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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 20 (Augustheft 1920)
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Avenarius, Ferdinand: Max Klinger
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Schumann, Wolfgang: Knut Hamsun: zu seinem 60. Geburtstage (4. August 1920)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0393

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in Scharen, als träten Genies kompanieweise in die Geschichte — und
Klingern gegenüber bestenfalls eine Verlegenheit, die mit irgendwas, eben
mit irgend etwas um das Wesentliche herumging, das da sein sollte und
das man nicht sah . . .

Weg vom Kleinen! Hauptsache bleibt doch, daß Klinger d a war! „And
er war unser." Der noch lebendig leuchten und wärmen wird über alle
Welt, wenn man die Größen von heute nnr noch als Mumien kennen wird:
wie Goethe und Beethoven war auch Max Klinger ein Deutscher. A

Knut Hamsun

Zu seinem 60. Geburtstage (4. August 1920)

^^reißig Iahre sind vergangen, seit tzamsun zum erstenmale auftrat;
^D^der Schwerpunkt der skandinavischen Literatur ist inzwischen von
Norwegen nach Dänemark und Schweden gewichen,- unter den Dich-
tern Norwegens steht Hamsun heute als einsame, alles überragende Gestalt
vor unsern Augen.

Wie hat er begonnen, und welche Wendungen hat es mit ihm ge-
nommen? In den Iahren um sSIO erschien „Hunger". Man ist da-
mals sehr glücklich über dieses Buch gewesen, denn es vereinte drei Dinge
in sich, die man sür das Wichtigste hielt: allerechteste „Wirklichkeit", zarteste
„Psychologie" und eine große Summe von Häßlichem und Traurigem.
Wirklicher, echter Körper-Hunger war da gezeichnet mit all seinen körper-
lichen und geistigen Folgen von Kraftlosigkeit und Widerstandsunfühigkeit,
mit jener fürchterlichen Schwäche in der Arbeit und sogar im Fühlen und
in der Leidenschaft. Es war ein Bild aus den sieben mageren Iahren des
ringenden, mühsam aufstrebenden Schriftstellers. Ganze Seiten voll von
nacherzählten Wachträumen, Ideen-Ketten und losen Stimmungen und
Assoziationen, wie sie durch ein blutleeres Gehirn wandeln. Daß nur ein
bedeutender Könner das Buch geschrieben haben konnte, erschien gewiß;
aber mehr als eine „Studie" enthielt es nicht; eine einzelne Gestalt, eine
eng begrenzte Erlebnisreihe, ein geringer thematischer Gehalt. Das nächste
Werk, „My sterien", tat neue Ausblicke auf. Im Mittelpunkt ein schwerer
Neurastheniker, instinktgeschwächt, aber um so hellsichtiger, bald unsäglich
gütig-zart, bald bissig und hochfahrend, phantastisch und nüchtern kritisch;
an einer heißen, hingebend-tollen und maßlosen, aber auch wirr-zerfah-
renen Liebe scheitert er. Dem Arsprung nach eine erschütternde Selbst-
befreiung, dem Ausmaß nach ein breiter Roman, im Kern eine „Charakter-
studie" von schillerndem Reiz und strömend reichem Leben, eingewebt in
ein Kleinstadt-Bild, reich an Begebenheiten und Gestalten. Aber war die
gereifte Virtuosität des hoch- und höchstbegabten Verfassers hier an einen
seiner würdigen Stoff gesetzt? Asthetisch spannend ist noch heute der An-
blick, wie der problematische Charakter des „Helden" allmählich bis ins
Letzte seiner Träume und Stimmungen, Gedanken und Leidenschaften hinein
aufgefaltet und schließlich bis zu seiner Todesstnnde hin entwickelt wird.
Der Reichtum an Mitteln fesselt den Geist, jedoch unser Innerstes wird
von Lem Ganzen nicht gewonnen. Was interessiert daran den Verfasser
so? Die Wissenden sagen, ein großes Stück von des Dichters eigner Natur
sei wie im „Hunger", so auch hier festgehalten. Möglich,- dann war die
Frage, ob er aus diesem äußersten Subjektivismus zur Ruhe und Reife des
Weltb'ild-Gestalters hinfinden werde. Das dritte Werk, „Neue Erde",

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