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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 5
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Vom Tage
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0085

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als m Deutschland gewöhnlich anzutreffen ist; und andererseits
waren in ihnen die geleckten Genrebildchen und konventionellen
Landschaften, welche aus unseren Ausstellungen immer zuerst
von den Lotteriekommissionen wie von Privaten angekaust zu
werden pflegen, nur in ganz verschwindender Anzahl vertreten.

Faßt inan aber die einzelnen hervorragenden Meister
beider Nationen ins Auge und vergleicht deren lverke mit
einander, so gestaltetsich das verhältnis wesentlich anders. Da zeigt
sich, daß die Deutschen eine Fülle von Talenten in ihren
Reihen zählen, die den vergleich mit keinem der namhaftcn
Franzosen zu scheuen brauchen, sondern sich ihnen ebenbiirtig,
als Rünstlercharaktere besonderer Art, an die Seite stellen.
Das haben auch die Franzosen, wie das übrigens von ihrer
Unvoreingenommenheit in künstlerischen Dingen zu erwarten
war, durch die verhältnismäßig zahlreichen Prämiirungen, die
auf Deutsche entsielen, durchaus anerkannt: Uhde, Liebermaml
und der Radirer Aöxxing erhielten die Lhrenmedaille, Leibl
den ersten Preis, Menzel war auf eigenen Wunsch, Uühl als
Mtglied der Jury, von dem lVettbewerb ausgeschlossen. Ulan
muß aber nicht vergessen, daß Uleister wie Lenbach, Böcklin
(den inan doch trotz seiner schweizer Nationalität zu den
Deutschen rechnen muß), Gebhardt, Alinger usw. in Paris
nicht vcrtreten waren, wo man ihnen gewiß nicht anders als
mit den höchsten Lhren begegnet wäre. Unter den Übrigen,
die sich nebcn den Franzosen gut hielten, befanden sich u. A.
Kalckreuth, Stauffer-Bern, Llaus, Uleyer, Firle, Glde, Stremel,
ksans kserrmann, lv. Petersen.

Um diese Thatsache nach ihrem vollen Umfang zu erniessen,
bedarf es einer Umschau auf dcm Gebiete der sranzösischen
Malerei, nicht nur in ihrer gegenwärtigen Gcstalt, sondern
auch in ihrer allmählichen Lntwickelung während des zu Lnde
gehenden Iahrhunderts. ksierzu bietet die in die weltaus-
stellung einbezogene Uxpositiou cevteiuiale in erwünschtester
Fülle das Ulaterial. Die Bildhauerei bleibt dabei ganz außer
Betracht, da sie in der deutschen Abteilung nicht vertreten war,
auch den Kamxf nicht gleich der Ulalerei HLtte anfnehmen können.

Drei Richtungen haben sich nach nnd nach in der Führer-
schaft der sranzösischen Uunst des 1^9. Iahrhllnderts abgolöst:
wir wollen sie die klassische, die romantische, und die moderne nennen.

Die klassische, in ihren Anfängcn an die Namen David
und Ingres geknüxft, fand sxäterhin ihren ksauxtvertreter
in dem Uirchenmaler ksixpolyte Flandrin und wird wohl mit
dem süßlichen Bouguereau zu Grabe getragen werden; in
den Aunstschulen aber wird sie, zum kserle weiterer Lnt-
wickelung, gewiß nach wie vor sortgexflegt werden. Denn
sind uns auch die lverke dieser Richtung so sremd geworden,
daß Uleister wie Delaroche (in dcr historischon Abteilnng)
Gerome (in der modernen) — gewiß nicht ohne besondere

Gründe — sehlten: so darf doch nicht vergeffen werden, ein
wie großer Teil der namhaftesten sranzösischen Aünstler der
Gegenwart dem einzigen Labanel (starb in diesem Frühjahr)
seine Ausbildung verdankt. Aus Geromes Atelier ist anch
der liebenswürdigste der modernen französischen Ulaler, Dagnan-
Bouveret, hervorgegangen.

Die romantische Richtung setzte mit Göricault und Dela-
croix ein, erzeugte dic vortrefflichen Ulilitärmaler lsorace
vernet, Raffet und Lharlet, die Lharakteristiker Decamps und
Daumier, um endlich gegen die Ulitte des Iahrhunderts durch
Louture und Logniet in eine Art neubclebten Ulassizismus
einzumünden. Die beidcn Letztgenannten haben nun wohl
der französischen Uunst ihre zeitweilig weltbeherrschende Stell-
ung erobert: Logniet zählte unter seine Schüler don par-
traitmaler Bonnat, den als Lehrer einflußreichen Lefebvre,
die lsistorienmaler (peintres L ZrLnäes macllines) Laurens und
Luminais; von Louture gingen die beiden Uleister aus, welche
als die alleinigen Träger des echten großen löistoriensiils in
der zweiten lsälste unseres Iahrhnnderts zu bctrachten sind:
Feuerbach in Oeutschland, Puvis de Lhavannes in Frank-
reich. Den bleibenden Ruhm dieser Richtnng aber haben die
wenigen Uleister von unbeschränkter Selbständigkeit, die des-
halb auch nicht zum Schule-Bilden geeignet waren, begründet:
der Banernmaler Mllet, der vielseitige Lourbet (der durch
seine verflechtung in den Uoniinune-Ausstand vorläufig nur
in frahenhafter verzerrung nachlebt), endlich die seinfühligen
Landschaftsmaler Lorot nnd Daubigny, die Tiermaler Troyon
und Fromentln, denen sich die noch lebenden Iacque und
Rosa Bonheur anreihen.

Aus einer oder der anderen diescr beiden Richtungen
sind die z. Zt. sührenden französischen Künstlcr hervorgegangen,
ein lNeissonier, Bonnat, Benjamin-Lonstant, lsenner, Breton
u. A.; aber man fühlt, daß ihr Stern beroits im verblassen
begriffen ist: die Uleissoniers z. B. brachten in diesem Frühjahr
auf der Ulonstre-Auktion Socrötan bei lveitem nicht mehr die
fabelhaften Preise, wie man sie nach srüheren vorgängen
erwartet hatte. Dcr Glanz derjenigen, die sich ihnen ange-
schlossen, wie Detaille, Gervex, Ulaignan, Nlorcau de Tours
u. A., wird entsxrechcnd noch rascher vergehen. Linen platz
für sich wird der Portraitmaler Delaunay, ein Schüler Flan-
drins, stets bewahren; ebenso Fantin-Latour in seinen por-
traits. Zu Schöpfungen großen lvurfcs hat der letzte Arieg
die folgendon Maler begeistert: Morot, Schüler Labanels
(der Reiterangriff von Reichshofen), Gardette, Schüler von
Pils, Lehmann und Boulanger (die Übergabe der Lciche des
Gencrals Guilham an die französischen vorposten), Fritel,
Schüler Labanels (Solum putriee); Protais' bestes Bild, die
gerettete Fahne, sehlte. (Schluß folgt.) S. S.


Aus der Wückeret.

M ctbnacbtsscbau. Wttr müssen tür die dret Wteibnacbtsbette des „Vrunsttvarts" die Nbteilung „Nus der Vücberei" der Nnzetge
von Mlerken vorbebalten, die in besonderem /Dasse als zu zfestgescbenkcn geetgnet gelten xvollen.

sve Gollkried Ikellers gesummelle Mlerke. In zehn
Bänden. (Berlin, lv. ksertz; UI. Zo, geb. UI. 38 und UI. 50).
— Ieder Leser des „Unnstwarts" weiß, was wir von Ueller
halten, weiß, welche Stelle zwischen odcr über dcn anderen
ihm verwandten echten Poeten der Gegenwart ihm unserer
Überzeugung nach gebührt, kennt also auch ohne lveiteres die
Bedcutung,'die wir der verbreitung seiner lverke zumessen.
lvas sollten wir Neues darüber sagen I Auch die vorliegende
nun vollendete Gesamtausgabe haben wir schon während ihres
Lrscheinens empfohleu: es ist nun endlich auch dem nicht
gerade reichen verehrer des Dichters möglich gemacht, auf stch
und seine Uinder Uellers Schaffen ans einem kjausschatze
heraus immer neu wirken zu lassen. Ulöge das geschehen,
so wcit es nur angehtl

«0» Tbeodor Llorms gcsummelte Lcbrikten. Acht-

zehn Bände. (Braunschweig, George westermann; geb. UI. 5 t).
Noch ein Band, der neunzehnte, dcr noch vor weihnachten
erscheinen soll, und auch diese Gesamtausgabe liegt vorläufig
abgeschlossen vor, nun auch jene Bände des edlen Dichters
enthaltend, die bisher nnr in don paetelschen Linzelausgaben
käuslich waren. Auch über Storm, den Erzähler, und Storm,
den Lyriker brauchcn wir jetzt nicht mehr viel zu sagen, um
unsere Nleinung zu begründen: wer überhaupt in der Lage
ist, Gesamtausgaben zeitgenössischer Vichter aus seine Bücher-
bretter zu stellen, der dars Storms nicht vergeffen. Fehlt ihm
die urwüchsigc Uraft innerer Gesundheit, die neben seiner
Dichtergröße Ueller so wundersam geeignet macht, auch der
Lrzieher jüngerer aufwachender Geister zu werden, so wird
der Gereifte und in sich Beruhigte doch stundenlang in die
„wonne der wehmut" Stormscher Poesie sich versenken, um
 
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