schmerz erfaßt den lllarkgrasen,
sehnsnchtsvolles verlangen, noch einmal in sein Länd heim>
zukehren, ihm ein Retter und Befreier zu werden. Der Tod
Tage.
reißt ihn hinweg, aber der Rnappc gewinnt seine Freiheit
wieder und weiß und denkt nichts Anderes mehr, als wie er
den letzten lvillen seines lserrn ersüllen kann, daß er in
seinem Sinn und Geist lebe, die lllark von ihrer Not erlöse.
»Nichts sür mich, Alles sür Brandenburg!« ist das große
lvort, daß seiuem Thun voranlenchtet. Diese Grund-
auffassung scheint mir eigentlich noch größer und bedeut-
samer, als die, welche im Schillerschen Demetrius zur Durch-
sührung gelangt." Abcr das Stück bleibt nicht auf solcher
ksöhe; „die Fortsetzung steht zu dem ersten Aufzuge iu keinem
günstigeron Verhältnis, als der flache Laubesche Demetrius
zu dem Schillerschen Bruchstück. Der Dichter wirft die Flintc
ins Korn und sich selber an die Brust des Raupachtums und
der herkömmlichen Theaterschreibcrei", und die Tragödie „ver-
wirrt sich in allerhand doch wirklich törichten romanhaften
Trivialitäten und in lllaskenspielereien, welche auch keine
rechte Freude mehr aufkommeu lassen an tüchtigen und feinen
Linzelschönheiten, die noch hier und da, durch die Trümmer
verstreut, ausleuchten."
» Die „Brigitta" von Richard voß, eines der früheren
lverke des Dichters, der jetzt in einer kseilanstalt Genesunq
von schweren Nervcnleiden sucht, kam im Berliner Schauspiel-
hause zur Lrftaufführung. Im lNittelxunkt des lverkes, das
diesmal im vierzehnten Iahrhundert spiclt und die Uämpfc
Däncmarks mit lvisby und dcn sreien Bauern Gothlands
zum ksintergrnnde hat, steht wieder ein „rätselhaftes lveib":
Brigitta, die, im Iwiesxalt zwischen ihrer Neigung zum
Rönige von Dänemark und ihrer Liebe zu dem durch sie gleichsam
verratenen vaterlande, sich in der Brautnacht tötet. lllan
kann anch diesem Drama gegenüber, sagt Frenzel in der
„Nat.-Z.", nur wiederholen, was über voß' srühere Schau-
spiele nahezu einstimmig gesagt worden. „wurzel hat keines
gefaßt, nicht sassen können, weil ihnen allcn trotz eincr Fülle
theatralisch wirksamer vorgänge und Auftritte der eigentlich
dramatische Rern, die klare, übersichtliche, folgerichtige
ksandlung fehlt. In allen wnchert die Lpisode und dic
Arabeske, es sind dramatische Novellen, auch darin, daß in
allen das Wichtigste hinter der Szene nnd in den Iwischen-
akten vorgeht."
Gleichfalls auf dem „Deutschen Theater" lernten die
Berliner auch ein neues Stück von Paul Lindau kennen,
das Schauspiel, richtiger Traucrspiel „Der Schatten". Die
Beurteiler erscheinen als oinig darüber, daß Lindau diesmal
eine ernst zu nehmende Arbeit geboten hat. Inhalt: Regier-
ungsrat Baron von Brück heiratet die Vpcrettensängerin
Ldith Mühlberg trotz deren anfänglicher weigerung, trotz
ihres Geständnisses, daß ein „Schatten" auf ihrer Iugend
hafte. Aber nach der verheiratung ist der kseld zu schwach,
die Folgen der „Mesalliance" zn ertragen. Auch jener srüher
gekannte „Andere" tritt in den Areis, er verstärkt den
„Schatten" zu voller Dunkelheit. „ksier und dort rückt die
ksandlung freilich nur durch Lrzählungen sort," schreibt Frenzel,
„dennoch gehört ste zu den dramatisch stärksten, die Paux
Lindau noch erfunden. Alles Beiwerk, jede Arabeske hat er
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