üöer atle Uebiete^eAWbönen.
20.Ltück.
Lrsckcint
ani Anfang und in der Mitte
Ibcrmisgeber:
zferdlimnd Aveiunius.
Kesrcllpreis:
vierteljahrlich 21.^ Mark. ^
Zadrg.
Dom Dolksgesang
s war an eineni Sonntagnachmittag in einem
Dorfgasthofe. Ich saß nnter der
vor dem Hause und war verdrießlich.
»tDW^Speis und Trank war schlecht gewesen. „Ich
möchte wissen, womit man sich ksier das Leben zu
verschönen pflegt, mit leiblichen Genüssen thnt
man's nicht."
Nicht weit von mir stand ein Lsaufe von Männern
und sungen Burschen; stumpf und faul sah man den
rissigen Augcln nach, die sich mülsiam auf der mit
schmutzigem Ries bestreuten Bahn ihren IVeg nach
einer Schaar von Regelinvaliden bahnten.
Lin alter bserr mit klugen, anziehenden Gesichts-
zügen setzte sich an meinem Tisch. „Heda! sZst das
wieder einmal ein toller Lcwm dei Guch!", neckte er
die Mämier, die bei seinem Anrufe verlegen grüßend
an ihren Mützen rückten. „Wollt Ihr denn nicht ein-
mal Gins singen?" Line Runstpause entstand. Attt
dumpfhölzernem Mißklang klapperten draußen ein
paar saumselig fallende Aegel. „Mir haben die Vücher
nicht unten. Der Notenwart ist noch nicht da," sagte
endlich Liner.
„Ach ja! kjatt es vergessen. Seid ja ein gar
künstlicher Gesangverein geworden. Und was die
rechten Aünstler sind, die singen ja nur von Noten.
Nier- und fünfstimmig. Zu Gstern und Pfingsten mit
Blasmusik. Grausam verwickelte Lugen. Der Mensch
darf sich eben vor seinem kserrgott nicht lumpen lassen."
Ntein Tischnachbar mochte einen wunden punkt
berührt haben. Man hörte nnterdrücktes Mnrmeln,
dazwischen halblautes Lachen. Liner der älteren
Männer setzte sich ehrerbietig zu dem alten kjerrn.
„Sie haben ja recht mit ihrem Spott, bjerr Rantor.
Aber er ist nun einmal so; er will's gar so hoch mit
uns treiben. «Mir müßten uns ja vor den Nachbar-
dörfern schämen», sagt er. Das früher wäre ja auch
ganz hübsch gewesen, aber altmodisch. Ghne Runst-
gesang ginge es nun heutzutag einma! nicht mehr.
Aber wissen Sie, bserr Rantor — ich kann's nicht so
recht von mir geben . . . aber so w arm, wie, dazu-
mal bei Zhnen, ist mir's bei all dem Aunstsingen nicht
wieder ums hserz geworden . . ." Und nach einer
pause fttgte er hinzu: „Sie kommen doch dann mit
hinauf in den Saal zum Ronzert?"
„Li gewiß, lieber Freund. Bin ja expreß des-
halb aus der Stadt gekommen." Damit verabschiede-
ten sie sich vorläufig.
Der alte kjerr mochte mir ansehen, daß mich das
Gespräch unterhalten hatte. „Sie haben da neulich
zu pfingsten ein kleines Malör gehabt mit ihrer
Rirchenmusik," erklärte er mir lachend. „5ie lassen
sich nicht gern dran erinnern; aber ich darf sie schon
ein wenig necken, denn ich bin ihr alter Rantor und
Gesanglehrer. Seit ich im Nuhestand bin, wohne ich
in der Stadt; ein strebsamer junger Mann ist mein
Nachfolger. Der will ihnen nun zeigen, was Musik
ist. Aber ich fürchte, er faßt die Sache am falschen
Gnde an. Wenn unserm Landvolk dcr Gesang etwas
sein soll, muß er ihm begucm und vertraut sein wie
der Bauernkittel. Was sie jetzt singen, geht meist im
Frack und Zxlinder. Und Sie wissen, wie nngelenk
und lächerlich der Bauer in solchem Aufputz aussieht.
Zch mag ihn nicht drin sehen . . . ebensowenig aber
auch in der bsanswurstjacke. Das ist sast noch das
Schlimmere . . . Aehen Äe, da bin ich wieder ins
Schwatzen gekommen und langweile Aie gewiß. Aber
's ist eben sozusagen für mich ein bjerzensthema."
Als ich den liebenswürdigen Alten versicherte, die
Sache, von der er da spreche, ginge mir nah, meinte
er: „Mie wär's, wenn Sie dann auch mit da oben
zuhörten? Da ließe sich Manches reden und wir
hättcn die Beispiele dazu."
Der Nackdruck von längeren wie kürzeren Beiträqen des ..Aunstwarts" ist vom verlaqe nur unter deutlicker Duellenanqab gegatret.
305 —
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Ibcrmisgeber:
zferdlimnd Aveiunius.
Kesrcllpreis:
vierteljahrlich 21.^ Mark. ^
Zadrg.
Dom Dolksgesang
s war an eineni Sonntagnachmittag in einem
Dorfgasthofe. Ich saß nnter der
vor dem Hause und war verdrießlich.
»tDW^Speis und Trank war schlecht gewesen. „Ich
möchte wissen, womit man sich ksier das Leben zu
verschönen pflegt, mit leiblichen Genüssen thnt
man's nicht."
Nicht weit von mir stand ein Lsaufe von Männern
und sungen Burschen; stumpf und faul sah man den
rissigen Augcln nach, die sich mülsiam auf der mit
schmutzigem Ries bestreuten Bahn ihren IVeg nach
einer Schaar von Regelinvaliden bahnten.
Lin alter bserr mit klugen, anziehenden Gesichts-
zügen setzte sich an meinem Tisch. „Heda! sZst das
wieder einmal ein toller Lcwm dei Guch!", neckte er
die Mämier, die bei seinem Anrufe verlegen grüßend
an ihren Mützen rückten. „Wollt Ihr denn nicht ein-
mal Gins singen?" Line Runstpause entstand. Attt
dumpfhölzernem Mißklang klapperten draußen ein
paar saumselig fallende Aegel. „Mir haben die Vücher
nicht unten. Der Notenwart ist noch nicht da," sagte
endlich Liner.
„Ach ja! kjatt es vergessen. Seid ja ein gar
künstlicher Gesangverein geworden. Und was die
rechten Aünstler sind, die singen ja nur von Noten.
Nier- und fünfstimmig. Zu Gstern und Pfingsten mit
Blasmusik. Grausam verwickelte Lugen. Der Mensch
darf sich eben vor seinem kserrgott nicht lumpen lassen."
Ntein Tischnachbar mochte einen wunden punkt
berührt haben. Man hörte nnterdrücktes Mnrmeln,
dazwischen halblautes Lachen. Liner der älteren
Männer setzte sich ehrerbietig zu dem alten kjerrn.
„Sie haben ja recht mit ihrem Spott, bjerr Rantor.
Aber er ist nun einmal so; er will's gar so hoch mit
uns treiben. «Mir müßten uns ja vor den Nachbar-
dörfern schämen», sagt er. Das früher wäre ja auch
ganz hübsch gewesen, aber altmodisch. Ghne Runst-
gesang ginge es nun heutzutag einma! nicht mehr.
Aber wissen Sie, bserr Rantor — ich kann's nicht so
recht von mir geben . . . aber so w arm, wie, dazu-
mal bei Zhnen, ist mir's bei all dem Aunstsingen nicht
wieder ums hserz geworden . . ." Und nach einer
pause fttgte er hinzu: „Sie kommen doch dann mit
hinauf in den Saal zum Ronzert?"
„Li gewiß, lieber Freund. Bin ja expreß des-
halb aus der Stadt gekommen." Damit verabschiede-
ten sie sich vorläufig.
Der alte kjerr mochte mir ansehen, daß mich das
Gespräch unterhalten hatte. „Sie haben da neulich
zu pfingsten ein kleines Malör gehabt mit ihrer
Rirchenmusik," erklärte er mir lachend. „5ie lassen
sich nicht gern dran erinnern; aber ich darf sie schon
ein wenig necken, denn ich bin ihr alter Rantor und
Gesanglehrer. Seit ich im Nuhestand bin, wohne ich
in der Stadt; ein strebsamer junger Mann ist mein
Nachfolger. Der will ihnen nun zeigen, was Musik
ist. Aber ich fürchte, er faßt die Sache am falschen
Gnde an. Wenn unserm Landvolk dcr Gesang etwas
sein soll, muß er ihm begucm und vertraut sein wie
der Bauernkittel. Was sie jetzt singen, geht meist im
Frack und Zxlinder. Und Sie wissen, wie nngelenk
und lächerlich der Bauer in solchem Aufputz aussieht.
Zch mag ihn nicht drin sehen . . . ebensowenig aber
auch in der bsanswurstjacke. Das ist sast noch das
Schlimmere . . . Aehen Äe, da bin ich wieder ins
Schwatzen gekommen und langweile Aie gewiß. Aber
's ist eben sozusagen für mich ein bjerzensthema."
Als ich den liebenswürdigen Alten versicherte, die
Sache, von der er da spreche, ginge mir nah, meinte
er: „Mie wär's, wenn Sie dann auch mit da oben
zuhörten? Da ließe sich Manches reden und wir
hättcn die Beispiele dazu."
Der Nackdruck von längeren wie kürzeren Beiträqen des ..Aunstwarts" ist vom verlaqe nur unter deutlicker Duellenanqab gegatret.
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