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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft 1920)
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Keyserling, Hermann Graf: Erscheinungswelt und Geistesmacht
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0077

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Erscheinungswelt und Geistesmacht

sDer folgcnde Aufsatz des Grafen Hermann Kehserling gibt einen Vortrag
wieder, den er in den vom Ministerium für Kultur und geistige Angelegen-
heiten veranstalteten Knrsen für wissenschaftliche Fortbildung an der Itniver-
sität Berlin gehalten hat. Im Iahrbuch „Der Lenchter" (C. Reichl, Darmstadt)
wird er demnächst erscheinen. Wir bringen ihn nm eine kleine Einleitung
verkürzt. In dicser war ausgeführt, „daß es nicht die Welt an sich ist,
die wir erfahren, sondern ihr Spiegclbild im Bewußtsein". Was hinter diesem
Spiegelbild liegt, wissen wir nicht; es hat nicht einmal an Philosophen gefehlt,
die bchaupteten, es liege überhaupt nichts dahinter, die Welt bestehe also gar
nicht für sich selbst, sondern nur in unserer Vorstellung. Da wir selbst aber
doch auch zur Welt gehören, mithin auch nur als unsere Vorstellung und
nicht als ctwas Wirkliches, für sich Bestehcndes existieren mußtcn, läßt sich
mit dieser Behauptung nichts anfangen und wir sind doch genötigt, anzunehmen,
daß außer dem Spiegelbild eine Wirklichkeit porhanden ist, die gespiegelt wird.
Wie diese Wirklichkeit eigentlich aussieht, das wissen wir nicht. Aber
wie wir sie uns deuken, das macht unsere Weltanschauung aus. K.°L.^

ier, in Deutschland, ist die Lrkenntnis, daß die Welt, die wir er-
M^fahren, Erscheinung ist, wenn nicht geboren worden, so doch zur
^X vollen Reife und Macht gelangt. Kant hat ihr ihre klassische Form
gegeben. Aber wie es für den Menschen immer symptomatisch ist, was
ihm vor allem auffällt, so ist die Tatsache, daß hier eine Philofophie des
Lrscheinenden, der wohl ein abstraktes Ding an sich (Kant), eine abstrakte
Vernunst (Hegel) oder ein ohnmächtiger Wille (Schopenhauer) zugrunde
liegen soll, aber keine lebendige schöpferische Kraft, mit ein Ausdruck
dessen, daß es dem Deutschen besonders nahe liegt, den Nachdruck auf die

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