giebt für „Fabeln und gute Schwenck", so auch
i„ Meyers Gedichtsaminlung. Sie enchält zumeist
übermütig derbe Schilderungen des volkslebens, die
eine gründliche Aenntnis der Sitten und Ligentüm-
lichkeiten der ländlichen Bevölkerung verraten und
l" ^ ^odbafte, frische Farben und gesunde Derb-
li , der jeweilig geschilderten Situation an-
pchl^N- !sse^er malt Bilder, die denen Iordanes'
^ olntwerpen oder denen des munteren Schenk-
^. ^ch.^an ^teen von Delft ähneln. Lin Meister-
! snk ist z, ^ „<Len bsochtid bi de Buern." Ähnlich
nne Aeuter in seinen „Läuschen" hat der Dichter
serner alte Lchnurren — „Döntjes" — in Neime
gebracht. Sie sind mehr als etwa die Langbeinschen
Anekdotenversifizirungen; während diese ganz allge-
mcin gehalten sind, zeigen dlleyers „ole Döntjes"
ein so echt niederdeutsches Rolorit, „riechcn" sie so
nach dem wirklichen Volksleben, daß man sie mit
Necht als niederdeutsche Aulturskizzen bezeichnen darf.
Nit der Betrachtung dieser Schwänke haben wir
bereits das epische lvirkungsseld des Dichters be-
treten. s)n den elf Balladen unter dem Titel „Ut
olen Tiden" zeigt er sich als „plattdeutscher Uhland"
»nt sarbenreichen historischen Bildern voll Ulark und
Gestalt. Uns erinnerten sie an englische volksballaden
mit jhrem knaxpen und gesangsmäßig beflügelten
vortrag. Außerdem enthält der Band noch zwei
Dorfgeschichten und „Gröndunnerstag bi Lckernför"
— ein Lchlachtengemälde voll dramatischer Lebendig-
keit, das als Lsöhepunkt im dichterischen Schaffen
Uleyers anzusehen ist. Iohann Uruse.
Musik.
» „Dle deutscbe tlolllsoper" lautet die über-
schrift einer Reihe von Aufsätzen von ungewöhnlichem
Interesss, die Neitzel in der „Röln. Z." (242 ff.)
veröffentlicht.
Mcht ihrem wesen nach, so beginnt er, wohl aber
nach ihrem heutigen Zustande sei in Deutschland die
Gper eine „Luius-Gper", „welche zu ihrer wirkung
eines komxlizirtcn szenischen Apparats, einer großen
prachtentfaltung, der Ulitwirkung großer Uilassen be-
darf." „Der Luxus dient auch in der Gper, wie so
oft, dazu, eine Blöße zu verdecken. Diese Blöße stellte
sich immer mehr heraus, je mehr die zunehmende
Größe der Dpernhäuser die verständlichkeit des Textes
»erhinderte, je weniger die immer stärker zuströmende
-Uasse des volks xostische und musikalische Feinheiten
5» würdigen verstand. wozu noch voin Textdichter
poetische Schönheit fordern, wenn ihrer niemand achtet?
bVozu den feingeformten Vers, wenn die phrase genügt?
Doch auch die Ulusik wird nur von einem verschwinden-
den prozentsatz des publikums erfaßt. Der größte
Teil begnügt sich mit einigen sangbaren Ulelodieen.
Ts kommt darauf an, sie an wirksamen Stellen den
geeigueten personen in den Mund zu legen. IVozu
ware das Mrchester modernisirt worden, wenn man
der Ulodernisirung, welche in der Bereicherung
Trfi ^"^farben besteht, zunutze machte! Selbst wo
'V^'^^armut herrscht, da kann die Rlangfarbe noch
^o wurde die Gper xoetisch und mu-
I geftutzt; hoch diese Stutzung machte ihr Lebens-
marr ver,iegen, und sie mußte gewaltige Rraftan-
rengungen machen, um ihre Lsohlheit und kvelkheit
nicht merken zu lassen. Dem volk zu gefallen, hatte
sie alles, was dem Volk unverständlich oder nicht
leichtverständlich zu sein pflegt, von sich gegeben. Sie
griff zu putz und Tand und suchte das volk dadurch
zu blenden. pracht der Rostüme, große Auszüge, ksaupt-
und Staatsaktionen, etwas Liebe, einige Melodieen,
umgeben von einer Sahara musikalischer Unfruchtbar-
keit, großer Lärm, um nach dem einfachen Rlange
schmachten zu machen — eines weitern bedurfte das
volk nicht, es war ihm im Gegenteil willkommen,
forderte doch die Gper nicht mehr, daß der Zuschauer
etwas erfassen sollte! Die lvorte? Das lohnte nicht
der Mühe; was verstanden werden sollte, wurde durch
den bloßen Bühnenvorgang verstanden. Die Musik?
Das, was davon erfaßt werden sollte, wurde so an-
gebracht, so in die Rlangfarbe getaucht, daß es sich
schlechterdings jedem Ghr aufdrängen mußte; das
übrige war wiederum nicht der Rede wert. Mit
Linem lvorte, die große Gper wurde so eingerichtet,
daß der Zuschauer die vernunft zu ksause lassen und
sich dennoch einbilden konnte, er habe sich ausgezeichnet
amüsirt: hatte er doch viel gesehen, klang doch das
wenige, was er gehört hatte, ihm noch in den Ghren."
Auch IVagner mußte zum prunk greifen, um populär
zu werden. Seine Theorie von der vereinigung aller
Rünste „vergaß, daß des Menschen bjirn nie zwei
Lserren dienen kann, daß in der Aufmerksamkeit des
Zuschauers entweder der äußere vorgang oder die
Musik zu kurz kommt, allemal aber die Musik, ist der
äußere vorgang prächtig." Der wundervolle Tristan
bestätige als Ausnahme die Regel. „Das «kleine,
aber gewählte» pnbliknm, die mnsikalische Geistes-
Aristokratie findet sich vollzählig ein, aber das volk,
das publikum der großen Gper, dasjenige, welches in
unserer Zeit der volkstyrannei auf dem Gebiete des
Theaters den Ausschlag giebt, es ergreift die Flucht."
„kvagner treibt nie den Luxus um seiner selbst willen,
wie die große oder Luxus-Gper, aber er treibt ihn,
er giebt wirklich dem volke zu schauen und anzustaunen,
sonst würde er in unserer schausüchtigen Zeit nicht der
bevorzugteste Romponist sein." „Sobald aber das
Schaustück auf der Bühne die Gberhand nimmt, so-
bald das, was wir sehen, uns nicht mehr deutlich als
die Folge eines aus dem leidenschaftlichen Gefühl her-
geleiteten bsandelns erscheint, so ist der Fehler und mit
ihm die Gefahr da," denn der Luxus lenkt den Sinn
des Zuschauers von Musik und ^andlung ab.
„Nie ist ein größerer Mißbrauch mit einem lvorte
getrieben worden, als heute mit dem lvort «Zllusion».
Die prinzixienreiter ahmten aus der Bühne die lvirk-
lichkeit möglichst täuschend nach, damit der Zuschauer
sich durch die dargestellte Szene vollkommen in dis
wirkliche versetzt wähnen sollte. lvas ist die Folge?
Gesetzt, eine Dekoration ist viermal im Gebrauch: sie
zeigt die Spuren des Ausrollens, wir freuen uns der
j?racht und entsetzen uns über die Rnicke, Falten und
kleinen Löcher, die wir, wenn die Dekoration nicht
prahlerisch unsere Aufmerksamkeit herausforderte, kaum
beachten würden. Gder wir sehen den Teil eincr
Stadt auf der Bühue. Die Häuser im Hintergrunde
sind kleiner als die vorn, damit sie dem Zuschauer
entfernter scheinen. Der handelnde Darsteller, welcher
von hinten erscheinen soll, welcher zu Zeiten den
ksintergrund gewinnen soll, kann sich nicht im selben !