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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 16
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Erdmann, Karl: Aesthetische Begriffe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0253

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16. Ltück.

Lrsckeint

am Anfang und in der Mitte

Dcrausgeber:

.Iferdinrmd Avenarius.

Kestellpreis:
Vierteljährlich 21/9 Mark.

Z.Znbrg.

Aes1I)etiscI)e Wearitke.

--'vfc-1kue 11 mitSchlagsahne istdas Schönste!"

— erklärte mir mit Nachdruck eine junge

So klar, bestimmt und einwandfrei dieses
Urteil auch lautet, man muß einräumen, daß es auf
volle Allgemeiugültigkeit keiueu rechteu Ausxruch er-
steben darf. Ls giebt Meuschen, die eine Symphonie
von Beethoveu vorziehen, oder einen Blick von Lapri,
oder den Rölner Dom. 2lber auch sonst giebt es un-
zählige schöue Dinge auf dieser schönen >Lrde. Da
steht z. B. gleich im Berliner Tageblatt (vom 2 7.April)
zu lesen, die pferdebah» von Lrfurt gäbe eiue „bild-
schöne Dividende". Don der Bache wolleu wir »icht
redeu; die ist anerkanntermaßen mehr „süß" als „schön".
Daß aber die Liebe das chchönste sei, darüber ist man
sich, Gott sei Dank, im Allgemeinen einig. Trotzdem
behaupten nörgelnde und langweilige Menschen, das
Schönste sei und bleibe doch immer die Tugeud, das
Bewußtsein treu erfüllter pflicht uud dergleichen inehr.

lVir haben mit diesen Aussprücheu den alltäglichen
und gedankenlosesten Gebrauch des Mortes „schon"
vorgeführt. Aber auch wenu man die gewählte
Sxrechweise allein in Betracht zieht, ist seine Ver-
wendung kaum weniger bunt und mannigfaltig. Ver-
gleicht man die vielen, unendlich verschiedenen Lr-
scheinungen, denen man Schönheit zuspricht, so erkennt
man von Vornhereiu die Fruchtlosigkeit aller Be-
mühungeu, bei allen dieseu Lrscheinuugen nach etwas
sachlich Gemeinsamem zu forschen. Ledjgllch iu der ge-
fühlsmäßigen Reaktion liegt eine Aualogie, welche
zur gleichen Aussage, zur Verweuduug dessslbeu lVortes
den Anlaß giebt. Sprechen wir also den oben ge-
nannten Dingen Schönheil zu, so stellen wir damit
einfach das Vorhandenseiu gewisser in uns erregter
kvertgefühle fest, und nur in diesen Gefühlen liegt
die Ähnlichkeit, nicht in deu Dingen selbst. Schön ist

also für den gewöhnlichen Sprachgebrauch der Aus-
druck einer allgemeinen wertschätzung schlechthin.

Unterscheiden wir uach dem vorgange einiger
philosoxhen zwischen „Urteil" und „Beurteilung" der-
gestalt, daß eiu Urteil die Aussage über einen ob-
jektiven Thatbestand, eine Beurteilung aber die
Aussage über eine von uns ausgeübte lvertschätzung
bedeutet, so ist „schön" in erster Linie die Aussage
einer Beurteiluug. Dabei muß aber bemerkt werdeu,
daß ein und derselbe Ausspruch sowohl i/ii Siune eines
Urteils, wie in dem einer Beurteilung aufgefaßt werdeu
kaun. Sage ich etwa: „Dieser Rlensch ist dumm",
lediglich um kühl uud sachgemäß die Thatsache fest-
zustellen, der betrefsende Mensch habe mangelhast ent-
wickelte geistige Fähigkeiten, so haben wir es mit einem
Urteil zu thun. Sage ich aber: „dieser Ulensch ist
dumm", um meiner Verachtung Ausdruck zu geben, so
handelt es sich um eine Beurteilung. Gb die Aus-
sage „dieses Diug ist schöu" auch eiu Urteil sein könne,
ob vielleicht die Aufgabe aller wissenschaftlichen Aesthetik
darin besteht, Beurteilungen in Urteile zu verwandeln,
lasseu wir dahingestellt. lvir wiederhvlen: jene Aus-
sage ist vorläusig uur eine Beurteilung und zwar ist
sie der Ausdruck eiuer beliebigeu kvertschätzung
schlechthin.

Run ergiebt sich aber schon aus dem Gesagteu,
daß wir eiuen Menschen, Gegenstand oder Vorgang
in sehr vieler löinsicht schätzenswert finden können.
Ganz iustinktiv drängen sich gewisse Uategorien auf,
und wir sonderu die ästhetische lvertschätzung von
der i n t e l le ktu e l le n, der ethischen, der prak-
tischen. Und da entspricht es dem gebildeten Sprach-
gebrauch, das lvort „schön" lediglich als Ausdruck
der ästhetischen lvertschätzung (nicht der allgemeinen
oder beliebigen, wie der gemeine Lprachgebrauch dies
thut) zu verwenden, genau so, wie mau das lvort


Uöer alle Deöiete öeK<Mcl)önen.

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