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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 7
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H. O.: Malerei und Dichtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0109

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7. Ltück.

Lrscbetnt

im ersten und dritten viertel

Derausgeber:

zferdtnklnd Nvenartns.

Kesrellpreis:
Vierteljährlich 2 1/2 lNnrk.

3. Zadrg.

LDalereL und DLebtung

er in gegenwärtigen Tagen eine Aunst-
durchwandert, wird uicht ohue
bemerken, wie wenige Bilder
man noch sieht, in denen der Maler einen
der Dichtung entlehnten Stoff behandelt. N)ie es
Tbatsache ist, daß nur sebr wenige Aünstler unserer
neueren deutschen Blalerschulen aus werken der Dich-
tung Anregung und Schaffensbegeisterung schöxfen,
so entspricht diesem Umstando denn auch die verhält-
uismäßige Seltenheit von malerischen Darstellungen
aus der Poesie.

Der Umstand ist merkwürdig genug. Ls ist die
Frage, sollen wir ihn loben oder tadeln. Nicht all-
zuweit liegt in Deutschland ein Abschnitt künstlerischer
Lntwickelung hinter uns, in welchem die Uünstler,

! ganz abgesehen von ihrer Neigung zur Geschichts-
malerei im großen Stil, in den werken der Dichter
die hauptsächlichste Anregung zu malerischem Schaffen
suchten. ksomer, Dante, das Nibelungenlied, Shake-
speare, Goethe wurden zu (guellen künstlerischen
Schaffens für jene ganze große Schule von Zeichnern,
die ungefähr fünszig Iahre lang in Deutschland die
ausschließliche Gberherrschast hatte, dann allmählich
im Laufe weiterer zwanzig Iahre Ulacht und Linfluß
an neuaufstrebende Runstrichtungen abgeben mußte,
um im gegenwärtigen Iahrzehnt fast nur noch ein
nebensächliches Dasein zu führen. Die Namen v. Lor-
nelius, bvilhelm v. Raulbach, Schnorr von Larolsfeld
und seiner ganzen Schule, Genelli, Ludwig Nichter,
Bchwind mögen genannt sein, um die Lrinnerung an
jene lebhafte lVechselwirkung zu wecken, in welche
diese Aünstler ihre Malereien und Zeichnungen nach
Stoff und Znhalt zur Dichtuug zu setzten wußten. —
Sie Alle, die aus einer romantisch denkenden Zeit
entsxrungen uud uirter romantischen Lindrücken auf-
gewachsen waren, zeigen die gemeinsame Ligenschaft,

daß sie ihre Begeisterung zum Schaffen sich nicht
unmittelbar bei der Natur holen, sondern die wirk-
lichkeit erst aus zweiter bsand, durch vermitteluug der
Dichter in einer verklärteren Gestalt suchen. Und ein
künstlerisches Schaffen, welches dieser Art nur mittel-
bar den weg zur Natur oder die Rraft der Schaffens-
begeisterung sindet, wird man allerwegen als roman-
tisch bezeichnen müssen, als nachempfindend. was
diese Aünstler in ihrem Lache kennzeichnete, bemerkt
man ganz in verwandter weise an einem ihrer
größten musikalischen Zeitgenossen: Nichard wagner.
Bein auffälliges Btreben nach eincr Wechselwirkung
der Uünste, nach einer verbindung derselben, ist im
gleichen Sinne romantisch, ist das getreue Gleichnis
zu dem, was einem Lornelius die Runjtbegeisterung
sozusagen erst aus zweiter Hand ernährte. Auch
lVagnersche Nkusik ist Niusik aus zweiter ksand. Die
Dichtung, der Text wird erst die Unterlage zum
musikalischen Schaffen uud Genießen, wie für die
Zeichner der alten Schule Dante und Shakesxeare
der Text für ihre Illustrationen wurden.*

Nian wird aber nicht sagen können, daß es sür
irgend eine liunst, sei es nun die Dichtung, die Aiusik,
die Nialerei, auf die Dauer ein gesunder Zustand sei,

* Um deu „Sprechsaal" nicht unnütz in Ansxruch zu nehmen,
halten wir lsier uns selbst zn einer Bemerkung für berechtigt.
Sollten wir die letztcn Satze des Lserrn versassers als un-
widerlegbar anerkennen, so müßte er uns doch woksi den
Beweis erbringen, daß ein Zusammenwirken mehrerer Aünste
ohne daß die eine die „Unterlage" der anderen werde nn>
möglich sei. Lrbrächte cr diesen Beweis nicht, so wäre die
Annahme erlaubt, daß sich's bei lvagners „Streben nach einer
Wechselwirkung der Aiinste, nach einer Verbindung derselben"
doch um etwas anderes handelte, als um „ein getrcues Gleichnis"
zum Schasfen jener Zeichner. Lrbrächte er ihn, so fiele nicht
nur lvagners „Musikdrama", sondern die ganze Gper, ja die
ganze vokalmusik, die sinnbietende lvorte singt, zu einer „Kunst
zweiter ljand" im Sinne des lserrn verfassers herab. U.-L.

ver Nachdruck von längeren wie kürzeren Beiträgen des „Ullnpwarts" ist vom verlage nnr unter deutlicher Pllellenangabi; gestattet.

üöer alle 8eöiet!e°öeS<Mcböiren.

— S7
 
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