schledssprüche über die zunächst liegenden Ltreitpunkte
auch ein Gutachten über die allgemeiueu Theater-
verhältnisse samt varschlägen zur Beseitigung der so
mannigfachen Uebelstände auszuarbeiten — und
dieses Gutachten sodann an Allerhöchster Stelle ein-
zureichen.
Das wäre meines Dafürhaltens die erfolgver-
sprechende Liuleitung zur glücklichen Bekämpfung
der Theater-LIeiden, soweit dieselben unter deu fetzigen
Zeitumständen überwiudbar oder doch zu mildern sind.
Auch eutspräche das Betreten diesos kVeges dem Ge-
schäftsgange, der gegeuwärtig in Lolge kaiserlicher
Anordnung zur Lutwirrung sozialer probleme üb-
lich ist. Ulan hat schon von anderer Seite das
eutstandene Zerwürfnis als eine Uebertraguug des
Ramxfes zwischeu Arbeitgebern und Zlrbeitnehmeru
auf das Theater bezeichnet. Das hiukt zwar, denn
beim Theater handelt es sich in der ksauptsache
weniger um Lohnsrcigeu und Arbeitszeit, als vielmehr
um die in den Folgen davon unzertremiliche pflege
und Geistesrichtung der dramatischen Uunst. Da aber
in der Bühnenwelt eine der Arbeiterunzufriedenheit
ähnelude Aufregung nun einmal augefacht ist, so be-
steht wenigstens kein sachlich stichhaltiger Grund, um
die chchlichtung nicht auf eben demselben IVege an-
zustreben, welcher vou der höchsteu Btelle zur
Schlichtung und künftigen Verhinderung von Arbeiter-
ausständen als der zeitgemäße bezeichnet und erschlossen
ist. Dieser weg bietet uuter allen sonst noch mäg-
lichen Ausgleichungspfaden die größte lVahrscheinlich-
keit, endlich in den Besitz allgemein deutscher, wahr-
haft kunstfördernder und stichhaltiger Gesetze zu
gelangen, mit welchen der so vielfach rechtsverhöhneud
gehaudhabteu lVillkür gesteuert und der Bedrückung
sowie der Selbstüberhebung fedweder Art für die Zu-
kunft eine unübersteigbare Schranke gezogen werdeu
könnte, gleichviel ob etwaige weitere Uebsrg.iffe von
den Leüern oder vom personal gewagt würden.
Daß der Bühnen-Verein meinen Vorschlag
sich aneignen werde, setze ich incht voraus. Mb die
Genossenschaft darnach greift, weiß ich ebenfalls
nicht. Linen gesetzlichen oder sachlichen Abhaltungs-
grund wird weder jene noch diese eiuwenden können.
So lange beide Rörperschaften auf dem Rriegsfuße
stehen, steht jeder die lVahl der gesetzlich erlaubten
verteidigungswaffeii frei. Ließen Beide, ohne eineii
durchgreifenden Lseilsweg einzuschlagen, sich auf einen
faulen Aompromiß ein, so würde sich eben wieder
einmal Schillers Ausspruch bestätigen, daß noch überall,
wo dis Aunst sank, sie durch die Uüustler gesuuken
ist. bjoffen wir, daß sie diesmal durch die Rünstler
steige! Georg Aöberle.
Llllgemetneres.
IKu ndsckau.
Mkwr Dedll (geb. 8. Gkt. t8t^ in Dorpat,
gest. 2l- Uiärz l8d0 in Berlin.) — <Ls muß wohl
eine neue Zeit werden wollen; die großen Alten haben
es fast eilig, von uns zu gehen, Liner uach dem
Andern. Auch die feine, an den frauzösischen Ldel-
mann erinnernde bewegliche Gestalt des „alten Lsehn"
mit dem scharfgeschnittnen Voltairegesicht sollen wir
nicht mehr sehen, nicht mehr das geistvoll-milde lVort
der schön gereimten schmalen Lippen vernehmen, nicht
mehr iu die freundlichen Falkenaugen blicken. Lin
Gelenkrheumatismus raffte ihn in wenigsn Tageu
dahin.
lVie vermöchte der Geringsten eiuer, die er seines
unschätzbaren Wohlwollens gewürdigt, auch nur an-
nähernd die Bedeutung dieses Uiaunes auszudrücken?
Nur zagend wagt er anzudeuteu, wie er selber ihn
sah, aus zu großer Ferne, und dann vielleicht auch
zu nah. Ls werden Berufenere von ihm, über ihn
redeu, und man wird den richtigen Abstaud finden.
Mit bsehu ist uns vielleicht das letzte Lxemxlar
des großen universellen dentschen Gelehrten hin-
gegangen, das in die Zeit des in Spezialitäten zer-
bröckelndeu Geisteslebens unseres Volkes hiueiuragte,
„anzuschauen ein lVunder".
Mb er neben Allem, was er geleistet, auch produktiv
dichterisch veranlagt gewesen, weiß ich nicht zu sagen,
ich glaube es aber; so wandert keiner iu Dichters
Lande, der nicht selber der Lieder süßen Mund be-
saß. Seiu Nachlaß wird vielleicht Len Beweis er-
bringen und zugleich Zeuguis ablegen für die hohe
Selbstkritik und die keusche Bescheidenheit des Ldlen.
<Lr hatte auch tiefes und seines verständnis für Musik,
aber er war ein altmodischer Verehrer unserer guten
Rlassiker; lvagner war ihm, ich darf wohl sagen,
ein Gräuel. Lvas wollt ihr? <Lr war ein Nlann
des uncisn rs»ims.
von dem Studium der altklassischen philologie aus-
gegangen, wie es für das Bedürfnis unserer gymna-
sialen Dressur, wenn auch nicht mehr mit der Lnergie,
wie zu seiner Zeit, auf deutschen Lsochschulen betrisben
wird, griff er doch helleru Blickes bald weit über
die Grenzen der Schulen, sei es Gottfried Hermanns,
sei es Lachmanns hinüber, und auch, wenn er den
Bahnen Lranz Boxps, Zeuß', Diez', Miklosichs u. A.
folgte, so blieb ihm doch die innerglossologische <Lr-
fassung der historischen Zusammenhänge der großen
indoeuropäischen Sprachenfamilie nicht das letzte Ziel,
er verstand das lvort zu fragen, was es uns Rultur-
historisches zu erzählen habe. Und darin war er ein
ganz einziger Nleister, ein Rünstler. Zeugnis giebt
das bjauptwerk ssines Lebens, das längst in alle ge-
bildeteu Lxrachen übertragene Buch „j?flanzen
und kjaustierein ihrem Übergange aus Asien nach
(Luropa". bsier erscheint der IVortforscher zugleich
als ein eminenter Botaniker und wer ihn auch als
— Landschaftsmaler, ohne piusel und Larbe zwar,
bewundern will, der lese seine Streiflichter „Ztalien",
seit Gcethe das Schönste, zuglsich das Renntnisreichste
und in scharser Beobachtung Trefflichste, was über
das schöne Land und das herrliche, gesunde und un-
verbildete Volk gesagt worden.
Zur Ansammlmig der Ltauiien erregenden Mlle
literarischen wissens gab ihm das Amt als bsiiter
großer Bücherschätze, zuerst in Dorpat, dann in peters-
burg, erwünschte Gelegenheit. Aber welcher Biblio-
thekar durfte sich rühmen, sie so planvoll-emsig aus-
genutzt zu haben? Dabei blieb er der klare, ordnende
philosophische Ropf und der eigentlich ästhetische