auf der Berliner Museums-Iusel, so bliebe deuuoch
immer fraglich, ob mau init der Menge der über-
schickten Aunstwerke gleichen Schritt zu halten ver-
möchte. Aber man lasse den Mangel an Naum
nun auch den einzigen Grund der Nicht-Ausstellung
sein und bleiben, so daß nach der Neihe der einge-
lanfenen Bilder, sobald er ausgeht, das „bis hierher
und nicht weiter" ausgesprochen wird ohne Ansehen
der sderson und ihrer IVerke — und Aeiner kann
sicl; zurückgewiesen oder gekränkt sühlen.
Antistrophe. Als ob es aus die Aränkung des
und des Namenlosen irgendwie ankäme, ruft's mir
aus dem sdublikum entgegen, und wir nicht für jede
zuvor getroffene Auswahl danken müßten, gesetzt auch
Mißgriffe seieu nicht zu vermeiden! Ich antworte:
bringt nicht nach Lurem und Lurer Kritiker eigenem
Nrteil jede Nunstausstellung auch so dcs Ntangelhaften,
Verfehlten, ja ganz zu Verwerfenden genug. und ist
die Ausschließung eines lVürdigen nicht schlimmer,
als die Vermehrung des Minderwertigen um sünf
oder zehn Nummern? Denn auch diese, um e r kannt
zu werden, müssen g e kannt werden; abcr der Tüchtige,
der kämpfen muß, weil er eigene lVege wandelnd
das vorurteil gegen sich hat — wie bedauernswert
ist sein Loos, wenn man ihm nicht einmal den Kampf-
Llllgeiikeinercs. !tv U N
41 „Anlik und modcrn" wer gegenwärtig
solche lleberschrist über einem Aussatz liest, vermutet
fast ohnc weiteres einen neuen kleinen Feldzug gegen
die lsochschätzung der Antike: so viel häufiger wird
jetzt dieser Standpunkt in unseren für Gebildete be-
stimmten Zeitschriften vertreten, als der gegnerische.
Lin Aufsatz, den A. bserzog in der „Nation" (36)
veröffentlichte, giebt uns Gelegenheit, nach manchem
Vertretcr des Rampfes gegen die Antike einmal einen
Rämpfer für die Antike hören zu lassen. llnsern
eigenen Standpunkt werden wir später in einem Leit-
aussatze zeichnen, denn so gut uns viele Sätze l)erzogs
das lVahre zu treffeu scheiuen, so anfechtbar erscheinen
uns einige andere.
„Die lVorte Bacos: uutic;uitLS sascli, iuvsutus
muucli scheinen heutzutage kaum mehr in den bserzen
einen lviederhall zu finden. Die Zlltertumswissenschaft
ist eine historische Lachwissenschast geworden, nnd das
archäologische Znteresse in weiteren Nreisen ist ein histo-
risches: Alan ist stolz darauf zu wissen, daß die Alteu
keine bseroen gewcsen sind, zu dencn man mit gläubiger
Verehrung betet, und man gewöhnt sich daran, sie
nur als ein Glied in der großen Nette der Völker
zu betrachten. Alit der Lrweiterung der Renntnisse
ist bei Vielen das individuelle Verhältnis zu den
Sachen geschwunden. llnd selbst unter denen, die
einen bsauch des alten Geistes verspüren, finden
lvenige Lust, das eigene Frohgefühl Anderen mitzu-
teilen. Audererseits regt sich machtvoll der Geist des
«Nlodernen», machtooll bis zum Uebermaß. lvas
nutzt uns, so sragt mau, heute noch die klassische
Bildung? Zhre Mege sind nicht unsere Mege. Mer
bei diesem Gähren und Uämpfen cin eigenes llrteil
sich retten will, braucht vor Allem eineu kühlen llopf
und ein warmes lserz. <Lr muß sich zuuächst der
xlatz gännt. „Aber das wahre Genie kommt döch-
endlich zur Geltung!" Mahr! Nur schade, daß man
Nembrandt aus die Tausende, welche man jetzt für
seine vergilbten Btiche zahlt, zu seinen Lebzeiten
keine Anu-eisungen hat geben können: und zudem,
wissen wir, wieviel echtes Atreben und Aänuen durch
Abgunst und Ungunst des Lxbens für alle Nachwelt
auf unserm Ltern verloren geblieben ist! Menn deun
also aus jeder Nlaschinenausstellung der Industrielle
auf eigene Gefahr ausstellt und es der Geffentlichkeit
überlassen bleibt, Norn und chxreu zu unterscheiden:
warum soll denn durchaus für die Nunstausstellllngen
eine auswählende Vorxrüfung erforderlich seiu?
Schlußstrophe. „Das schreibt gewiß ein nüßver-
gnügter Zibo, eiu Verschwärer, der gern Nlitoer-
schworene würbe, so ein Unzufriedener, der selber
schon zurückgewiesen ist", denkt jetzt mancher Leser.
Nun, ich leugne nicht, daß ich mich herzlich freuen
würde, wenn die, sür die ich geschrieben habe, fänden,
daß ich aus ihrer Seele heraus geschrieben habe, denn
dann sind meine Zeilen uicht unnütz geblieben; mögen
sie sonst etwas uützsn oder nicht. ,
Uebrigens mache ich hiermit gebürlicher Meise der
Leserschaft meine Verbeugung als
llAcbt-lllimstlcr.
cl)Au.
Gegensätze klar bcwußt werden, welche uusere Melt
von der der Alten trennen; uud er muß eine Liebe
zu Beiden mitbriugen, um Beiden gsrecht zu werden.
Als jener herrliche chtrom der Renaissance in die
Melt kam, da leiteten ihn die Nomanen mit gesunden
Sinnen aus ihr Gebiet, im Glaubcn, daß er immer
dort geflossen, nur eine gute Meile sich unter der
Lrde vsrloren habe. Uns Deutschen fehlte das Gesühl
der Gemeinschaft mit dem Altertum. Nlit rührender
Liebe hat Minckelmann sxäter das Land der Griechen
mit der Seele gesucht und es auch auf italienischem
Boden gefuuden, und unsere großen Dichter sind ihm
nachgeschritten. Und was keiner unserer Bildhauer
und Nlaler vermocht, dis auf antiken wegen gewandelt,
das haben Goeths und Schiller gethan, sie haben
durch die Zauberkraft ihrer persöulichkeit uns die
Antike modern gemacht.
Goethe kam der Antike entgege», weil sein innerstes
Mesen ihn dazu hinzog, jenes Mesen, das aus der
Breite des Lebens das Einzelne zu in sich abge-
schlossener Vollendung und Schönheit führte. Mas
er mitbrachte in diesen Bund mit den Griechen, war
die umfassendste Aenntnis der feinsten und tiefstsn
Regungen des kserzens und der Natur, wie sie eben
dem gräßten Lyriker eigen war. Nicht als ob die
Griechen nicht auch sich solcher Negungen bewußt
geworden wären; aber des modernen Nlenschen ver-
hältnis zu diesen Dingen war ein ungleich reicheres
geworden und vor allem — die Natur stand ihm
als Ganzes gegenüber. Denn so unendlich wertooll
für die Schöpfungen der s)lastik die griechischen Gätter
gewesen, so stellten sie sich doch zwischen das Zndi-
viduum und die Natur, vnd hinderten es daran, dem,
was ringsherum lebte und webte, den Stempel eigenster
seelischer Lmpfindung immcr von Neuem aufzudrücken.
— 202
immer fraglich, ob mau init der Menge der über-
schickten Aunstwerke gleichen Schritt zu halten ver-
möchte. Aber man lasse den Mangel an Naum
nun auch den einzigen Grund der Nicht-Ausstellung
sein und bleiben, so daß nach der Neihe der einge-
lanfenen Bilder, sobald er ausgeht, das „bis hierher
und nicht weiter" ausgesprochen wird ohne Ansehen
der sderson und ihrer IVerke — und Aeiner kann
sicl; zurückgewiesen oder gekränkt sühlen.
Antistrophe. Als ob es aus die Aränkung des
und des Namenlosen irgendwie ankäme, ruft's mir
aus dem sdublikum entgegen, und wir nicht für jede
zuvor getroffene Auswahl danken müßten, gesetzt auch
Mißgriffe seieu nicht zu vermeiden! Ich antworte:
bringt nicht nach Lurem und Lurer Kritiker eigenem
Nrteil jede Nunstausstellung auch so dcs Ntangelhaften,
Verfehlten, ja ganz zu Verwerfenden genug. und ist
die Ausschließung eines lVürdigen nicht schlimmer,
als die Vermehrung des Minderwertigen um sünf
oder zehn Nummern? Denn auch diese, um e r kannt
zu werden, müssen g e kannt werden; abcr der Tüchtige,
der kämpfen muß, weil er eigene lVege wandelnd
das vorurteil gegen sich hat — wie bedauernswert
ist sein Loos, wenn man ihm nicht einmal den Kampf-
Llllgeiikeinercs. !tv U N
41 „Anlik und modcrn" wer gegenwärtig
solche lleberschrist über einem Aussatz liest, vermutet
fast ohnc weiteres einen neuen kleinen Feldzug gegen
die lsochschätzung der Antike: so viel häufiger wird
jetzt dieser Standpunkt in unseren für Gebildete be-
stimmten Zeitschriften vertreten, als der gegnerische.
Lin Aufsatz, den A. bserzog in der „Nation" (36)
veröffentlichte, giebt uns Gelegenheit, nach manchem
Vertretcr des Rampfes gegen die Antike einmal einen
Rämpfer für die Antike hören zu lassen. llnsern
eigenen Standpunkt werden wir später in einem Leit-
aussatze zeichnen, denn so gut uns viele Sätze l)erzogs
das lVahre zu treffeu scheiuen, so anfechtbar erscheinen
uns einige andere.
„Die lVorte Bacos: uutic;uitLS sascli, iuvsutus
muucli scheinen heutzutage kaum mehr in den bserzen
einen lviederhall zu finden. Die Zlltertumswissenschaft
ist eine historische Lachwissenschast geworden, nnd das
archäologische Znteresse in weiteren Nreisen ist ein histo-
risches: Alan ist stolz darauf zu wissen, daß die Alteu
keine bseroen gewcsen sind, zu dencn man mit gläubiger
Verehrung betet, und man gewöhnt sich daran, sie
nur als ein Glied in der großen Nette der Völker
zu betrachten. Alit der Lrweiterung der Renntnisse
ist bei Vielen das individuelle Verhältnis zu den
Sachen geschwunden. llnd selbst unter denen, die
einen bsauch des alten Geistes verspüren, finden
lvenige Lust, das eigene Frohgefühl Anderen mitzu-
teilen. Audererseits regt sich machtvoll der Geist des
«Nlodernen», machtooll bis zum Uebermaß. lvas
nutzt uns, so sragt mau, heute noch die klassische
Bildung? Zhre Mege sind nicht unsere Mege. Mer
bei diesem Gähren und Uämpfen cin eigenes llrteil
sich retten will, braucht vor Allem eineu kühlen llopf
und ein warmes lserz. <Lr muß sich zuuächst der
xlatz gännt. „Aber das wahre Genie kommt döch-
endlich zur Geltung!" Mahr! Nur schade, daß man
Nembrandt aus die Tausende, welche man jetzt für
seine vergilbten Btiche zahlt, zu seinen Lebzeiten
keine Anu-eisungen hat geben können: und zudem,
wissen wir, wieviel echtes Atreben und Aänuen durch
Abgunst und Ungunst des Lxbens für alle Nachwelt
auf unserm Ltern verloren geblieben ist! Menn deun
also aus jeder Nlaschinenausstellung der Industrielle
auf eigene Gefahr ausstellt und es der Geffentlichkeit
überlassen bleibt, Norn und chxreu zu unterscheiden:
warum soll denn durchaus für die Nunstausstellllngen
eine auswählende Vorxrüfung erforderlich seiu?
Schlußstrophe. „Das schreibt gewiß ein nüßver-
gnügter Zibo, eiu Verschwärer, der gern Nlitoer-
schworene würbe, so ein Unzufriedener, der selber
schon zurückgewiesen ist", denkt jetzt mancher Leser.
Nun, ich leugne nicht, daß ich mich herzlich freuen
würde, wenn die, sür die ich geschrieben habe, fänden,
daß ich aus ihrer Seele heraus geschrieben habe, denn
dann sind meine Zeilen uicht unnütz geblieben; mögen
sie sonst etwas uützsn oder nicht. ,
Uebrigens mache ich hiermit gebürlicher Meise der
Leserschaft meine Verbeugung als
llAcbt-lllimstlcr.
cl)Au.
Gegensätze klar bcwußt werden, welche uusere Melt
von der der Alten trennen; uud er muß eine Liebe
zu Beiden mitbriugen, um Beiden gsrecht zu werden.
Als jener herrliche chtrom der Renaissance in die
Melt kam, da leiteten ihn die Nomanen mit gesunden
Sinnen aus ihr Gebiet, im Glaubcn, daß er immer
dort geflossen, nur eine gute Meile sich unter der
Lrde vsrloren habe. Uns Deutschen fehlte das Gesühl
der Gemeinschaft mit dem Altertum. Nlit rührender
Liebe hat Minckelmann sxäter das Land der Griechen
mit der Seele gesucht und es auch auf italienischem
Boden gefuuden, und unsere großen Dichter sind ihm
nachgeschritten. Und was keiner unserer Bildhauer
und Nlaler vermocht, dis auf antiken wegen gewandelt,
das haben Goeths und Schiller gethan, sie haben
durch die Zauberkraft ihrer persöulichkeit uns die
Antike modern gemacht.
Goethe kam der Antike entgege», weil sein innerstes
Mesen ihn dazu hinzog, jenes Mesen, das aus der
Breite des Lebens das Einzelne zu in sich abge-
schlossener Vollendung und Schönheit führte. Mas
er mitbrachte in diesen Bund mit den Griechen, war
die umfassendste Aenntnis der feinsten und tiefstsn
Regungen des kserzens und der Natur, wie sie eben
dem gräßten Lyriker eigen war. Nicht als ob die
Griechen nicht auch sich solcher Negungen bewußt
geworden wären; aber des modernen Nlenschen ver-
hältnis zu diesen Dingen war ein ungleich reicheres
geworden und vor allem — die Natur stand ihm
als Ganzes gegenüber. Denn so unendlich wertooll
für die Schöpfungen der s)lastik die griechischen Gätter
gewesen, so stellten sie sich doch zwischen das Zndi-
viduum und die Natur, vnd hinderten es daran, dem,
was ringsherum lebte und webte, den Stempel eigenster
seelischer Lmpfindung immcr von Neuem aufzudrücken.
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