Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 20 (Augustheft 1920)
DOI Artikel:
Vom Heute fürs Morgen
DOI Artikel:
Unsre Bilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0441

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
erbaut. Wenn die Philosophie ihr Grau sondern nur erkennen; die Eule der
in Gran malt, dann ist eine Gestalt , Minerva beginnt erst nrit der einbre-
des Lebens alt gewvrden, und mit Gran chenden Dämmerung ihren Flug.
in Gran läßt sie sich nicht verjüngen, Hegel

Unsre Bilder

phrodite als das Sehnen der Menschheit aus Klingers „Brahms-
— wir wüßten nicht, welches Bild heute besser vor dem Kunst-
"^^wart zu uns sprechen könnte, als eine Wiedergabe dicser Gestalt.

Von den Radierungen des großen Toten haben wir im Laufe der
Iahre viele gezeigt, aber immer wieder war der Vorbehalt nötig: diese Wieder-
gaben zeigen vom Werke nur ungefähr so viel wie ein Klavieranszug von einer
reichen Orchesterkomposition — mehr als gar nichts, aber doch nur einen
Schatten, der dann und wann auch wohl irreführt. Anch das erschwert ja lcider
das Einleben in Klinger, daß seine Originalblätter, nur in ganz wenigen Ab-
zügen gedruckt, selten und für die Allgemeinheit sehr teuer sein müssen, wäh-
rend doch nur sie die volle Instrumentatiou zeigen, und während g^rade bei
Klinger diese Instrumentation auch Ausdrucksmittel für Tiefinnerliches ist.

Unsre heutige Doppelbeilage nach meinem Buche „Klinger als Poet" zeugt
in ungewöhnlicher Anschaulichkeit von dem Ringen Klingers mit dem psychi-
schen Thema. Das eine Blatt zeigt in leidlicher Wiedergabe die wnndervolle
Radierung „Mutter und Kind" aus dem Lodes-Zyklus, das andere gibt
in leider noch weniger geglückter, aber zur Not gerade noch ausreichender Re-
produktion drei Phasen aus der Werdezcit dieses Blattes. Das oberste Bild
zeigt das Kind als Mörder, das mittlere das Kind als brutalen Starken, das
dritte als den kleinen, armen Verlassenen, der nicht faßt, was hier geschehen
ist. Man Wolle aber nicht nur die Züge des Kindes vergleichen, sondern cbenso
die der Mutter. Auch die im Tode Erstarrke wechselt den Ausdruck, und zwar
viermal. Mir scheint sogar, daß die Wandlungen in ihrem Gesicht noch mehr
als die verschiedenen Kindergesichter davon zeugen, mit welcher Versunkenheit
in sein Thema Klinger arbeitete. Man darf sagen: mit welchem Beten er
arbeitete.

Das farbige Bild von Fulius Diez „Resignation" wirkt in der Wieder-
gabe wie auf dem Original befremdend und ist doch vielleicht innerlichere Kunst,
als manches andre Gebilde des berühmten Zeichners. Gerade die dem ersten
Blick unerquickliche Farbe durfte nicht fehlen, denn sie ist höchst charakteristisch,
sobald man auch sie als Ausdruck nimmt. Sie soll nicht „angenehm" im
üblichen Sinne sein, sie gehört zum trailmhaften Ausdruck eben dieser lStim-
mung, in der die Seele die schnellen Horen vorbeiflüchten und die Welt einsam
bleiben fühlt. Wer die kauernde Gestalt als solche beurteilen will, vergesse
auch nicht: sie gibt kein Menschenweib wieder, sondern eine Stimmung-Ver-
körperung im Traum. Wir halten diesen Versuch von Iulius Diez nicht sür
voll gelungen, aber für achtens- und dankenswert. Hier wird nach einem
neuen Wege gesucht, um das andern zn zeigen, wäs der Künstler hat, nach
einer andern Möglichkeit von Ausdruckskunst, von Expressionismus als dem
modischen der Vielen.

Als Kopfleiste geben wir eine kleine Zeichnung vou I. V. Cissarz.

tzerausgeber: vr. b. c. Ferdinand Avcnarius in Dresden-Blasewitz; verantwortlich:^ der
tzerausgeber. Mitleitende: Artur Bonus, vr.S.Kurt Fischcr und Wolfgang Schumann-^- In
Ssterreich-Ungarnsürtzerausgabeu.Schristleitung verantwortlich:vr.RichardBatka inWien II, Taborstr.ro.
Sendungen für den Text ohneAngabeeinesPcrsonennamensandie„Kunstwart-Leitung'in
Dresden-Blasewitz — Manuskripte nur nach vorheriger Vereinbarung, widrigenfalls
keine Verantwortung Lbernommen werden kann — Verlag von Gcorg D. W. Lallwcy, Druck von
Kastner L Lallwey, Buchdruckerei in München — Geschäftsstclle für Berlin: Gcorg SiemenS, V S7,
«urfürstenstr. S — Eeschäftsstelle sür Ssterreich-Ungarn: Buchhandlung Moritz Perles, Wien I, Seilergaste ll
 
Annotationen