Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

DOI Heft:
Heft 22
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0352

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
von Meinungsverschiedenheiten über den Mert einzeiner Monu-
mente, iiber kunstgeschichtliche Untersuchungen nsw. — wir
glaubten die Aufnahine der aberuialigen Eiitgegnung kselferichs
ablehnen zn dürfen — und ferner ablehnen zu iniissen, schon als Lr-
uenerung jener Poleniik. Nicht jedoch durften wir die Auf-
uahme verwcigern zwei Beiträgcn. Lrsteus: dem vorsteheuden
Aufsatze, in dem kselfcrich, sich loslösend von dem Streit init
Aoopinann, seiucn und seiner Meinnngsgenossen Standxunkt
bei der Benrteilung nioderner Denkinäler in eiuer Weise be-
gründet darlegt, wie dies in jener Poleiuik uumöglich war,
— die unerineßbare wichtigkeit der Frage für die innere
kvahrheit unseres ganzen Aunstlebens zwiugt uns, auf die

Gefahr hin, dieseni oder jeneiu Leser laugweilig zu werden,
nichts, was zu ihrer Alärung xositiv oder negativ beitragen
könnte, zu unterlassen. Zweitcns: jener „sachlichen Be
richtigung", die an anderer Stelle abgedrnckt ist. Ihr verspätetes
Lrscheinen ist nicht Schuld kselferichs; wir lehnteu nns srüher
von ihni gesandte Fassungen ab, weil sie der Berichtigung
auch Deutungen hinzufügtcn. Mit dein in diesem ksefte zur
Sache lviedergegebenen schließen ivir unsererseits den „Aunst-
wart" endgiltig der Besprechung jener Denkmälerfrage —
uur eiue berechtigte Beziehung auf den A z; des Preßgesetzes
könute uns zwingen, ihu sür wenige Zcileu darübcr uochmals
zu öffncn.

6NSW

Nu ndscbau.

Dicktung.

* Anch Lduard von Wunerufeld, der alte Ljerr,
der bis in die jüngste Zeit nicht nur noch da war,
sondern auch noch lebte, indem er tapfer weiter
arbeitete zur Beschämung manches Iungen, er hat
nun die Feder niedergelegt und ist weggegangen.
Nenut man ihn den Schöxfer des deutschen Salon-
lustspiels, so übertreibt man nicht gar zu sehr: sieht
man nach, was die Deutschen von Lustspieleu besaßen,
als er sein Schreiben begann, so muß man das wohl
zugeben. „In gewisser Beziehung", schrieb über ihn
ein seiner Sachkenner, Gtto von Leixner, „nimmt er
eine ganz selbständige Stollung ein. Besonders her-
vorzuhebeu ist, daß er trotz seiner regen Beziehungeu
zum Theater in den meisten seiner Arbeiten ein vor-
nehmes Streben bekundete und sich sehr selten zur
Lffekthascherei hat verleiten lassen. Tr verkörpert
die besten Seiteu der guten Miener Gesellschaft, er
ist witzig und gemütlich zugleich, er entwichelt gute
Lebeusformen, versteht es, sich in feinen Areisen zu
bewegen, zeichnet die UArklichkeit, ohne sie abzuschreiben.
Lr will unterhalten, aber er wird nicht Possenreißer,
er komponirt etwas lose, aber niemals widersinnig,
er streift hier und dort soziale Lragen, ohne jedoch
die Gegensätze an einauder zu hetzeu. Zn der wahl
seiner Stoffe meist glücklich, hält er gewöhnlich die
Mitte zwischen dem Lharakter- und Situatiouslustspiel;
sein Dialog ist in den besten Stücken ungesucht geist-
reich, sein Mitz sehr oft mit den Gestalten fein ver-
knüpft." Das Bekanntwerden von Bauernfelds er-
zähleuden und lyrischen Dichtnngen — es sind ihrer
allerdings nicht viel an Zahl wurde vielleicht doch
mehr, als berechtigt war, dadurch zurückgedrängt, daß
ihn Aritik und Publikum uun einmal nur auf den
Lustspieldichter hin ansahen.

* In Leipzig starb, mehr denn achtzig Iahre alt, Gswrild
/HdurbrlCb — ein Mann, der schvn als einer Iinter jenen eine
Lrwähnung im „Aunstwart" fordern dürste, die, auf den ver-
schiedensten Gcistcsgcbieten sich bethätigend, es erstrebten, voll-
menschen im Siniie der Renaissanee zu sein. Dcr ksofrat lllarbach
stand mitten im praktischen Leben als Direktor der „Teutonia", als
Freimaurer von hoher Stellnng verfolgte er Ideale, wie cr
in sich sie ausbildete, als jdrofessor an dcr keipziger Universität
las er über Gegenstände der kllathematik, der physik uud
Naturwissenschaft, aber auch über Gocthes Fanst, uud iiber
allo jene Gebieto des Geistesleben arbeitete er auch als
Schriststeller. Trotzdem fand er noch Zeit nnd klluse zu einer
reichen Thätigkeit als Poet. „Seiue sinnigen Dichtungen sind
Gnomen, serner eine Sammlung unter dem Pseudonym
Silesius lllinor, ein Buch dcr Liebe, Sonette Unsterblichkeit und

eine Novelle Dioskuren. Als Dramatiker und Dramaturg
schrieb er dramaturgische Blätter und gab Soxhokles, Aristo-
phanes uud Shakespeare in freien Bearbeitungen heraus."

Tbeater.

x Die von nus bcrcits crwähnte „Frete lllolksbübne"
in Berlin wnrde kürzlich in einer allgemeinen Volksversamm-
lnug besprocheu, die eiu entschieden sozialdemokratisches Ge<
präge trrig — wie sich das übrigens ganz von selbst versteht,
wenn eine große Volksversammlung ohne von einer bestimmten
anderen Partei einberufen zu sein in Berlin Menschenmassen
aus den unteren Ständen vereinigt. Gleichviel: trotzdem sich
der Griinder, Brnno lville, gegcn eine derartige Anslegung
seines planes verwahrte: es wird nicht zu äudcrn sein, daß
die „Froie volksbühne" in Berlin den Lharakter einer
soz i a l d e m o kr at ischen Gründung erhält. Die Bühne
wieder zu einer ernsten bildenden lllacht im volkc zu machen,
statt gerade in den Areisen der Reichen, des Adels und der
Einflnßübenden Aiisstattungsluxus, Ballet, Gperette und
ksampelniannslustspiel zu pstegen, das ist von Dutzenden klar-
sehender Aöpfe dem Staat und der Gesellschaft unermüdlich
gepredigt worden. Ghne daß sich der Staat herbeigelassen
hätte, mit einem Groschen oder nur init einem krästigen
lvort solche Bestrebungen zu unterstützen, und ohne daß unsere
Gesellschaft in ihrer großen lllasse daran gedacht hätte, alle
llleinnngen anders, denn als Idealistenschrullen anznseheN,
die mehr vom Theater verlangten, als „Amüsement" I Nun
uehmen die Sozialdemokraten die Sache in die lsand, um sie
in ihrcm jdarteiinteresse ausznfithreu. Den folgenden Bericht,
den Schönhoff in dcr demokratischen aber kapitalistischen
„ffranks. Z." veröffentlicht, druckcn wir als ein sehr charak-
teristisches Ieugnis ab, ohne ihn zu kritisiren: „So viel und
so eifrig man den lvandelerscheinungen des Berliner Gesell-
schaftslebens nachspähen mag: was gestern Abend draußen
am Friedrichshain vorkam, das war etwas ganz Neues und
Besremdendes. Als im vorjahre Freiherr v. Nlaltzahn unh
Geuosson daran gingen, volksbühnen griinden zu wollen, da
waren in der Iründcnden versamnilung etwa zso lllenschen
erschienen, lauter Leute vom engsten ffach und einige ange-
jahrte Professorentöchter. Als gestern ein Aufruf zu einer
Volksversamnilnng lud zu dem Zwccke, eine freie volksbühne
zu gründcn, da reichte der versammlungssaal nicht aus, die
Zuhörer zu fassen. llnd was für Znhörcrl Dichtgedrängt
saßen nnd standen die Arbeiter, manche im Arbcitsanzug, und
dazu gesellten sich Arbeiterinnen und Schriftstoller und jüngere
Aaufleute meist sozialdcmokratischen Bekenntnisses. Aus den
Beratungen aber, die von diesem Pnblikum gepflogen ivurden,
klang es trotz allem phrasenlärm, der mit untcrlief, heraus
wie ein Sehuen nach ethischer Lrziehung durch die Aunst,

"Z)"

is

340 —
 
Annotationen