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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 15 (1. Maiheft  1920)
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Avenarius, Ferdinand: Erwärmt die Heimat!
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0131

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Erwärmt die Heimat!

heißt das? Die Äberschrift kommt den meisten dumm vor.

H NAber ich finde keine bessere, um das anzudeuten, was mir eine
unsrer allergrößten und ganz gewiß nicht nur künstlerischen Auf°
gaben scheint. „Farbe in die Heimat!" Klingt das vernünftiger? Und
dabei sagt es nicht alles! Auch die bewußte Pflege der Bepflan-
zung, die „nur" schön ist, gehört dazu, das Lrhalten und Schaffen
schöner Baumgruppen, das Anlegen von Hecken zum Vogelschutz, das
Offenhalten oder Wiederöfsnen der A us s i ch tst e l len für alle, das Zu-
gänglichhalten der See- und Flußufer und ihr Bepflanzen mit Baum
und Busch — kurz: alles gehört dazu, was einen „Wohnort" und seine
Ämgebung zur Heimat macht, was ihn — ja: erwärmt. Natürlich auch
das schlicht-schöne Bauen selbst. Lin recht gebautes Haus wird niemals
mit sich selbst auftrumpfen, es wird entweder so in die Landschaft ein-
tauchen, daß man das Haus in der Landschaft nur sieht, wie das Nest im
Baum, oder es wird sie schmücken. Sie, die heimat — ein gutes Schmuck-
stück ist ja daran zu erkennen, daß das geschmückte Angesicht schöner
geworden scheint. „Macht die Stätten, die wir bewohnen, liebenswert!"
Das will die Äberschrift sagen. Ilnd doch von allem, was da mithelfen
kann, ist zumal in diesen Zeiten der Armut das Wichtigste die Farbe.

Für die Erkenntnis dieser Wichtigkeit der Farbe arbeiten manche mit
uns seit einem Menschenalter, aber erst im vorigen Iahr hat ein größerer
Kreis von Baukünstlern öffentlich für den gleichen Gedanken gezeugt.
Der großen Menge ist er noch durchaus fremd. Auf den schönsten hügel-
hängen und Wiesenplanen sind trotz aller modernen Kunstbewegung die
Häuser und die Villen, ob sie „Zinsvillen" oder „Luxusvillen" .sind, in
der weit überwiegenden Mehrzahl wie weiße oder graue Bausteine aus-
geschüttet, höchstens, daß sie mit etwas „Lehmfarbe" oder „Steinfarbe"
gestrichen sind, worüber dann etwa ein möglichst solid rotes Dach knallt.
Wie es früher war, zeigen uns alte Dörfer und Kleinstädte noch: jedes
oder fast jedes Haus trug einen herzhaften Gesamtton, blau, rot, braun,
grün, gelb, den Wind und Wetter in die Lehre genommen hatten, so daß

t- Maihest 1S20 (XXXIII, ,5)

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