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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 2
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0040

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Aus der Vücberei.

Dundert Aabre Leitgeisl in Deutscblund.

Geschichte und Kritik. vc>n Iulius Duboc. lLeipzig, Vtto
Wigaud.l — Duboe bietet hier deu Gebildeteu eiu gehalt-
volles lverk, wie sie nicht cillzu häufig erscheinen; er zeigt,
wie die Liuzelerscheiunng uuter große Gesichtspunkte eiuge-
ordnet werdeu kann, er lehrt die Gegeuwart als Lrzeuguis
dor vergangeuhcit zu betrachien nud iu ihr die Ueime der
Zukuuft zn suchen. Uuter „Ieitgeist" versteht er „die iu
eiueui bestiuiiuteu Ieitabschuitt herrschcud gewordene, tonau-
gebende Gesamtrichtuug des tNeinens, Urtcileus, Luipfiudeus,
des Geschmacks uud, von ihueu beeiuflnßt, des Strebeus uud
tVollens". Lr beginut uiit dem Lrscheiuen vou Uauts „Rritik
der reiuen veruunft", 178;, und führt die Betrachtuug, die
sich auf das deutsche Geisteslebeu uud inuerhalb desseu iu der
bsauptsache auf Philosophio, Religiou uud soziale Auschau-
ungen beschräukt,,, bis iu die Gegenwart hiueiu. Die Ular-
heit, Ruhe uud Überlegenheit, init welcher der verfasser oer-
fährt, sind erfreuliche Lrscheiuuugen iu eiuer Zeit, wo auf
dcm Schlachtfelde des Geschuiacks die eutgegeugesetzten lNei-
unugeu fo wild und eiuseitig auftreteu, wie wir es in uusereui
Ieitalter der Nervosität erlobeu. Lbeuso sehr impouirt das
uiusasscudo kvisseu, welches Duboc ius Feld fiihrt. Daß der
gebildete Leser trotzdem Puukte genng finden wird. wo er sich
zum kviderspruche gedräugt sieht, versteht sich von selbst. Üus
geht es z. B. so dort, wo der verfasser die heftigeu Schwankuugen
uud schrosfen kvechsel im Ieitgeiste durch eiu „Gcsetz des
geistigeu Stoffwechsels" zu erklären glanbt. „ Iu jeder
Richtuug, die zur kserrschaft kommt, tritt eiue Übertreibung,
cine Übersättiguug ein: ihre Folgen werden durch das gerade
eutgegeugesetzte Übermaß ausgeglicheu. „ksat die Übersättigung
in eir.er bestimmten Richtung Äutipatbie odcr Apathie uud
meistcns beides zusaiumeu bewirkt, so ist der kvechsel der
Retter vou beidcu und damit ueues Leben." Dicse Auuahme
erscheiut uns ebenso weuig ausreichend, wie uns die sog.
„Lrmüduug des Formeugefühls" den kvechsel in deu Bau-
stilen zu crklären vermag. vcräuderung des Ieitgeistes be-
ruht uusores Lrachteus nicht znm geringsten iu der Veräude-
ruug der materiellou Uultnrbedingungen. 5o habeu in der
Gcgeuwart die inächtigen veränderuugeu iu der Produktions-
wcise, im verkehr, im kvelthandel, iu den politischeu ver-
hältuissen die bedenteudsten vcrschiebungeii auf sozialem Ge-
biete im Gefolge gehabt; dio Aufordcruugen des praktischen
Lebous uud die stets wachsenden kvechselbeziehungcn der Natur-
wisseuschafteu mit der Iudustrie uud unserem Leben bediugen
eine verschiebung unserer kvertschätzuug der lvissenschaften;
dio Thatsache des eiuigen dentschen Reichs setzt uus Iüugere
aus cineu gauz auderen Bodeu der Auschaunug und des
5trebeus, als uusere väter. Aurz, weuu der Ieitgeist jctzt
ein auderer geworden ist, als vor dreißig Iahreu, weun
uusere Ansichtcu über soziale, küustlerische, philosophische, poli-
tische Dinge sich vällig vou den damals herrschenden iiuter-
scheiden, so liegt uns das keineswegs an einer Üebersättiguug
— woher sollte auch die Ingend, die ja doch iu der ksaupt-
sache den ueueu Zeitgeist darstellt, mit Diugcu, die sie ja
gar uicht durchlebt hat, übersättigt sein? Duboc betrachtet
die Lutwickeluug des Icitgeistes im ganzen weseutlich solgeu-
dcrmaßeu: Zn Aufaug unsercs Iahrhuuderts herrschte die
mctaphpsische Periode des Ieitgeistes, vcrtreten dnrch Aaut
uud Fichte; mit Begel uud Schelliug tritt die lvandcluug znm
realistischen Idealismus ein, der nuter Feuerbachs Führuug

bis 18-18 herrscht. Die Lnttäuschiiiig der auf die -18er Be-
weguug gesetzteu ihoffuuugen bringt Schoppcuhauers pessi-
mistische Äuschauuug, die bis dahiu wenig Beachtuug gefuuden
hatte, zur allgemeinen kserrschaft. Aus dieser periode des
ethischen Materialismus kommen wir endlich in unseren Tagen
znm naturalistischen Realismus, in dem die Naturwisseuschaft
an Stelle der Speknlation die Rätsel des Lebens zu lösen
sncht. Iunerhalb dieser in sich widerspruchsvollen Änschau-
uug entdeckt Duboc schon Ausätze zu rückläufiger Beweguug,
nud er schließt in vollem Gptimismus mit dem ksinweis auf
die voraussichtliche Bildung ciner großeu Menschheitsfamilie.
Das iimfaug- und iuhaltreichstc Aapitel ist das dem ethischen
Naterialismus gewidmete. Dort kommt Duboc anch eingehend
anf die Auustfrageu zu sprecheu, welche die Gegenwart so
vielfach beschäftigeu. Lr schildert die Grüuderzeit uud ihreu
Linfiuß, er zergliedert Richard kvagners Aunst, an der er
ebcnsowohl Lrhebendes wie Abstoßeudcs entdeckt, er geht auf
Ibscu uud die Fraiieufrage iu der ernsthaftesteu lveise ein.
kvir vcrmögcu ihm hicr uicht imuier zu solgen. Ünsern
kviderspruch fordert z. B. die Behauptung heraus, der ino-
derue Realismus köune dio kvelt der Lrscheinuugeu uicht
schärfer, ihre wesentlicheu Nkerkmale uicht erschäpfeuder wieder-
gcbeu als die idealistische Kunst. klnbediugt schildern denn
doch die besten zeitgeuössischeu Schriftsteller wie Maler der
realistischeu Richtung schärfer, als ihre auf dem Gegeupole
stehendeu vorgäuger; uian möchte geradezn sagen, sie arbeitsn
immer mit Lupe nnd Sezirmesser iu der ksaud. violleicht
wird man ihuen doch uicht den vorwurf machen köunen, daß
sie über der Beachtuug der Linzelzüge das Ganze aus deu
Augen verlöreu. kvas Duboc besonders über Ibsen sagt,
scheiut uns auch nicht von vollem v.erständnis dieser merk-
würdigen Persönlichkeit zu zeugen. Vfter aber, als uns der
verfasser znm widerspruch gelangen nnd bei ihm beharreu
läßt, überzengt er uns, uud immer regt er uns an. kvir
empfehlen lebhaft das geistvolle Buch. /X

klldiincbner Akibresnusstellung von Ikunstwersten
uller Nntioncn lS8S. Tert vou Max Berustein.
(kNüucheu, L. Alberr L Lo.> — Liue ähnliche billige uud
zugleich völlig zuverlässige Bilderpublikation, wie sie der Pariser
„Figaro-Salon" regelmäßig der französischen Iahresausstellung
widmet, wurde bei uus bis jetzt vcrmißt. Dem verdieuteu
Dr. L. Albert in kNünchen verdanken wir's, daß wir fortau
wenigsteus für die wichtigsten dentschcu Ausstelluugen (deuu
als solche werden sich die lüüuchner unzweiselhaft bcwähreu)
die Unterlassungssüude des deutschen Aunstverlags vermieden
schen. Ia, wer die nach Alberts ksalbton-tsochdruckverfahrcn
hergestollten „Typogravüren" der vorliegondeu ksefte (zu je
Ül. x.so) betrachtet, der muß es zugebeu: sie sind b esser,
als die Bilder des „Figaro-Salons". Bernstoins Tcxt bemüht
sich, deu verschiedeuen Richtuugen parteilos gerecht zu werden.
lvir führen ans ihm als keunzeichnend für dcu verfasser die
folgenden treffenden Bemerkuugen an: „Ie stärker die Ligeu-
art eiues ktüustlers ist, desto weuiger wird seine Theorie das
lverk seiuer Logik nnd deshalb allgemeiu verbiudlich, und
desto mehr wird sie der Ausdruck seiuer Begabung und also
sür ihn richtig sein. Böcklin malt anders und Anderes als
Ühde. Abcr keiueswegs, weil er eiue audere Theorie hat.
Sondern er hat eine andere Theorie, weil er anders malt.
Uud er malt auders, wcil er eine andere Art von Begabuug
besitzt."

Leitunclsscbkm.

" bcdeutct: Wesprecbung von Linzclvecrlien, bilditcbe
Allgemeiuercs. (Nkodellwescn) Lhristaller, Gesellsch. lO. —
lZeitungswesou) Ä. G. v. Suttner, Akag. -N. — („lvie
soll man cine Kritik lesen?") I. ksart, T. R. 2z«l. —
(Philosophio u. Ruust) Steigcr, Gesellsch. 9. — (Die
moralischeu lvocheuschriften) kkaweran, Allg. Z. 220 B.
— (Das lNilieu Alberti, Nat. I. 512. — (Nietzsche) kNähly,
Gegeuw. SS. („Die nus hciligen ktünste" (Üirchcn- nud
Theaterzeusurj) Niese, Dr. A. 2-10.

Dicbtuug. (Idealismus u. Realismus) Vehlke, D. Univ.-
I. 19. — (Goethes Scbwcizerreiso 1788) kierzfelder, Allq.
I. 2-10 B. - (Faust I u. II) Frey, D. B. -G. Z8. -
(Shakespeare im Aubr. d. klass. Ieit uns. Lit.) Suphan,
Dtsch. Rschau, Sept. — (kh.'s „Ähasver") * Lrust, I. s. L.,

Lrläuterung dcr Nuksutze oder Kclgubc von Kildnisscn.

U. u. lv. d. Hamb. Aorr. 16 f. — (A. F. Meyer) f A. Frey,
Dtsch. Dichtg. 1.— A. Linduer) lNüller-Gnttenbrunn, Dtsch.
Z. 6Z7S. — (Auerbach a. d. Uuivers.) Bettelheiin, Allg. I.
2-11 B. (Liliencrons Lyrik) Grenzb. 29.— (lvildenbruch)
ch Grotthuß, N. lNhfte I; f lvechsler, Gesellsch. 10. — (Briefe
Storm-Auh) west' Mh. 297 f. — (Gilm) Astl, Bl. s. l. U.
26. — (Geibel u. Geibeldenkmal) chGaedertz; v. F. z. lN. 2.

— (Fitger) Servans, Gwart 27f. — (Iordani Araus,
Aonserv. Nlschr., Sept. — <lN. ksartmann) D. vlksbl. 277.

— (Sealsfield) Bell. Journ. 28. — (Walther v. d. V.)
N. M. Z. 19) Schweizer-Lerchenfeld, Allg. I., B. 255 ff.

— (Leoxardi) Landau, Allg. I., B. 2-19. — jlvordsworth)
Nat.-Z. 568. — („Literar. Ursachen u. wirkungen") I.

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