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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 16 (2. Maiheft 1920)
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Fischer, Eugen Kurt: Wolfram von Eschenbach: zu seinem 700. Todestage
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0199

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Dichtern, etwa Hartmann von Aue, sotch retnltche Scheidungen durch-
geführt werden können. Wolfram hat sich an keine Regeln gebunden.
Ihm war jedes klingende Wort, jedes kräftige Bild willkommen. Wie
seine Darstellung von theologischem, astrologischem, medizinischem und
naturgeschichtlichem Wissen strotzt und die ganze Skala der Behandlungs-
möglichkeiten vom Dörflichen bis zum Höfischen, vom Gelehrtenhaften zum
rein Lyrischen durchläuft, so strotzt seine Sprache von frei verwendeter
Wörterkunde. Mit zunehmendem Alter wird sie freilich von der „ge-
reinigten« Sprechweise des Hofes ein klein weuig angesteckt. Französische
Ausdrücke, Bilder aus dem ritterlichen Leben und Worte und Redens-
arten aus dem Volksepos machen seine Rede farbig und kraftvoll, klang-
voll und schön, wiewohl zuweilen eine unentwirrbare Dunkelheit über ihr
lastet. Lr erinnert darin an seinen Landsmann Iean Paul. Wörter wie
Wigant, Recke, Heerfahrt, Arlüge, Satzanfänge wie: man sah, man fand,
man hörte, Parenthesen und elliptische Sätze sind beliebt, vor allem aber
gelingt ihm die Versinnlichung der Vorstellungen von äußeren und inneren
Vorgängen: „Dqr reiche König satz, sein Mund ganz ohne Wort", oder:
„den Bürgern troff es (nämlich das Fett) in die Kohlen", das heißt, sie
hatten überreichlich zu essen. Die böse Kundrie nennt er „Traurens Ursach,
der Freuden Vernichtung". Äberall Bilder und Gleichnisse. So hat man
das Gefühl, in einen hohen, dunklen, romanischen Dom zu treten beim
Lesen der Werke Herrn Wolframs, einen Dom, der mit gewaltigen Säulen-
schritten vom dunklen Portal zur bilderleuchtenden Apsis leitet, stark und
»rächtig gewölbt und schwer gefügt — ein Ganzes, aber voll von Bildern
und Figuren, die sich um Kapitäle ranken und an den Wänden des
Schiffes herrlich hinschlingen, ein farbiger Reigen des weltbuntesten Lebens
und doch dem Einen dienstbar, das so tief atmet im riesigen Raum. Der
katholischc Literaturhistoriker Baumgartner stellt Wolfram als einzigen
Wesensähnlichen neben homer, weil er, wie dieser die griechische, die
christliche Welt mit dem „immensen Schatz des Geheimnisvollen und
Wunderbaren", der ihr eignet, umfaßt und gestaltet habe. Der Grieche
eint das Gute und das Schöne, Goethes Faust verbindet sich mit Helena,
und Wolframs Held eint Gott und Welt im Werdekampf zur ersten
deutschen Harmonie des Mittelalters. E. K. Fischer

Ms Volframs parzifal

sVie fslgendeu p>roben finö ber vorzüglichen Nachdichbung öes alten Lpos
von rvilhelin Hertz (1835—1902) entnsnrmen, öie zu öen rvenrgen Lr-
neuerungen rnittelalterlrcher blunst vsn öichtcrischenr Ligenrvert gehört.
Der parzifal unö öie nrcht nrinöer gute Übertragung öes Trrstanexos von
Gottfrieö von Stratzburg ist bei Lo'ta, Stuttgart und Berlin, er-
schienen.s

parzifals Kusfahrt

^^^.un fagt, öer Hölle Glut vernreiöct,

/ I I Tvcr Arrnut rvegen Treue leidet.

^ ^ -^Das tat ein weib, unö cw'gc Gaben
lVird es öafür im Himmel haben.
 
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