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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 3.1889-1890

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Heft 6
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Vom Tanzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8793#0093

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S. Stück.

Lrscbcint

Derausgeber:

zferdtnand Nvenartus.

Lesrellprels:
vierteljährlich 21/2 Mark.
Anzeigen: 3 gesp. Nonp.-Zeile H0 ssf.

3.

Zabrg.

An unsere Leser.

Ooin nächsten Hefte ab soll der „Runstwart" insofern eine veränderung zeigen, als die Abteilungen
„Rundschau" und „vom Tage" in eine einzige zusammengezogen erscheinen. Gb sich's dabei um eine
wirkliche verbesserung oder nur um etwas rein Äußerliches handelt, darüber werden unsere Leser urteilsn.

Das Bedürfnis nach einer Lrweiterung unseres Blattes macht sich durch die Fülle des zu-
strömenden Stoffes bereits seit längerer Zeit so dringend geltend, daß wir beschlossen haben, ihm nachzu-
geben. Doch wollen wir damit warten, bis dies ohne preiserhöhung für unsere Besteller geschehen
kann. Die anwachsende Zahl unserer Abnehmer dürfte trotzdem auch für diese Neuerung einen Zeitpunkt
in Aussicht stellen, der kaum sehr fern liegt.

Dresden. Ikunstvvart-Lettung.

Vom Tanzen

^A^^d/ede Ballmutter ruf ich zur Zeugin an: es
.^M^^ist Leid und Rlage, wie wenig die jungen
tanzen. Ich will sie auch gar
>W^W^>nicht in Schutz nehmen, die kalten Herzens
ins Nebenzimmer schleichen, keines der Blümlein
pflückend, so an der Mauer blühen — nein, auch ich
glaube, die meisten thun das nur aus „Blasirtheit".
Aber nicht Alle. Zch habe einen guten Bekannten,
der schon als Zwanzigjähriger auf keinen städtischen
Ball zu bringen war: derlei langweile ihn über alle
TNaßen, versicherte er mit Nachdruck. tvie aber hab
ich ihn beim Schuhplattler herumspringen sehen, mit
welcher Leidenschaft tanzte er mit Dorfmädchen in
Süditalien die Tarantella! Er war ein Aünstler und
er meinte, das sei Runst. „bsätten unsere deutschen
Niädel sonstwelche Gelegenheit, frisch die Glieder zu
regen, kein Fräulein fände noch viel Spaß am Tanz
— und die «Fräuleins» sind doch die einzigen, die
wirklich am Tanz noch Freude haben — dann und
wann wenigstens. Denn die Gauptsache ist ja freilich
für Alle, daß beim Ball Männlein und lveiblein zu-
sammen kommen." Das war nun seine ketzerische
privatansicht.

Sprechen wir etwas ernsthafter. <Ls ist nicht

zu leugnen: nnser gesellschaftlicher Tanz steht vom
ästhetischen Standpunkt betrachtet tiefer, als selbst der
Tanz der lvilden. Auch in den rohesten und häßlichsten
Negertänzen fließt gleichsam die Lmpfindung in Be-
wegungen aus: sie teilen etwas mit, sie sind bezeich-
nend. Nun gar die volkstänze entwickelter Nationen!
lvelche Fülle von Lharakteristik bieten z. B. die Ta-
rantella und die ihr verwandten italienischen volks-
tänze. Lharakteristik aber, d. h. Rennzeichnung eines
innerlichen Gehalts, ist die vorbedingung aller höheren,
seelischen Schönheit. Die dem Auge bestgefallenden
Linien und Bewegungen, die dem Vhr und dem
körperlichen Gefühl noch so zusagenden Rhvthmen, sie
können gewiß auch unser künstlerisches verlangen
erfreuen, aber sie werden dieses doch nie so fesseln,
wie Rhythmen und Bewegungen, wenn sie in jedem
Augenblick Zeugnis geben von einer eigenen Seele, die
den lebendig wechselnden Gehalt ihres Lmpfindens in sie
ausströmt, die durch sie gleichsam zum Zuschauer „sich
ausspricht."

Gewiß, auch unsere Balontänze sagten ursprünglich
etwas, die meisten wenigstens — zumal diejenigen,
die ursprünglich keine Salontänze waren, damals, als
sie noch keine waren. lNan vergleiche den ur-

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