nenden Schrift* mit einem vorschlage bervorzutreten,
welcher die größte Beachtung aller Derer verdient,
denen eine gesunde Runstpflege wabrbaft am kserzen
liegt. <Lr will, daß in den kunstgewerblichen Unter-
richtsgang ernsthafte Naturstudien aufgenommen, oder,
wo man damit schon angefangen hat, in viel weiterer
Ausdehnung und in anderer lVeise betrieben werden,
als jetzt geschieht.
welcher Lrfolg von dieser Neuerung zu erwarteu
sei, läßt sich teilweis schon aus den vorausgeschickten
Betrachtungen entnehmen. Zwei verwahrungen hält
Meurer für notwendig. Zunächst: „es würde ein
Zrrtum sein, zu glauben, daß die Aufnahme des Natur-
studiums ohne weiteres ein Lseil für die Zukunft
böte, indem man etwa aus der Umgestaltung der
künstlerischen Formensprache durch Aufnahme neuer
Naturmotive einen selbstständigen Ltil erstehen zu seheu
erwartete." Und dann: „Nur zu sehr ist zu sürchten,
daß, wenn publikum und Mode den berechtigten Natur-
schrei wachrufen, sich der Unverstand ebenso leichtsinnig
in die unbedachte Naturnachahmung stürzen wird, wie
zuvor in das Altdeutsche, Iapanische, Zopfige. Der
«praktische» Mensch unseres Zahrhunderts wird auch
hierbei nur zu sehr aus der ksand in den Mund ar-
beiten und die Lrüchte seines Studiums sich sofort be-
zahlt machen wollen. Line unmittelbare uud hastige
Anwenduug vou zusammengerafften Naturstudien wird
nur zu schnell in Verwilderung oder unverstandene
Anwendung der erbeuteten Formen fallen lassen." Der
Hauptnachdruck ist auf eine vergleichende Be-
trachtung der Natur- und Runstformen gelegt.
Zunächst gilt es, im chchüler das anschauende Be-
wußtsein zu wecken und zu festigen, daß die Natur
bei all ihreu Bildungen streng gesetzmäßig und logisch
verfährt. Diese Gesetze, insofern sie in den äußeren
Formen zum Ausdruck gelangen, hat der Unterricht
zu verfolgen und klarzulegen und kann daher der
Anatomie und Botanik, mit besonderer Berücksichtigung
der Morxhologie, nicht ganz entraten. Da nun aber
die Natur in ihrem chchaffen durch maucherlei änßere
Zufälligkeiten aufgehalten und gehindert scheint und
nicht alle Gebilde voll nach der „zu Grund liegenden
Zdee entfalten" kann, so muß der chchüler diese un-
verkümmert zu erkeuuen trachten und das geometrische
Gchema auslösen.
Der Zweck einer solchen Unterweisung kann nicht
zweiselhaft sein: „mit ihrer kjilfe wird es erst möglich
werden, dem Schüler die Gesichtspunkts für die Lnt-
deckung der Analogien, welche in der organischen Lnt-
wickelung der Natur- und Uunstformen liegen, wirksam
vor Augen zu führen. Denn in der analogen Über-
tragung der Lntwickelungsgesetze der Natur
iu die Runstformen liegt das kjauptmoment der Natur-
* „Das Studium der Naturformen an kunstgewerblichen
Schulen." Berlin, Lrnst wasmuth.
sormbenutzung." Indem man einsieht, „wie die Natur
stets für sjdee und Zweck des Lebewesens und seiner
einzelnen Grgane den logischen Formenausdruck gewählt
und wie sie die letzteren für die Daseinsbedingungen
der einzelnen Arten innerhalb einer allgemeinen zu
Grunde liegenden Hauptidee den verschiedenen
Linzelbedingungen umgebildet hat"; wird die Be-
trachtung hervorragender Runstwerke erkennen lassen,
daß das künstlerische Bilden von denselben prinzixien
sich leiten läßt. Ilnd zwar empfiehlt Meurer zn diesem
Behufe besonders solche Beispiele, „welche keine Sxur
eiuer eigentlichen Naturnachahmung zeigen, sondern
bei den intimsten Naturanalogien eine künstlerisch
durchaus vergeistigte Gesamtreform und ein hochgradig
und schön stilisirtes Grnament aufweisen." Ferner
wird eine die natürlichen Urbilder zur Vergleichung
heranziehende Betrachtung solcher Runstwerke lehren,
„daß die Ähnlichkeiten um so mehr befriedigeu, wenn
sie keine zusällig gewählten sind, sondern durch gewisse
geistige Analogien, durch gewisse Bedingungen, welche
dem Vorbild und dem Runstwerk gemeinsam sind,
ihre Berechtigung erhalten." Und ein anschauliches
Verstäudnis der Bedingungen für die Ü)ahl der Natur-
sormen wird gewonnen werden, „Bedingungen, welche
hauptsächlich in der Absicht und der Notwendigkeit
liegen, den bildlichen Ausdruck für den Zweck, die
symbolische Bedeutung und den besonderen struktiv-
funktionellen Sinn des ganzen Runstwerkes oder eines
seiner Teile zu gewinnen." Rommt nun noch die Lr-
kenntnis hinzu, daß die gleiche Naturform au den
verschiedenen Runstformen sich vsrschieden umbildet,
indem bald die eine, bald die andere charakteristische
Ligenschaft derselben hervortritt und sich weiter ent-
wickelt, oder ganz ausfällt, und daß ferner in anderen
Fällen die Llemente mehrerer Naturformen sich mischen
und zu bestimmtem Zweck harmonisch verbinden: so
wird sich nicht nur das verständnis für das, worauf
es bei dcr ümbildung ankommt, sondern auch die
Sicherheit bei Auswahl der Naturformen beträchtlich
steigern. —
Zn dieser kVeise ausgebildete Runsthaudwerker
dürften dann auch den Versuch wagen, bisher noch
nicht verwendete Naturformen zum Ausgangspunkt für
neue Motive zu uehmeu, und so wäre es keineswegs
ausgeschlossen, daß mit der Zsit etwas entstünde, was
einem „neuen Stil" nahe käme. Doch mag dies auch
vorläufig noch zu stark uach „Zukunftsmusik" klingen:
das, was sicher durch Linführuug der von Meurer
vorgeschlagenen Methode gewonnen würde, ist schon
vollauf geuug: ein Stilverständnis, das in den über-
lieferten Stilformen das organisch Gewordene erkennt,
und so auch, wenn es selbst nicht über deren wieder-
holung hinauskommen sollte, sie doch nicht nahahmen,
sondern neu schaffen würde. Und dies thut Not.
Nom. IVilhelm porte.
6XW
Vom Tage.
„Lin neuer Pharao" von Friedrich Sxielhagen.
(Leixzig, Staackmann). — Alle Bilder, die Sxielhagen seit
an sich voriiberziehen sah, erhielten in seinem Geiste ihre
Beleuchtung von dem Standxunkte jenes Zeitabschnitts.
Nach der xersönlichen Meinung des Berichterstatters
dürfte die Geschichtsschreibung den Lreignissen von -t8 wohl
kaum eine andere Stellung zuweisen, als jene, welche die
Sturm- und Drangzeit des Jünglingsalters der sxäteren Ge-
staltung eines Manneslebens gegenüber einnimmt. Nicht,
daß etwa die gewaltigen Geistesströmungen jener Ieit gering
zu achten seien: nein, aber das Unreife in dem Ringen von
qs, das vorzeitige Aufbrechenwollen der schwellenden Anospen
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welcher die größte Beachtung aller Derer verdient,
denen eine gesunde Runstpflege wabrbaft am kserzen
liegt. <Lr will, daß in den kunstgewerblichen Unter-
richtsgang ernsthafte Naturstudien aufgenommen, oder,
wo man damit schon angefangen hat, in viel weiterer
Ausdehnung und in anderer lVeise betrieben werden,
als jetzt geschieht.
welcher Lrfolg von dieser Neuerung zu erwarteu
sei, läßt sich teilweis schon aus den vorausgeschickten
Betrachtungen entnehmen. Zwei verwahrungen hält
Meurer für notwendig. Zunächst: „es würde ein
Zrrtum sein, zu glauben, daß die Aufnahme des Natur-
studiums ohne weiteres ein Lseil für die Zukunft
böte, indem man etwa aus der Umgestaltung der
künstlerischen Formensprache durch Aufnahme neuer
Naturmotive einen selbstständigen Ltil erstehen zu seheu
erwartete." Und dann: „Nur zu sehr ist zu sürchten,
daß, wenn publikum und Mode den berechtigten Natur-
schrei wachrufen, sich der Unverstand ebenso leichtsinnig
in die unbedachte Naturnachahmung stürzen wird, wie
zuvor in das Altdeutsche, Iapanische, Zopfige. Der
«praktische» Mensch unseres Zahrhunderts wird auch
hierbei nur zu sehr aus der ksand in den Mund ar-
beiten und die Lrüchte seines Studiums sich sofort be-
zahlt machen wollen. Line unmittelbare uud hastige
Anwenduug vou zusammengerafften Naturstudien wird
nur zu schnell in Verwilderung oder unverstandene
Anwendung der erbeuteten Formen fallen lassen." Der
Hauptnachdruck ist auf eine vergleichende Be-
trachtung der Natur- und Runstformen gelegt.
Zunächst gilt es, im chchüler das anschauende Be-
wußtsein zu wecken und zu festigen, daß die Natur
bei all ihreu Bildungen streng gesetzmäßig und logisch
verfährt. Diese Gesetze, insofern sie in den äußeren
Formen zum Ausdruck gelangen, hat der Unterricht
zu verfolgen und klarzulegen und kann daher der
Anatomie und Botanik, mit besonderer Berücksichtigung
der Morxhologie, nicht ganz entraten. Da nun aber
die Natur in ihrem chchaffen durch maucherlei änßere
Zufälligkeiten aufgehalten und gehindert scheint und
nicht alle Gebilde voll nach der „zu Grund liegenden
Zdee entfalten" kann, so muß der chchüler diese un-
verkümmert zu erkeuuen trachten und das geometrische
Gchema auslösen.
Der Zweck einer solchen Unterweisung kann nicht
zweiselhaft sein: „mit ihrer kjilfe wird es erst möglich
werden, dem Schüler die Gesichtspunkts für die Lnt-
deckung der Analogien, welche in der organischen Lnt-
wickelung der Natur- und Uunstformen liegen, wirksam
vor Augen zu führen. Denn in der analogen Über-
tragung der Lntwickelungsgesetze der Natur
iu die Runstformen liegt das kjauptmoment der Natur-
* „Das Studium der Naturformen an kunstgewerblichen
Schulen." Berlin, Lrnst wasmuth.
sormbenutzung." Indem man einsieht, „wie die Natur
stets für sjdee und Zweck des Lebewesens und seiner
einzelnen Grgane den logischen Formenausdruck gewählt
und wie sie die letzteren für die Daseinsbedingungen
der einzelnen Arten innerhalb einer allgemeinen zu
Grunde liegenden Hauptidee den verschiedenen
Linzelbedingungen umgebildet hat"; wird die Be-
trachtung hervorragender Runstwerke erkennen lassen,
daß das künstlerische Bilden von denselben prinzixien
sich leiten läßt. Ilnd zwar empfiehlt Meurer zn diesem
Behufe besonders solche Beispiele, „welche keine Sxur
eiuer eigentlichen Naturnachahmung zeigen, sondern
bei den intimsten Naturanalogien eine künstlerisch
durchaus vergeistigte Gesamtreform und ein hochgradig
und schön stilisirtes Grnament aufweisen." Ferner
wird eine die natürlichen Urbilder zur Vergleichung
heranziehende Betrachtung solcher Runstwerke lehren,
„daß die Ähnlichkeiten um so mehr befriedigeu, wenn
sie keine zusällig gewählten sind, sondern durch gewisse
geistige Analogien, durch gewisse Bedingungen, welche
dem Vorbild und dem Runstwerk gemeinsam sind,
ihre Berechtigung erhalten." Und ein anschauliches
Verstäudnis der Bedingungen für die Ü)ahl der Natur-
sormen wird gewonnen werden, „Bedingungen, welche
hauptsächlich in der Absicht und der Notwendigkeit
liegen, den bildlichen Ausdruck für den Zweck, die
symbolische Bedeutung und den besonderen struktiv-
funktionellen Sinn des ganzen Runstwerkes oder eines
seiner Teile zu gewinnen." Rommt nun noch die Lr-
kenntnis hinzu, daß die gleiche Naturform au den
verschiedenen Runstformen sich vsrschieden umbildet,
indem bald die eine, bald die andere charakteristische
Ligenschaft derselben hervortritt und sich weiter ent-
wickelt, oder ganz ausfällt, und daß ferner in anderen
Fällen die Llemente mehrerer Naturformen sich mischen
und zu bestimmtem Zweck harmonisch verbinden: so
wird sich nicht nur das verständnis für das, worauf
es bei dcr ümbildung ankommt, sondern auch die
Sicherheit bei Auswahl der Naturformen beträchtlich
steigern. —
Zn dieser kVeise ausgebildete Runsthaudwerker
dürften dann auch den Versuch wagen, bisher noch
nicht verwendete Naturformen zum Ausgangspunkt für
neue Motive zu uehmeu, und so wäre es keineswegs
ausgeschlossen, daß mit der Zsit etwas entstünde, was
einem „neuen Stil" nahe käme. Doch mag dies auch
vorläufig noch zu stark uach „Zukunftsmusik" klingen:
das, was sicher durch Linführuug der von Meurer
vorgeschlagenen Methode gewonnen würde, ist schon
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lieferten Stilformen das organisch Gewordene erkennt,
und so auch, wenn es selbst nicht über deren wieder-
holung hinauskommen sollte, sie doch nicht nahahmen,
sondern neu schaffen würde. Und dies thut Not.
Nom. IVilhelm porte.
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„Lin neuer Pharao" von Friedrich Sxielhagen.
(Leixzig, Staackmann). — Alle Bilder, die Sxielhagen seit
an sich voriiberziehen sah, erhielten in seinem Geiste ihre
Beleuchtung von dem Standxunkte jenes Zeitabschnitts.
Nach der xersönlichen Meinung des Berichterstatters
dürfte die Geschichtsschreibung den Lreignissen von -t8 wohl
kaum eine andere Stellung zuweisen, als jene, welche die
Sturm- und Drangzeit des Jünglingsalters der sxäteren Ge-
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daß etwa die gewaltigen Geistesströmungen jener Ieit gering
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