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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 13 (1. Aprilheft 1920)
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Münchhausen, Börries von; Schumann, Wolfgang: Gegen und für die Volkshochschulen
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Avenarius, Ferdinand: Raffael
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0022

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sie noch so schön in Lehrgänge geordnet, und mögen sie noch so oiel Anlaß
zuin Selbststudium geben, auskonunen. Sie wird immer mit verschieden--
artigen persönlichen Umständen der Hörer zu rechnen haben und nicht
allein Veranstaltung sein, sondern auch Vergemeinschaftung anstreben mnssen.

Nach allen diesen Richtungen hin ist jeder Mitstreiter willkommen,
nur wollen wir Herrn von Münchhausen bitten, wenn er weiter streitet,
dies nicht unter dem Titel „Gegen die Volkshochschule" zu tun, sondern
mit der Losung „Für d ie V o l ks h o ch s ch u l e", nämlich für d ie Volks--
hochschule, für die eine Minderheit einsichtiger, ersahrener, ernstgssinnter
Kenner mitten im Rummel der Mode heute schon einen harten Kampf
kämpft. Wir stellen diese Bitte in der unbedingten Gewißheit der Er--
füllung, da ja Münchhausen nicht nur Mitarbeiter mehrerer, unseren
Strebungen dienender Zeitschriften ist — z. B. der niedersächsischen „Heimat
und Volkshochschule" —, sondern auch in seinen heutigen Ausführungen
sich wiederholt und ausdrücklich als warmen Freund der Volksbildung
erweist. Wolfgang Schumann

Naffael

^^^.ierhundert Iahre ist nun gezeichnet und gemalt worden, seit Raffaele
( Santi an seinem 37. Geburtstage, dem 6. April j520, in der Tiber-
stadt starb. Als Mensch „der schönste der schönen und der liebens--
würdigste der liebenswürdigen", als Kenner „der Mann, welcher das alte
Rom in den Trümmern auffand und aus den Trümmern heraufhob", als
Architekt ein „Sublimer", „als Bildhauer so edel wie er als Bildhauer
selten war", und nun erst als Maler: „der Vollender der Renaissance",
ja, „der Fürst aller Maler der. Vergangenheit und Gegenwart" — solche
Worte der Entzückung hat man zu Raffaels Lobe gebraucht. Vieleu schien
er geradezu „der Sonnengott am Himmel der Kunst, bei dessen Aufleuchten
jeder andre Planet verblich.« Selbst wir Heutigen noch, fragen wir uns,
wer „der berühmteste und geliebteste Maler der Erde war", wir kommen
auf Raffael. War er auch der größte? Leonardo, Michelangelo und
Tizian, Velasquez und Murillo, Rembrandt und Ruisdael, Dürer, Grüue-
wald, Holbein — wen immer wir sonst nennen mögen, es ist, als habe er
eine besondere Seite der Erscheinungen so wie kein anderer gebannt, die
Schönheit in ihrer Ganzheit jedoch, die schenkte der Menschheit doch Raffael.
Aber wie wir das niederschreiben, regt sich in uns schon Widerspruch. Raf-
fael von allen Malern der größte? Seien wir offen: haben wir uns nicht
vor seinen Madonnen, den „ewigen Madonuen", zeitweise sogar gelang-
weilt? Nnd nicht erst wir, es hat denn doch immer auch eiue Opposition
gegen ihn gegeben. Hat nicht ein Leonardo, hat nicht ein Michelangelo auch
dazu gehört? Freilich, es habeu sich schließlich iu alleu Ländern Pflegestätten
des Raffaelismus durchgesetzt. Doch waren sie mehr, als Akad.emikerzirkel
hier, als Tempel der Publiknms-, der Massenbegeisterung dort? And gab
es nicht Kunstkreise, die sich vom Raffaelismus ganz fernhielten, wie vor
allem Rembrandts Reich? Und ist man nicht auch aus deü Kreisen der
Astheten nicht zu Raffael, sondern über ihn hinweg bis zu deu Prä-
raffaeliten zurückgegangen?

Zwar, man kam immer wieder zu Raffael zurück. Schou Dürer
wallfahrtete im Geiste ihm zu. Rembrandts Zeitgenossen zogen Raffael
nach. Und im letzten Iahrhundert kam man von den Präraffaeliten auch

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