Der sogenannte „Tag" hat einen Bildhaner von
heute zu zwei gswaltigen Steiufiguren angeregt, welche
über dem Haupteingang eines neu erbauten Zustiz-
palastes angebracht sind; sie liegen zu bsiden Seiten
des Stadtwappens an 5tells der heraldischen tVappen-
tiere; die Figur rechts verbirgt in ihrer Linken hinter
dem Nücken einen gefüllten Geldsack, die Figur links
einen Dolch: Mord und Disbstahl als Staats-tVappen-
halter über dem Lingang zum Iustizgebäude. Diese
Auffassung ist gewiß künstlerisch ebenso wertooll, wie
sie vertrauenerweckend für die Rechlspflege wirkt. 5o
viel kann man zugeben, daß „der Tag" mit dem
Ausdruck des Argwohns spähend über die Schulter
weg sieht; man würde sich auch denken können, daß
er Nachegedanken über den Mord des hserzogs nach-
hängt; aber mit Tag-Licht-Freude im Gegen-
satz zu Nacht-Dunkelheit-Trauer ist dieser „Tag"
nicht in Linklang zu bringen. Da Schänheit
und Leerheit aber für mich kvidersprüchs sind, habe
ich einen Zusammenhang in die Grabfiguren zu
bringen gesucht; allerdings nur meine persönliche An-
sicht von der §>ache.
Gb es einem der großen Nenaissancekünstler
Ztaliens gelungen sein würde, Aaiser IVilhelm I.
darzustellen, ist eiue unfruchtbare Frage. Es kommt
darauf an, ob die Gegeuwart leistungsfähig genug
ist, ein würdiges Denkmal schaffen zu können; der
„gute Aaiser" soll nicht nur gut, sonder» der große
Aaiser soll auch bedeuteud aufgefaßt werden. Naten
kann Niemand dem Rünstler; wenn er rechter Art
ist, will er sich auch gar nicht raten lasse»; Attchel
Angelo wäre der letzte gewesen, der sich so etwas
hätte bieten lassen. kVie bei jeder großen That heißt
es hier: Selbst ist der Aiann! und für diese Auffass-
ung würden sich bei Goethe auch wohl Verse finden
lassen, der, wie ich hoffe, die von kserrn kselferich
angeführten kVorte nicht auf mich bezogen haben
würde. kV. Noopmann.
Rus der VüebereL.
N Unter dem Titel „Dte klketboden des Leicben-
unterrlcbts" veröffentlicht Mar Tschöltsch, Zeichenlehrer
in Berlin, einen Beitrag zur Geschichte des Zeichenunterrichts
(Berlin, ts. Mendlers Lehrmittelanstalt dcs Vercins zur
Förderung des Zeichenunterrichts, 4 lN.). Das Buch ist als
eine nutzliche Stoffsannnlung zu bczcichnen. Der vcrfaffer
giebt möglichst mit den eigenen lvorten der Verfaff'er Aus-
knnit über die wichtigsten Bestrebungen auf deni Gebiete des
Zeickenunterrichts; für das Altertum, das Mittelalter und die
Renaissancezeit schickt cr kurze, zusammenhängende Darstcllungen
voraus, welche meist aus Gucllen zwciter ksand geschöpft sind.
Von jdestalozzi an werden die neuern Pädagogen des Ieichen-
unterrichts einzeln mehr oder minder aussührlich durchgenom-
men. Von den neuesten sehr zahlreichen Werken werden nur
das Flinzersche, das Stuhlmannsche und das verfahren des
vereins zur Förderung des Seichenunterrichts vorgeführt.
Auf eine Einpfehlung des Tetzteren kommt es dem Verfasser
wohl am meisten an, wenngleich er auch jenen durch seine
nur anführende und zusammenfassende, nicht aber urteilende
Darstellung ja wohl gerecht wird. Das Vereinsverfahren
schließt sich am meisten an die Bestimmungen des xreußischen
Unterrichtsministers vom Jf. März Z882. vermißt haben
wir, daß weder wunderlichs Geschichte der Methodik des Frei-
handzeichenunterrichts (Bernburg ;886), noch Georg ksirths
einflußreiche kleine 5chrift „Ideen über Zeichenunterricht und
künstleriscke Berufsbildung" angeführt werden. — Zu:n gleichen
Stoffkreise gehören die Vorscblage ZU einer Oeugeslgltuitg
des Leicbcnunlerrtcbls an Mtllelscbulen voni verem
österreichischer Zeichenlehrer in Wien swien, Manz). Sie
sind in jeder Beziehnng höchst bemerkenswert, besonders, weil
sie auf den fo beklagenswerten Übelstaud Rücksicht nehmen,
daß unsere Mittelfchulen mit einer derartigen Unkenntnis und
Urteilslosigkeit in Sachen der Schönheit und des guten Ge-
fchmacks entlassen, daß zunr Teil die gegenwärtigen traurigen
Iustände im Aunstgewerbe darars erklärt werden müssen.
Demgemäß bezeichnen die auf jahrelangen eingehenden Be-
ratungen fußendcn Vorschläge als erste Aufgabe des Ieichen-
unterrichts an der Mittelschule: Lrweckung und Ausbildung
des Sinnes für das Schöne auf dem Gebiete der Aunst und
des Aunstgewerbes. Erst in zweiter und dritter Reihe stehen:
Ausbildung des räumlichen Anschauungs- und vorstellungs-
vermögens und Erwerbung der zu eincr cinfachen zeichne-
rischen Darstellung nötigen technische:i Fertigkeit. Diese Forde-
rungen unterschreiben wir unbedingt, da sie dem wesen und
der Aufgabe dcr Mittclschulen, allgemeine Menschenbildung
zn gewähren, völlig entsprechen. Seichnen soll nicht Selbst-
zwcck sein, fondern Mittcl ziun Iwecke, Runstverständnis zn
erwecken. „Es foll bei geringerem Umfange und gewissen-
hafter Answahl des Ubnngsstoffes planmäßiger betrieben, das
oft zeitraubende und schleppende vorgeheli vermieden werden.
ksaschcn nach maierischen Effckten, das heute noch vielfach be<
liebte Bildchenmachen, überhauxt die rein malerische Darstellung
soll unterbleiben, hingegen anf das (bekanntlich von Georg
lsirth nachdrücklich geforderte) Skizziren mehr Gewicht als
bisher gclegt und der Icichnung mehr der Tharakter einer
Studie gegeben werden." Die wcitere Begrllndung und Aus-
führnng der Vorschläge ist schlagend, sachgemäß und durchaus
praktisch. lsoffentlich hat die Schrift einen nachhaltigen Lr-
folg, nicht blos in Gsterreich, fondern auch diesseits der schwarz-
gelben Grenzxfähle. —Ähnlich fpricht sich I. ksäuselmann
aus in der kleinen Schrift „Ltudien und Adeen über 'Ar-
sprung, 'Mcse» und Stil dcs Grnnmcnts für Ieichen-
lchrer, Kunsthandwerker, Kunstsrcunde und Aünstler (mit 80
Bildern, Sürich, Grell Füßli L Lie., 2 Fr.) Lr sagt, ent-
fprcchend den Bestrebungen seiner ernst geleiteten Seitschrift
„Das Grnament" „Das Ieichnen hat wesentlich auch die Aus-
gabe, durch die Übung der geistigen Aräfte und die Be-
schäftigung mit dem Aunstschönen die formale Bildung, in-
sonderheit den Aunstgeschmack zu fördern." Die Schrift ist im
übrigen ein gemeinverständlich gehaltener Abriß der Grna-
mentik, der auf guten Grundwerken wie Sempers Stil, Falkes
Asthetik nnd zum Teil auch aus dcn cigenen Erfahrnngen des
Versaff'ers als Ieichenlehrer bernht. Im einzelnen ist das Buch
von kunstwiffenschaftlichen Irrtümern nicht ganz frei, im Ganzen
erscheint cs für seiue Iwecke gut brauchbar. - Das Gleiche ist
von der „Istleinen Ftirbenlebre kür Volks- und kunst-
gcwerbltcbc Fortbildungsscbulcn" von demfelben vcr-
faff'cr (im gleichcn verlage) zu sagen. Sie ist ein Auszug ans
ksäuselmanns „poxulärer Farbenlchre" uud enthält auf
knappem Raume Allcs, was für die genanntcn Schulen über
Farbentheorie, Farbstoffe, Farbenmischen usw. zu wissen
nötig ist. _
lsterk
Ltn Dsndvucb der Ilrrtttk wollen die therren Lrnst
Braufewetter (Stuttgart, Aernerstr. ts) und Max Gster-
burg-Verakoff (ebendort, werastr. 8) herausgeben, „in
welchem der Versuch gemacht werden soll, festzustellen: ;) über
welche Aenntniffe ein Aritiker verfügen sollte. 2) Inwiesern
demselben künstlerische Befähigung notwendig ist. 2) In
welchen Fällen der Aritiker nur als Referent aufzutreten
e b r. MZ
hat. V wclche Regeln des Anstandes für den Aritiker
maßgebend erscheincn müßten usw." Dic kserren meinen, ein
solches werk könne „nur unter freiwilliger Mitarbeiterschaft
aller hervorragenden Männer erfolgreich zu Staude kommen".
Deshalb richten sie an alle Schriftstcllcr, Maler, Bildhauer,
Schauspieler usw. die Bitte, „zu den angegebcnen Paragraphen
Stellung zu nehmen" dnrch ihre Vermittelung.
I» v>sl4-. Aestbettscbe Megritte, von Aarl Lrdmann. 'lstundscbuu. Dichtung. Die Lyrik der Iukunft. Theater.
I t » Bühnengenoffcnschaft und-Verein. Theater-Unfug. Musik. Vom Dresdner Aonservatorium. Spanische Musik.
Bildende Allnste. „was für ein Stil ist denn das nun?" vermischtes. Allgemeine Gartenbau-Ausstellnng in Berlin.
Lprecbsssl. W. Aooxmann: in Sachen „Aünstlerische persönlichkeit". Nus der lVücberet. tlterkebr.
Kcbluss der Lusammenstellung: 8. Mat I6S0.
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