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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 20 (Augustheft 1920)
DOI Artikel:
Popert, Hermann: Deutscher Pazifismus
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Schumann, Wolfgang: Entgiftung, 2: Die Presse, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0404

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daher darf der internationale Pazifismus nicht eine Taktik einschlagen,
die, wie die Richtung Fried--Gerlach das tut, die Welt einfach durch
die Brille der Entente, und ganz besonders Frankreichs, sieht. Gemeingut
des deutschen Volkes werden kann nur ein Pazifismus, der diese Taktik
entschieden ablehnt und eine Taktik führt, die uns Deutschen keine Blind-
heit gegen Tatsachen und keine Selbstentwürdigung zumutet. Ich habe
vorgeschlagen, den Pazifismus mit dieser Taktik „Deutschen Pazifismus"
zu neunen. Wer sich mit eingehenderem Material zur Vertretung dieses
Standpunktes versehen will, der wird es, so glaube ich, finden in meinem
bereits genannten „Vortrupp"-Aufsatze „Deutscher Pazifismus" im ersten
Septemberheft bes „Vortrupp" und in meinem vorangehenden Auf-
satze „Moorgrund" (Offener Brief an Alfred H. Fried) im rrsten Märzheft
desselben Iahrganges.

Hamburg Hermann Popert

Entgiftung

2. Die Presie

^sV^ker von Entgiftung spricht, setzt Giftstoffe voraus, mögen diese nun
) ^in der Seele der Menschen, in veränderlichen Gewohnheiten, in
Einrichtungen oder NotzustänLen ihre Quellen haben. Wird in
solchem Zusammenhang von den Zeitungen gesprochen, so pflegen Männer
„vom Bau", Zeitungleute, die Erörterung sehr rasch so zu wendeu, daß der An-
greifer als ein plumper Verleumder und Besudler eines ehrenhaften Standes
erscheint. Sie heben laut die Nnantastbarkeit der Zeikungleiter und ihrer
Mitarbeiter hervor, sie unterstreichen den Wert der Zeitungen für die
allgemeinc Volksbildung, für die Politik, für alle Interessenten usw.,
sie pochen auf die „Bnabhängigkeit" der deutschen Presse. Wegen dieser
Empsindlichkeit möge auch diesen Aufsatz eine Selbstverständlichkeit ein-
leiten: von eigentlicher Nnehrenhaftigkeit und Lumperei im deutschen Zei-
tungwesen ist in ihm nicht die Rede. Es gibt Tausende von vortrefflichen
und einwandfrei anständigen Männern im Zeitunggewerbe. Wir sprechen
nicht über die beteiligten Menschen, sondern über Linrichtnngen und deren
Folgen.

H^ichtsdestoweniger muß der gegenwärtige Zustand des Zeitungwesens auch
-^^im nüchternsten Betrachter schwere Bedenken erregen. Das gilt zunächst
vom wirtschaftlichen Gesamtzustand, der uns hier nur nebenbei
beschäftigen soll. Wirtschaftlich betrachtet, stellt das Zeitungwesen heute
in Deutschland eine Wucherung dar, ein Stück nationaler Kraft- und
Stoffverschwendung, das sich ein verarmtes Volk nicht mehr leisten dürfte,
wenn es Herr seiner Wirtschaft und nicht deren machtloser Erdulder wäre.
Aberdies belastet das Zeitungwesen die Wirtschaft aufs schwerste mittelbar:
es lebt wirtschaftlich vom Inserat, und Millionen gänzlich überflüssiger
Inserate, ja Fabrikate entstehen nur, weil die Zeitungen täglich Gelegen-
heit zu einer der Allgemeinheit nutzlosen Reklame geben oder sogar «ine
solche fordern, falls der Inserent auch sonst von der Zeitung berücksichtigt
sein will. England hat etwa 230 Tageszeitungen, Deutschland mindestens
(200, es gibt täglicher und nicht täglicher Zeitungen zusammen in Deutsch-
land über 5000. Das bedeutet einen Äberverbranch an Holz, Arbeit,
Maschinen, Verkehrseinrichtungen, Energie usw. usw., der durch keinen
noch so geringen sinnvollen Zweck gerechtfertigt, sondern zum großen

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