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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 23
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Bauer, Anna; Erdmann, Karl Otto: Sprechsaal: nochmals in Sachen: ästhetische Begriffe
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Verschiedenes
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0376

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„entbrennen, ganz einfach deshalb, weil jedes der
„neu gebildeten lVorte in die Rubrik des
„wahren, Gnten oder Schönen einzureihen
„wäre, ob dabei ihr Name genannt würde oder nicht."
welch seltsame Logik. Alsc>: wenn sich Begriffe
anderen Begriffen unterordnen lassen, dars man sie
nicht bilden! es wirklich überflüssig, die worte

„Säugetier", vogel, Fisch uss. zu bilden, weil sich
jedes dieser tVorte unter die „Rubrik" Tier „ein-
reihen" läßt? Ist es wirklich uuzweckmäßig, die
worte: lang, breit und tief zu bilden, weil sich doch
alle der „Rubrik" groß „einreihen" lassen?

b) Uaum weniger seltsam ist der zweite Grund.
Er lautet:

„Der Grund, warum ich besonderen Wert darauf lege,
„mit den alten Begriffcn hier auszukommcn, ist der, daß
„den Ästhetikern von ihren Gegnern der vorwurf gemacht
„wird, sie wollten etwas Neues, friiher uicht Dagewesenes
„erfinden, was die Aunst in ihrer schönsten
„Blütezeit habc entbehrcn könuen, während in
„lvirklichkeit immer vorhanden gewesene dunkle vorstell-
„ungen beleuchtet, verworrene Ideen aus einander ge-
„halten werden sollten."

Also: weil Geguer der Ästhetik (welchr deuu übrigeus?)
eiue thörichte Behauptung aufstelleu, deshalb solleu
wir keiue fruchtbareu ästhetischeu Begriffe bilden
dürseu? Das fehlte gerade uoch! Uud daß es eiu
recht thörichter Liuwand ist, deu diese Geguer erheben,
darüber siud wir wohl eiuig? Aünstler uud Ästhetiker
bezweckeu beide Gruudverschiedenes: ersterer will vor
Allem aus das Gefühl wirkeu, letzterer will erkeuueu
uämlich die Bediiigungeu des Gesallens uud N'tiß-
falleus.

Die Ästhetik ist uicht voraussetzung, sie ist
auch uicht L e h r m e i st er i u der Äuust, soudern sie
hat die Auust zum Gegeustaude ihrer Uutersuchuug.
Und wie die Grde sich gedreht hat lange, bevor es eiue
Theorie der Mechauik des Himmels gab, wie
schou läugst gute uud edle Uieuscheu vorhaudeu wareu,
ehe wir eiue philosophische Lthik kauuteu, so hat auch
die Ruust gauz uaturgemäß eiue sehr hohe Ltufe er-
reicht, bevor die Philosophen sich anschickten, Ästhetik
zu treiben. lVas würdeu wohl uusere Gthiker sagen,
wollte mau ihueu verwehreu, ueue wisseuschaftliche
Termini einzuführen unter dem Ginwande, „sie wollteu
srüher uicht Dageweseues erfiudeu (!)/' was edle
Menscheu bei ihreu guten ksandlungen hätteu eutbehreu
köuueu? Geuau so geistreich ist aber der Giuwaud
der angeblicheu Geguer der Ästhetik, deueu Frl. Bauer
Zugeständnisse macheu will.

Auf die soustigeu Bemerkuugeu über wisseuschaft-
liche Ästhetik, die vou augeblich Gebildeteu sich keiner
Achtuug ersreueu soll, obgleich Viele gar uicht wisseu,
worum sich's haudelt, verbietet mir der Raum, uäher
einzugeheu.

z) ^cl vocsm „relativ". Frl. Bauer schreibt:
„Erdmaiiii bcmerkt ganz richtig, daß dic Morte tVahrhcit,

„Sittlichkeit und Schönheit im Allgemeinen relativer Art
„seien (zu seiner Lhre nehme ich aber an, daß er per-
„sönlich bestimmte Begriffe damit verbindet) und deshalb
„eine CZuelle unaufgeklärter Alißverständnisse und un-
„fruchtbarer Streitigkeiten seien. Aus diesemGrunde
„will er sie nicht in Zusammenhang mit der
„Ästhetik gebracht haben."

Neiu! Letzteres fällt mir uicht bei, und sodann
halte ich das, was Frl. Bauer „zu meiner Lhre"
auzuuehmeu so freuudlich ist, für ganz unklar: „relativ"
uud „bestimmt" siud keine Gegeusätze. Gewiß
verbiude ich mit den vou mir gebrauchten worteu
„bestimmte Begriffe", aber das hiudert inich nicht,
sie ausschließlich als Nelativa zu verweudeu.
Mder meint Frl. Bauer, das lVort „ähulich" hätte
keiueu „bestimmten" Sinn, weil es uur relativ ge-
braucht werden dars? A sagt zu B: „Du hast eiu
sehr ähnliches Gesicht". vielleicht verbüidet A
damit eiuen sehr bestimmteu Begriff; weuu er „ähu-
lich" schlechthiu sagt, so meiut er iuuuer „ähulich mit
seiuem vater". Da dies aber keiu Meusch wisseu
kanu, ist die Ausdrucksweise des A uuter alleu Um-
ständen verkehrt. Geuau so verkehrt ist uuu meines
Lrachteus die laudläufige verwenduug des kvortes
„schöu". Das tVort selbst ist ebeusoweuig „falsch",
wie das kvort „ähiilich", es fällt mir uicht ein, das-
selbe „außer Zusammeuhaug mit der Ästhetik zu
brüigeu", wohl aber ist seiue übliche verweuduug,
seiu absoluter Gebrauch uichtssagend und ebenso
sinulos wie der Ausspruch des A: „Du hast eiu sehr
ähnlichss Gesicht". Aber die „Dimensioueu" des
tvortss „schön" würden (in dem von mir in msinsr
ersteu Gutgeguuug augegebeueu Siuue) absolut zu ge-
brauchen seiu. chollten sie sich eiubürgern, dürfte
freilich das lvort schön viel selteuer zur verweuduug
kommeu, als heute, — dies wäre aber meines Lr-
achteus keiu Nuglück, soudern eiu großer Segen.

ö) Zum Schluß möchte ich uoch feierlich erkläreu,
daß es mir uiemals in deu Siun gekommeu ist, gegeu
Frl. Bauer eiueu „Verdacht" auszusprechen. 5ie sagt:
„Aber den verdacht, daß ich nötig hätte, das Akitleid
„erst dnrch Schopenhaiier kennen zu lerneii, muß ich von
„mir abwälzen, weil ein Fraueiigemüt, das dem Mit-
„leid unzngänglich ist, das ästhctische Gefühl auf
„das Lmpfindlichste verletzen muß."

Zch kami diese Sätze uicht für logisch halteu. hsätte
ich ausgesprocheu, Frl. Bauer solle das Mitleid aus
Schopeuhauer lerueu, so wäre sie deshalb dem Mit-
leid doch uicht uuzugäuglich! Aber es ist mir
uicht eingefalleu, eiueu solcheu Ausspruch zu thun.
Nicht das Mitleid kauu sie aus Schopenhauer lernen
— das ist unmöglich — sonderu die Bedeutung
des Mitleids für die Moral. Das ist uämlich
eiu Uuterschied. Souderu wir scharf die Begriffe und
schließeu wir also logisch, dann werden alle Miß-
verständuisse küuftig ausbleibeu.

Aarl Grdmauu.

Lettungsscbau.

» bedcutct: Kcsprccbung vcn LtnzcUvcrlicn, f: bildltcbc Lrläutcrung dcr Nuksiitze odcr Mctgubc von Lildnisscn.

Nllgcinetneres. (Natnrwissensch., Aunst n. soz. Lthik) Pröll,
Nat. Z.

Diebtuug. (Aeller) Silesins, Niag. 33 f. — <Baiiernfeld)
Linz, Mag. 3^; Dtsch. B.-G. 33; Brahm, Fr. B. 28;
I. ksrt., T. R. ,86; Dtsch. vlksbl. 3?s; M. N. N. 36-,;
Schlesinger, N. Fr. s)r. - <Üebertreibung d. Goethe-Dieiistes)

Fränkel, Dtschld. -,7. — (Goethe in Italien) P. Th., Lpz. Z.,
B. 86. — (Liliencron) ch Aruse, lltod. D., Aug. — (D. junge
Frankreich) ksanssoii, ebd. — (D. altdtsche Liebeslied) Löbuer,
Salon ,2. — (Neuere schwäb. Dialektd.) Flaischlen, Staats-
Anz. f. württ., B. 8f.

Tbeater. ijdantomime) Bahr, Dtschld. -,6.

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