den und anscheinend Leblosen begreift, daß er den Glauben hat, festhält,
stärkt, verkündet und mit ümner neuen schöpferischen Taten bekräftigt,
den Glauben an die „andre Welt". Und solch ein Mensch ist die nun sechzig--
jährige Helene Böhlau. Wolfgang Schumann
Konservativismus und Sozialismus
Zwei konservative Stimmen
2.
^«^der gibt es noch eine weitere Möglichkeit?
^ ^Vielleicht gerade die eigentlich konservative? Dies ist das Thema einer
Schrift Adam Röders „Der deutsche Konservativismus und die
Revolution" (Perthes, Gotha).
Man steigt im Literarischen einige Stufen herab, indem man von
Spengler zu Röder übergeht, aber in andern Beziehungen vielleicht eben-
soviel Stufen aufwärts. Das Buch ist ein sehr ernstes und ehrliches
Selbstgericht eines Konservativen, der erschrocken darüber ist, was sich
heut alles konservativ nennt und was für eine ideenlose Negationspolitik
der glücklich Besitzenden unter diesem Namen betrieben wird.
Adam Röder steht, abgesehen vom Konservativismus, in fast allen Punkten
im Gegensatz zu Spengler. Denselben militaristischen Konservativismus, den
Spengler preist, brandmarkt Röder seinerseits als naturalistischen oder
Oberflächen-Konservativismus. Sofern er nicht einfache Besitzpolitik treibe,
sondern etwas wis eine Weltanschauung vertrete, sehe dieser egoistische
Konservativismus hinter der Welt das reineNichts und wolle diesem ziellosen
und im Grunde dummen irdischen Dasein wenigstens für eine ausgelesene
Schicht einen Reiz gesichert wissen. Diesen Reiz aber sehe eine nicht geringe
Zahl in ihm mit den Alldeutschen in einer Art nationalem Heroismus,
der Macht und Herrschaft des eigenen Volkes über fremde Völker als
höhere Form des Lebens einschätze. Sie hätten in Verbindung mit dem
Militarismus, den sie besonders pflegten und verstärkten, und dem Groß-
industrialismus, der ganz von militaristischem Geist durchsetzt wurde, eine
sehr wesentliche Schuld daran, daß das Volk sich allmählich in eine
groteske Selbstüberschätzung und Selbstüberhebung verstieg und den Krieg
als Kraftprobe mit Hurrah begrüßte.
(Wenn Röder an dieser Stelle den Nachdruck darauf legt, daß im
Gegensatz zum Kaiser und der eigentlichen Regierung das ganze Volk den
Krieg begrüßt habe, so muß ich das letztere aus meiuen Beobachtungen
bestreiten. In den Kreisen, in denen ich mich bewegte, betrachtete man
den Krieg als Wahnsinn, dem man mit Trauer und Sorgen entgegensah.
Man suchte ihm nachträglich einen Sinn abzugewinnen, da er nun einmal
ausgebrochen war, wie wir jetzt der Revolution eineir Sinn abzugewinnen
suchen und auch Röder selbst das tut, ohne sie dainit loben zu wollen.
Die unleugbar vorhandene Begeisterung aber stammte nicht aus der Aber-
hebung, sondern aus dem Eindruck, daß man seit Iahren eingekreist
und nun völlig unschuldig augegriffen sei, besonders aber daraus, daß
man in dieser Lage des unschuldig Angegriffenen mit Aberraschung und
um so größerer Freude das ganze Volk einig sah.)*
* Merkwürdig, daß man diese Auffassung, die sich doch bei so vielen auf
klarste eigene Erinnerung stützt, sogar sonst ganz gescheiten Deutschen auf-
reden konnte. Ans scheint, Röder ist in diesem Pnnkt dem Suggerierkrieg
stärkt, verkündet und mit ümner neuen schöpferischen Taten bekräftigt,
den Glauben an die „andre Welt". Und solch ein Mensch ist die nun sechzig--
jährige Helene Böhlau. Wolfgang Schumann
Konservativismus und Sozialismus
Zwei konservative Stimmen
2.
^«^der gibt es noch eine weitere Möglichkeit?
^ ^Vielleicht gerade die eigentlich konservative? Dies ist das Thema einer
Schrift Adam Röders „Der deutsche Konservativismus und die
Revolution" (Perthes, Gotha).
Man steigt im Literarischen einige Stufen herab, indem man von
Spengler zu Röder übergeht, aber in andern Beziehungen vielleicht eben-
soviel Stufen aufwärts. Das Buch ist ein sehr ernstes und ehrliches
Selbstgericht eines Konservativen, der erschrocken darüber ist, was sich
heut alles konservativ nennt und was für eine ideenlose Negationspolitik
der glücklich Besitzenden unter diesem Namen betrieben wird.
Adam Röder steht, abgesehen vom Konservativismus, in fast allen Punkten
im Gegensatz zu Spengler. Denselben militaristischen Konservativismus, den
Spengler preist, brandmarkt Röder seinerseits als naturalistischen oder
Oberflächen-Konservativismus. Sofern er nicht einfache Besitzpolitik treibe,
sondern etwas wis eine Weltanschauung vertrete, sehe dieser egoistische
Konservativismus hinter der Welt das reineNichts und wolle diesem ziellosen
und im Grunde dummen irdischen Dasein wenigstens für eine ausgelesene
Schicht einen Reiz gesichert wissen. Diesen Reiz aber sehe eine nicht geringe
Zahl in ihm mit den Alldeutschen in einer Art nationalem Heroismus,
der Macht und Herrschaft des eigenen Volkes über fremde Völker als
höhere Form des Lebens einschätze. Sie hätten in Verbindung mit dem
Militarismus, den sie besonders pflegten und verstärkten, und dem Groß-
industrialismus, der ganz von militaristischem Geist durchsetzt wurde, eine
sehr wesentliche Schuld daran, daß das Volk sich allmählich in eine
groteske Selbstüberschätzung und Selbstüberhebung verstieg und den Krieg
als Kraftprobe mit Hurrah begrüßte.
(Wenn Röder an dieser Stelle den Nachdruck darauf legt, daß im
Gegensatz zum Kaiser und der eigentlichen Regierung das ganze Volk den
Krieg begrüßt habe, so muß ich das letztere aus meiuen Beobachtungen
bestreiten. In den Kreisen, in denen ich mich bewegte, betrachtete man
den Krieg als Wahnsinn, dem man mit Trauer und Sorgen entgegensah.
Man suchte ihm nachträglich einen Sinn abzugewinnen, da er nun einmal
ausgebrochen war, wie wir jetzt der Revolution eineir Sinn abzugewinnen
suchen und auch Röder selbst das tut, ohne sie dainit loben zu wollen.
Die unleugbar vorhandene Begeisterung aber stammte nicht aus der Aber-
hebung, sondern aus dem Eindruck, daß man seit Iahren eingekreist
und nun völlig unschuldig augegriffen sei, besonders aber daraus, daß
man in dieser Lage des unschuldig Angegriffenen mit Aberraschung und
um so größerer Freude das ganze Volk einig sah.)*
* Merkwürdig, daß man diese Auffassung, die sich doch bei so vielen auf
klarste eigene Erinnerung stützt, sogar sonst ganz gescheiten Deutschen auf-
reden konnte. Ans scheint, Röder ist in diesem Pnnkt dem Suggerierkrieg